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Riesa: Scheidungskrieg vor dem Strafrichter

Ein Riesaer soll bei einem Ehestreit seine Frau verprügelt haben. Um den Kindern der beiden eine Zeugenaussage zu ersparen, wird das Verfahren eingestellt.

Von Manfred Müller
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Ein Streit zwischen Riesaer Eheleuten eskalierte im Februar 2022.
Ein Streit zwischen Riesaer Eheleuten eskalierte im Februar 2022. © Symbolfoto/Lutz Weidler

Riesa. Beziehungsprobleme in einem Strafprozess auszubreiten, ist immer ein zweischneidiges Schwert. Besonders, wenn ein Paar Kinder hat, die dann in die Auseinandersetzung hineingezogen werden. So wie im Falle von zwei Riesaer Eheleuten, die bereits in Scheidung leben. Die Frau hat ihren Partner wegen Körperverletzung angezeigt, nachdem ein Streit offenbar eskaliert war. Es ging um einen Kaninchenstall, der im Wohnzimmer stand und den die Gattin saubermachen und wohl auch reparieren wollte. Der Ehemann kam hinzu, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Soweit stimmen die Aussagen der beiden vor Gericht noch überein.

Der 39-Jährige – er soll hier Ludwig heißen – schildert die Sache dann ziemlich verworren. Es habe schon im Vorfeld der Auseinandersetzung Streit gegeben. Deshalb sei die Lunte kurz gewesen und habe zu einem Geschubse geführt. Wer nun wann und wovon umfiel oder sich fallen ließ, wird aus der Erzählung des Angeklagten nicht ganz klar. Auf alle Fälle lagen die beiden erst auf der Couch, dann auf dem Fußboden und rangen miteinander. Er sei schließlich aufgestanden, habe seine Jacke angezogen und sei gegangen, sagt Ludwig.

Die Ehefrau, nennen wir sie Selma, ist in Begleitung eines Anwalts als Nebenklägerin erschienen. Sie erinnert sich ganz anders an die Ereignisse, die sich Februar 2022 abspielten. Ihr Mann habe sie beim Streit um die Hasenstall-Reparatur aufs Sofa gestoßen und wie ein Gorilla mit den Fäusten auf sie eingeprügelt. Mindestens 15 Schläge habe sie auf Kopf und Oberkörper bekommen. Passanten, die die lautstarke Auseinandersetzung von der Straße her mitbekamen, riefen schließlich die Polizei.

Was Richter Alexander Schreiber an der Schilderung seltsam vorkommt: Sowohl der herbeigerufene Rettungsdienst als auch die Polizisten konnten bei Selma keine sichtbaren Verletzungen feststellen. Ein Arzt bescheinigte ihr im Nachgang zwar ein Hämatom auf der Kopfhaut, allerdings ebenfalls nicht im sichtbaren Bereich. Dabei müssten doch, wenn jemand wie ein Berserker auf seine Ehefrau einschlägt, anschließend Blessuren zu sehen sein. „Der geht es nur um Schmerzensgeld!“, vermutet der angeklagte Ludwig.

Hier kommen jetzt die Kinder der beiden ins Spiel. Die waren bei dem Streit offenbar anwesend, flüchteten aber während der Auseinandersetzung auf den Balkon. Weil sich die Körperverletzung mithilfe der Schilderung der Geschädigten und den vorliegenden Polizeifotos nicht zweifelsfrei nachweisen lässt, müssten der zehnjährige Sohn und die 17-jährige Tochter in den Zeugenstand gerufen werden. Richter Schreiber setzt deshalb einen neuen Verhandlungstermin an. Bei diesem aber geschieht Überraschendes.

Richter Schreiber will den Kindern die psychische Belastung dann doch ersparen und bietet an, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Staatsanwalt und Verteidigung sowie der Angeklagte sind einverstanden. Die Nebenklägerin und ihr Anwalt hingegen wollen das nicht. So einfach dürfe Ludwig nicht davonkommen. Die Ehefrau versteigt sich sogar zu der Behauptung, ihr Zehnjähriger könne das traumatische Miterleben der Auseinandersetzung durch eine Zeugenaussage besser verarbeiten. Das Gericht lässt sich darauf nicht ein. Es ist einfach zu offensichtlich, dass Selma mit einer Verurteilung ihres Mannes ihre Position im Scheidungskrieg verbessern will. Er sehe keine Gefahr, dass sich die Ereignisse wiederholen könnten, erklärt Alexander Schreiber und stellt das Verfahren ein. Ludwig muss nun 500 Euro an eine Kinder-Hilfsorganisation überweisen.