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Haus in Lorenzkirch soll historische Begegungsstätte werden

Weil ein Foto belegt, dass sich vor Conrad Weidners Elternhaus im Zweiten Weltkrieg erstmals Amerikaner und Sowjets trafen, soll es vor dem Verfall gerettet werden.

Von Jörg Richter
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Das Geburtshaus von Conrad Weidner in Lorenzkirch ist in keinem guten baulichen Zustand. Trotzdem soll es zu einer historischen Begegnungsstätte werden.
Das Geburtshaus von Conrad Weidner in Lorenzkirch ist in keinem guten baulichen Zustand. Trotzdem soll es zu einer historischen Begegnungsstätte werden. © Lutz Weidler

Lorenzkirch. 78 Jahre ist es her, dass sich amerikanische und sowjetische Soldaten erstmals an der Elbe getroffen haben. In den Geschichtsbüchern steht, dass das angeblich in Torgau geschah. Doch die Lorenzkirchner und die Strehlaer wissen es besser.

Am Mittag des 25. April 1945 setzten amerikanische Soldaten mit einem Kahn von Strehla nach Lorenzkirch über. "Es muss genauso kalt gewesen sein wie heute", erzählt Arkadi Miller vom Museum Berlin-Karlshorst. Das würden mehrere Quellen belegen.

Miller und rund 20 andere Leute haben sich jüngst vor dem Haus in der heutigen Alten Salzstraße 22 eingefunden. Hier davor gaben sich sowjetische und amerikanische Soldaten erstmals die Hand. "Es war nur ein kurzes Treffen", weiß der junge Historiker. Die Spähtrupps der beiden damals verbündeten Armeen hätten sich eher zufällig in Lorenzkirch getroffen. Denn eigentlich war ein Sicherheitskorridor zwischen Elbe und Mulde vereinbart, damit sich US-Amerikaner und Rote Armee nicht versehentlich beschießen.

Durch Hochwasser gelitten

Ein Foto hat diesen historischen Moment des ersten Treffens in Lorenzkirch festgehalten. Das Geburtshaus von Conrad Weidner ist darauf deutlich im Hintergrund zu erkennen. Es steht seit 2001 leer und unter Denkmalschutz. Ursprünglich, weil das Anwesen ein alter, kleiner Zweiseithof ist. "Aber jetzt hat es noch eine historische Bedeutung erhalten", sagt Antje Hainz vom Denkmalschutzamt Meißen.

Deswegen engagieren sich seit einiger Zeit der Landkreis Meißen, der Freistaat Sachsen und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das stark baufällige Gebäude zu erhalten. Es hat vor allem durch die beiden Hochwasser 2002 und 2013 sehr gelitten. "Im Erdgeschoss stand das Wasser 1,70 Meter hoch", erzählt Weidners Frau Marlis.

Große Setzungsrisse ziehen sich durch die Außenwände. Einer der Giebel droht abzubrechen und wird provisorisch mit großen Balken abgestützt. Zudem hält eine Holz-Stahl-Konstruktion wie ein Gürtel das Haus zusammen. Mithilfe öffentlicher Gelder wird momentan das Fundament verstärkt, damit die Risse nicht noch größer werden.

Jens Baumann vom sächsischen Innenministerium war bei der offiziellen Aufnahme von Lorenzkirch in die Liberation Route Europe vor Ort. Im Schaukasten dahinter sind Fotos von der ersten Begegnung amerikanischer und sowjetischer Soldaten zu sehen.
Jens Baumann vom sächsischen Innenministerium war bei der offiziellen Aufnahme von Lorenzkirch in die Liberation Route Europe vor Ort. Im Schaukasten dahinter sind Fotos von der ersten Begegnung amerikanischer und sowjetischer Soldaten zu sehen. © Lutz Weidler
Auch Zeitzeugin Christa Müller sprach bei der Gedenkstunde. Sie war im April 1945 zwölf Jahre. Hinten hören (v.l.n.r.) Arkadi Miller, Jörg Morré und Conrad Weidner zu.
Auch Zeitzeugin Christa Müller sprach bei der Gedenkstunde. Sie war im April 1945 zwölf Jahre. Hinten hören (v.l.n.r.) Arkadi Miller, Jörg Morré und Conrad Weidner zu. © Lutz Weidler
Marlis Weidner zeigt in die ehemalige Stube, in die eine historische Ausstellung hineinkommen soll.
Marlis Weidner zeigt in die ehemalige Stube, in die eine historische Ausstellung hineinkommen soll. © Lutz Weidler

Es scheint, dass mit allen Mitteln versucht werden soll, dieses Gebäude vor dem Verfall zu retten. Das wird in den Gesprächen mit den Leuten, die extra nach Lorenzkirch gekommen sind, deutlich.

Einer der Gastgeber ist Jörg Morré, der Direktor des Museums Berlin-Karlshorst. Er ist Vorstandsmitglied der Liberation Route Germany. Sie ist seit zwei Jahren Bestandteil der Liberation Route Europe - zu Deutsch: Befreiungsroute Europa. Dahinter verbirgt sich ein Netzwerk europäischer Orte, das den Weg der Alliierten Richtung Berlin nachempfinden soll. Diese durch den Europarat zertifizierte Kulturroute führt bislang von der Normandie bis nach Berlin und darüber hinaus bis an die deutsch-polnische Grenze bei Frankfurt/Oder.

In Deutschland führte die Route entlang der E11 - allerdings an Sachsen vorbei. Immerhin sind bisher in Leipzig, Torgau, Colditz und Dresden sieben historische Orte und Museen in die Liberation Route Europe aufgenommen. Seit Dienstag gibt es einen achten Ort im Freistaat, der dazugehört: Lorenzkirch.

Vor dem Weidnerischen Anwesen ist am Dienstag eine Tafel eingeweiht worden, die an die erste Begegnung amerikanischer und sowjetischer Truppen erinnert. Darauf ist auch das besagte Foto zu sehen. "Es ist nun mal ein Zufall der Geschichte, dass es hier den ersten Handschlag gab", sagt Morré. Umso bedeutender sei Lorenzkirch für den Verlauf des Zweiten Weltkrieges.

Ehrenhain Zeithain bewirbt sich auch

Dieser Ort füge sich in ein Netz ein, das weiter wächst, sagt der Leiter des Museums Berlin-Karlshorst, wo die Deutsche Wehrmacht ihre Kapitulation unterzeichnete. Und auch Jens Nagel, der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain, der den Kontakt zu Morré hergestellt hatte, hofft darauf, dass seine Einrichtung ebenso bald zur Liberation Route Europe gehört. Schließlich seien auch die Insassen des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers in Zeithain befreit worden. Einen entsprechenden Aufnahmeantrag habe Nagel bereits im Herbst gestellt.

Wie es mit dem Elternhaus von Conrad Weidner weitergeht, ist momentan etwas unklar. Zurzeit ist es eine Baustelle und auch die künftigen Besitzverhältnisse ungeklärt. Mittelfristig soll eine Ausstellung der Liberation Route im Erdgeschoss untergebracht werden. Sie soll in zwei Jahren, wenn der 80. Jahrestag des Kriegsendes gefeiert wird, eröffnet werden. Da hängt aber vom Baufortschritt ab.

"Wenn man am Anfang schon sagt, das schaffen wir nicht, dann erreicht man sein Ziel auch nicht", sagt Jens Baumann vom sächsischen Innenministerium. Der Koordinator für Fragen der Kriegsgräber und Gedenkkultur des Freistaates Sachsen will sich persönlich für eine historische Begegnungsstätte einsetzen.