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Kommentar: Wenn Menschen nur Zahlen sind

Der Fall einer abgeschobenen venezolanischen Familie hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Der Freistaat sollte diese Praxis hinterfragen. Ein Kommentar.

Von Stefan Lehmann
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Für SZ-Redakteur Stefan Lehmann ist die moralische Frage der Abschiebung noch nicht geklärt.
Für SZ-Redakteur Stefan Lehmann ist die moralische Frage der Abschiebung noch nicht geklärt. © AP

Ein Unternehmer brachte es in der vergangenen Woche in der Katholischen Kirche Sankt Barbara ganz gut auf den Punkt: Er könne nicht verstehen, sagte Bauingenieur Maik Linke, wieso Menschen aus Venezuela abgeschoben werden, obwohl sie gut qualifiziert seien und vergleichweise leicht zu integrieren. „Wir brauchen mehr Leute“, sagte Linke – und er meinte damit nicht bloß die Unternehmer. Er sprach auch von Fußball und Feuerwehr, die um jedes Mitglied kämpfen. Linke kommt aus dem Vogtland, aber seine Argumente lassen sich auch auf den Landkreis Meißen übertragen. Mancher Riesaer mag das nicht gerne hören, aber schon in den vergangenen Jahren konnte die Stadt den Einwohnerschwund nur durch Zuwanderung bremsen.

Rein formal sind die Abschiebungen, selbst die der fünfköpfigen Familie aus Riesa, wohl kaum zu beanstanden. Viele Venezolaner kamen nach Deutschland in dem Glauben, man würde ihnen hier schon Asyl gewähren. Doch das ist zu Recht an strenge Voraussetzungen geknüpft.

Ob es auch moralisch richtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern nachts aus dem Schlaf gerissen und in ein Flugzeug nach Caracas gesetzt werden, wo die Familie vor dem Nichts steht und Oppositionelle im Gefängnis landen: Das ist eine andere Sache. So ist das, wenn Menschen nichts anderes sind als Zahlen in einer Statistik. Wieder fünf weniger. Wahlkampf hin oder her: Der Freistaat Sachsen täte gut daran, wenn er seinen Umgang mit Asylbewerbern in Venezuela auf den Prüfstand stellt.