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Riesa: Kleingärtnern wo früher die Kläranlage war

Die Sparte Rostocker Straße 1 ist vor 40 Jahren auf besonderem Grund entstanden. Bemerkbar macht sich das teils bis heute.

Von Eric Weser
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Spartenchef Jens Dietrich (r.) und Dietmar Friesecke vom Verband der Gartenfreunde Riesa vor einem der mehr als 60 Gärten in der Sparte Rostocker Straße 1: Die Anlage hat sich zuletzt verjüngt, der Leerstand ist gering.
Spartenchef Jens Dietrich (r.) und Dietmar Friesecke vom Verband der Gartenfreunde Riesa vor einem der mehr als 60 Gärten in der Sparte Rostocker Straße 1: Die Anlage hat sich zuletzt verjüngt, der Leerstand ist gering. © Eric Weser

Riesa. Viele Blumen, ein Spielhaus und eine Rutsche für die Kinder – und natürlich das nötige Drittel Anbaufläche. Es ist ein Vorzeigegarten, vor dem sich Dietmar Friesecke und Jens Dietrich postiert haben.

Nach einem solchen müssen der Chef von Riesas Verband der Gartenfreunde und der Spartenchef vom Kleingartenverein Rostocker Straße gar nicht lang suchen. Viele der insgesamt knapp 70 Gärten in der Anlage nahe der Drei Brücken wirken sehr gepflegt. Der Leerstand sei auch gering, erzählt Vereinsvorstand Jens Dietrich bei einem Rundgang über das Drei-Hektar-Areal, das von zwei weiteren Kleingartensparten umgeben ist. Nur etwa eine Handvoll der etwa 250 bis 350 Quadratmeter großen Parzellen in seinem Verein sei frei. Gut die Hälfte aller Gärten noch in Händen der Leute, die seit dem ersten Tag dabei sind.

Gepflegte Gärten...
Gepflegte Gärten... © Foto: SZ/Eric Weser
... gibt es in der Sparte an der Rostocker Straße ...
... gibt es in der Sparte an der Rostocker Straße ... © Eric Weser
... viele.
... viele. © Eric Weser

Dieser erste Tag liegt dieses Jahr 40 Jahre zurück. 1982 war es, als die Sparte entstand, erzählt Jens Dietrich, der selbst einige Monate nach der Gründung hinzugestoßen war. Bevor das Areal zum Kleingärtneridyll werden konnte, war einiges an Arbeit nötig. Zumal die Sparte entstand, wo sich zuvor ein Klärwerk befunden hatte. „Wo wir unsere Wiese mit dem Festzelt haben, war früher das Klärbecken“, erinnert sich Jens Dietrich. In Eigenregie sei es damals zugeschüttet worden. „Im Untergrund ist das Becken aber noch da – da liegen Badewannen und Toilettenbecken drin. Alles, was nicht mehr gebraucht wurde, kam dort hinein und wurde mit Muttererde verfüllt“, erinnert er sich. Schatzgräber könnten dort Freude haben, scherzt der Riesaer.

Die ungewöhnliche Vorgeschichte des heutigen Kleingartenareals macht sich selbst heute manchmal noch bemerkbar: Erst kürzlich hätten Gärtner wieder kleine Gegenstände im Boden entdeckt, die aus dieser Ära stammen dürften.

Eine Obstwiese samt daneben ...
Eine Obstwiese samt daneben ... © Eric Weser
... gelegenen Festzelt (hier noch ohne Bespannung) gehören zum Stolz des Vereins.
... gelegenen Festzelt (hier noch ohne Bespannung) gehören zum Stolz des Vereins. © Eric Weser

In vier Jahrzehnten haben die Gärtner der Fläche aber längst ihren Stempel aufgedrückt. Zum Stolz des Vereins gehört die große zentrale Wiese mit 70-Quadratmeter-Zelt. In dem werden im Sommer nicht nur Feiern oder Versammlungen abgehalten. Mitglieder können das Zelt, dessen Boden mit Kunstrasen aus der Sachsenarena ausgelegt ist, auch für private Feiern mieten. Gleich daneben gibt es eine Obstwiese, deren Bäume vor einigen Jahren vom früheren Feralpi-Werkdirektor gesponsert wurden. Ein Fachberater vom Kleingärtnerverband soll an ihnen bald wieder Schulungen für die Obstbaumpflege anbieten.

Ruhig sei die Anlage, sagt Jens Dietrich beim Rundgang. Tatsächlich ist Vogelgezwitscher oft deutlich lauter als das Rauschen der Rostocker Straße. Überhaupt: „Tiere schauen hier auch gern vorbei“, so der Spartenvorstand. Füchse, Hasen, Rehe. Über die Eidechsen in seinem eigenen Garten freut sich Jens Dietrich zudem besonders. Und über die Blindschleiche im Teich: „Seitdem sind die Frösche Weg.“

Auf dieser Fläche in der Anlage befand sich einst ein Garten, er wurde aber nach langem Leerstand zurückgebaut. Gut möglich, dass ...
Auf dieser Fläche in der Anlage befand sich einst ein Garten, er wurde aber nach langem Leerstand zurückgebaut. Gut möglich, dass ... © Eric Weser
... dieses Schicksal auch diesen Gartne noch ereilt. Die Laube ist allerdings noch leidlich intakt. Andere Gärten ...
... dieses Schicksal auch diesen Gartne noch ereilt. Die Laube ist allerdings noch leidlich intakt. Andere Gärten ... © Eric Weser
... wären derweil relativ schnell vermittelbar, wie dieser, der erst vor relativ kurzer Zeit aufgegeben und nun von Nachbarn gepflegt wird.
... wären derweil relativ schnell vermittelbar, wie dieser, der erst vor relativ kurzer Zeit aufgegeben und nun von Nachbarn gepflegt wird. © Eric Weser

Die ruhige Atmosphäre der Sparte wissen anscheinend viele zu schätzen. Was das Durchschnittsalter angeht, habe sich die Sparte zuletzt verjüngt, sagt Dietrich. Durch junge Familien mit Kindern, die zuletzt dazugekommen seien, liege man derzeit bei einem Altersschnitt von rund 59 Jahren – vor nicht allzu langer Zeit habe der Wert noch bei 63 Jahren gelegen.

Der Spartenchef bleibt an einem Garten stehen, den eine Familie voriges Jahr übernommen hatte und jetzt auf Vordermann bringt. Wie der Familienvater losgelegt habe, darüber sei man im Verein positiv überrascht gewesen.

Gleichwohl ist nicht alles rosarot beim Verein Rostocker Straße 1. Dem Plan eines Gartennutzers, einen Pool einzugraben, musste Spartenvorstand Jens Dietrich erst jüngst einen Riegel vorschieben. Auch der Kampf gegen die vom Bundeskleingartengesetz untersagten Koniferen sei nicht ganz einfach gewesen, denkt der Kleingarten-Vereinsvorstand zurück. Eine Handvoll Gärten musste im Laufe der Jahre auch zurückgebaut werden, weil sich einfach kein Nutzer fand. Im Vergleich zu anderen Sparten jedoch eine geringe Zahl.

Alles in allem ist der langjährige Spartenchef aber mit dem Zustand und dem Zusammenleben der Kleingärtner in der Anlage sehr zufrieden. Und auch Dietmar Friesecke vom Verband der Gartenfreunde, der in der Region 72 Vereine mit knapp 5.000 Mitgliedern betreut, sieht in der Rostocker Straße 1 eine vorbildliche Sparte.
Voraussichtlich Ende Juni will die ihr 40-Jähriges feiern. Vielleicht mit dem ein oder anderen neuen Spartenmitglied.

Infos zu freien Gärten beim Verband der Kleingärtner unter www.vdg-riesa.de oder 03525 734288.