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Riesa-Großenhain: Wie Schulen um den Lehrernachwuchs buhlen

Schon seit einer Weile läuft ein Projekt, um Schüler aus der Region fürs Lehrerwerden an einer Landschule zu begeistern. Dabei wird nicht lang gefackelt.

Von Eric Weser
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Neue Lehrer braucht das Land – im mehrfachen Sinne. In der Region Riesa-Großenhain wirbt ein Projekt schon länger unter Oberschülern und kommenden BSZ-Abiturienten für die Berufswahl.
Neue Lehrer braucht das Land – im mehrfachen Sinne. In der Region Riesa-Großenhain wirbt ein Projekt schon länger unter Oberschülern und kommenden BSZ-Abiturienten für die Berufswahl. © Symbolfoto: Pixabay

Riesa. Etwas zögerlich fragt die Zwölftklässlerin vom Beruflichen Schulzentrum in Riesa, wie es mit einem Praktikum an einer Oberschule aussähe. Vorn im Podium fackelt man nicht lange: BSZ-Leiterin Rita Harzbecker bietet der jungen Frau einen Termin noch in dieser Woche an, um zu schauen, wie so ein Praktikum in ihren Stundenplan passen könnte. Auch Edmund Weigl, Leiter der Riesaer Oberschule Am Sportzentrum, zeigt sich sofort offen, seiner früheren Schülerin einen Einblick in ihre einstige Schule aus Lehrerperspektive zu bieten. „Es freut uns, wenn so ein Wunsch geäußert wird“, sagt der Pädagoge.

Veranstaltung bringt Interessierte zusammen

So schnell kann es gehen in Zeiten, in denen händeringend Lehrernachwuchs gesucht wird – und wenn die Bereitschaft da ist, diesen Nachwuchs zu werben.

Diesem Ziel hat sich bereits seit einigen Jahren ein Projekt im Raum Riesa-Großenhain verschrieben, das unter dem Motto „Lehrergewinnung im ländlichen Raum“ steht. Dabei arbeiten mehrere Oberschulen aus der Gegend, die Beruflichen Schulzentren und das Landesamt für Schule und Bildung sowie Kommunen zusammen.

Bei der Frage-Antwort-Runde in der Riesaer BSZ-Aula an der Greifzustraße saßen sich Werber und Umworbene gegenüber. Im Podium dabei: Die stellvertretende Riesaer BSZ-Leiterin Anja Gottschaldt (l.), Lehramtsstudentin Serena Buberek (2.v.l.), BSZ-Chefin Rit
Bei der Frage-Antwort-Runde in der Riesaer BSZ-Aula an der Greifzustraße saßen sich Werber und Umworbene gegenüber. Im Podium dabei: Die stellvertretende Riesaer BSZ-Leiterin Anja Gottschaldt (l.), Lehramtsstudentin Serena Buberek (2.v.l.), BSZ-Chefin Rit © Foto: SZ/Eric Weser

Die Verantwortlichen wollen Schüler relativ früh begeistern, eine Karriere im Lehrerberuf einzuschlagen. Möglichst an Oberschulen oder berufsbildenden Schulen. Denn dort ist der Lehrermangel besonders groß.

In der BSZ-Sporthalle stand körperliche (und geistige) Anstrengung an, ehe es für die potenziellen Lehrer der Zukunft zur Frage-Antwort-Runde in die Aula der Schule ging.
In der BSZ-Sporthalle stand körperliche (und geistige) Anstrengung an, ehe es für die potenziellen Lehrer der Zukunft zur Frage-Antwort-Runde in die Aula der Schule ging. © Sebastian Schultz

Um Schüler für das Projekt zu werben oder bei der Stange zu halten, gibt es bereits seit einigen Jahren ein regelmäßiges Sportfest. Es soll die am Lehrerberuf interessierten, aus verschiedenen Schulen kommenden jungen Leute aus den Klassenstufen 9 bis 13 zusammenbringen. Die Azubis, die am Riesaer BSZ den schulischen Teil ihrer Lehre zum Sport- und Fitnesskaufmann machen, hatten dafür jetzt einen Vormittag mit organisiert, an dem sich die Schüler in verschiedenen Wettbewerben miteinander messen konnten.

Noten sind nicht alles

Nach Siegerehrung und Suppenpause ging es für die potenziellen Lehrer dann noch zur Aula zur Frage-Antwort-Runde. Auf dem Podium saß dort neben den Vertretern von Schulen und Bildungsbehörden auch Serena Buberek: Die Anfang Zwanzigjährige studiert im dritten Semester Lehramt für die Oberschule in der gesuchten Fächerkombination Mathe/Physik an der TU Dresden. Buberek ist das junge Gesicht des Lehrergewinnungs-Projekts. Ihr Beispiel soll andere zum Nacheifern motivieren.

Buberek selbst legte den etwa 40 Schülern im Publikum ans Herz, den Schritt ins Lehramtsstudium zu wagen. „Wenn ihr es wollt, schafft ihr das auch.“ Wichtiger als Bestnoten im Studium sei es, Schülern etwas beibringen zu wollen, so die junge Frau, die neben dem Studium auch Nachhilfe gibt, um Lehrerfahrung zu sammeln. Gerade sei sie außerdem im Praktikum an einer Gemeinschaftsschule, an der auch Inklusion eine wichtige Rolle spiele. Etwas darüber in Uni-Veranstaltungen zu lernen sei das eine, die realen Erfahrungen im Unterricht aber nochmal etwas ganz anderes, so die angehende Lehrerin, die von der Arbeit mit einem blinden Kind berichtete.

Berufsschullehrer ohne Beruf?

Die Schüler im Publikum zeigten sich interessiert, zögerten allerdings mit eigenen Fragen.

Ein 17-Jähriger nicht. Er wollte wissen, ob man als Lehrer an einer beruflichen Schule auch selbst einen Beruf gelernt haben sollte. Das sei keine Pflicht, hieß es einmütig vom Podium. Vor allem Michael Salomon, einst Leiter im BSZ Meißen-Radebeul, warb für das Vorschalten einer Berufsausbildung. „Dann wissen Sie, wovon sie reden und was Sie studieren“, so der Leiter der Dresdner Niederlassung des Landesamts für Schule und Bildung. Unterstützung gab es nicht nur von der Vize-Chefin des Riesaer BSZs Anja Gottschaldt, die aus eigener Erfahrung sprach. Sie habe erst Industriekauffrau gelernt, was nicht nur höhere Einkünfte beim Jobben neben dem Studium gebracht habe, da sie als Fachkraft bezahlt worden sei. Sie habe im Studium auch vom Ausbildungswissen gezehrt. Und es sei beruhigend gewesen, einen Berufsabschluss zu haben, falls das mit dem Studium doch nicht geklappt hätte.

Wenig Zeit für Großstadt-Genuss

Der 17-Jährige aus dem Publikum meinte, er habe aus seinem Umfeld gehört, dass so ein Weg anstrengend und zeitraubend sei. Nach dem Abi erst einen Beruf lernen und dann noch studieren – dann sei man erst mit 26 oder 27 im Arbeitsleben, verdiene erst relativ spät Geld. „Das ist unbestritten ein Argument“, so Rita Harzbecker. Die Ausbildung wegzulassen sei auch heutzutage möglich – aber der Rat der Profis laute anders. Auch Riesas OB Marco Müller (CDU) warb trotz anders verlaufener eigener Bildungsbiografie für diesen Weg. „Ich finde, man steht anders im Leben, wenn man eine Berufsausbildung hat.“ Die längere Ausbildungsdauer sei verkraftbar, es bleibe auch so noch viel Zeit zum Arbeiten, so der studierte Jurist.

An Stellen wie dieser geriet die Frage-Antwort-Stunde im Rahmen des Lehrergewinnungsprojekts fast schon in eine allgemeine Beratung in Sachen Berufswahl.

Hagen Kettner, ein „Vater“ des Projekts, und inzwischen in den Ruhestand gewechselter früherer Leiter des Dresdner Landesamts für Schule und Bildung, warb gegen Ende des Nachmittags noch einmal offensiv für den Lehrerberuf, egal in welcher Schulart, egal an welchem Einsatzort. Am liebsten aber auf dem Land. Denn die Großstadt sei gut und schön. Doch deren Vorzüge ließen sich auch noch am Wochenende genießen. Als Lehrer habe man, zumal in den ersten Jahren, sowieso reichlich zu tun. „Da werden sie froh sein, wenn sie abends ins Bett kommen.“