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Mit dem Rad auf Augusts Spuren

Sowohl Touristen als auch Einheimische sollen mit Hilfe einer Karte längst vergessene Orte des Zeithainer Lustlagers wiederentdecken.

Von Jörg Richter
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Radtouristen besuchen einen der sechs Obelisken, mit dem das Zeithainer Lustlager von August dem Starken markiert wurde.
Radtouristen besuchen einen der sechs Obelisken, mit dem das Zeithainer Lustlager von August dem Starken markiert wurde. © Riesa Information

Region. Wenn August der Starke zu einer Party einlädt, dann aber zu einer richtig großen. Das Zeithainer Lustlager von 1730, das ursprünglich das Große Campement bei Mühlberg und Glaubitz genannt wurde, galt als das aufsehenerregendste Spektakel der Barockzeit. "Das war wie Woodstock in 30 Tagen, statt nur in drei", sagt Jörg Runow.

Der Vorsitzende des Geschichts- und Traditionsvereins Zeithain/Sachsen e. V. muss es ja wissen. Der 64-Jährige beschäftigt sich schon lange mit dem einmonatigen Manöver, das August der Starke drei Jahre vor seinem Tod ausrichten ließ. Der Kurfürst wollte seine neu ausgestatteten Regimenter und nicht zuletzt Sachsens Glanz präsentieren. Runow hält auch den Vergleich mit den olympischen Sommerspielen für gerechtfertigt. Hätte es damals schon Fernsehen und Zeitung wie heute gegeben, dann wären Kamerateams, Journalisten und Pressefotografen aus aller Welt sicherlich ins Großenhainer Amtsgebiet gepilgert, um unbedingt dabei zu sein.

Dann hätte es sicher auch viel mehr Bilder von diesem Ereignis gegeben, vom dem seinerzeit ganz Deutschland und halb Europa sprach. "Alle großen Herrscherhäuser waren eingeladen und schickten wenigstens eine Gesandtschaft nach Zeithain", erzählt Runow. Doch leider gab es damals keine Handys, mit denen Hunderte Fotos und Selfies geknipst werden konnten. Dann gäbe es heute nicht nur Bilder von August dem Starken und seinem Hauptgast, dem preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhlem I., sondern von den vielen Zuschauern aus dem einfachen Volk. Etwa 100.000 sollen es insgesamt gewesen sein, schätzt Runow.

Jörg Runow von Geschichts- und Traditionsverein Zeithain/Sachsen e. V. zeigt auf die Landkarte des Zeithainer Lustlagers.
Jörg Runow von Geschichts- und Traditionsverein Zeithain/Sachsen e. V. zeigt auf die Landkarte des Zeithainer Lustlagers. © Jörg Richter

Nur wenige Gemälde in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden und ein paar Zeichnungen in sächsischen Museen und Archiven zeugen von den Ausmaßen und den besonderen Orten des Zeithainer Lustlagers. Diese zu entdecken und wieder ins Gedächtnis zu rufen, ist Ziel des Vereins.

Neun Jahre vor dem 300-jährigen Jubiläum sind Runow und seine Mitstreiter dabei, eine Karte vom Zeithainer Lustlager für Radfahrer und Touristen zu erstellen.

Der Anstoß soll vom Landhotel Moritz gekommen sein. Es beklagte, dass viele Elbradweg-Touristen gern ein paar Tage länger bleiben würden, aber nur wenige Sehenswürdigkeiten in Riesa und Umgebung zu finden sind.

Mit einer Radtour auf den Spuren August des Starken gebe es einen Anlass mehr, nicht sofort nach nur einer Übernachtung wieder weiterzufahren. Zu sehen, zu erahnen und zu berichten gibt es allemal vom Zeithainer Lustlager. Da ist sich Hobbyhistoriker Jörg Runow ganz sicher.

27.000 Soldaten und ein riesiges Areal

Das grüne Viereck markiert das Manövergelände, das als Zeithainer Lustlager bekannt ist. Am linken Rand ist das Zeltlager der sächsischen Regimenter zu sehen.
Das grüne Viereck markiert das Manövergelände, das als Zeithainer Lustlager bekannt ist. Am linken Rand ist das Zeltlager der sächsischen Regimenter zu sehen. © Geschichts- und Traditionsverein

Bereits 1729 hatten schätzungsweise 200 bis 300 sächsische Bergleute aus dem Erzgebirge und zwangsverpflichtete Bauern aus der Region damit angefangen, den Wald zu roden und einzuebnen. Das gesamte Areal erstreckte sich auf einer Fläche von 1.000 Hektar bis in die Gohrischheide im Norden und nach Streumen im Osten. Am südwestlichen Rand waren von Glaubitz bis Jacobsthal die Zelte der verschiedenen sächsischen Regimenter aufgestellt. 27.000 Mann wurden neu eingekleidet und sollten die militärische Macht Sachsens präsentieren. An jedem einzelnen Tag des einmonatigen Spektakels wurde ein neues Manöver durchgeführt.

Augusts Zelt stand bei Radewitz

Das königliches Hoflager auf der Radewitzer Düne.
Das königliches Hoflager auf der Radewitzer Düne. © Geschichts- und Traditionsverein

August der Starke wollte einen erhöhten Blick auf das Manöverfeld und auf seine Soldaten. Deshalb wählte er die Radewitzer Düne als Ort für sein königliches Hoflager. Das ist der Hügel zwischen Radewitz und Glaubitz. Hier standen auch die nachgebildeten türkischen Zelte. "Alles Orientalische galt damals als schick", sagt Runow. Die Originalvorlagen für die Zelte waren Siegtrophäen von der Schlacht am Kahlenberg (1683), bei der die Sachsen zum deutsch-polnischen Herr gehörten und ausnahmsweise mal gewannen. Am Fuße des königlichen Hoflagers standen die beiden Obelisken, die man heute noch entlang der Straße von Glaubitz nach Streumen sehen kann. Sie waren der Eingang zum Zeltlager der Regimenter.

Wackerbarth begrüßt Soldatenkönig in Gohrisch

August der Starke empfängt den "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I, von Preußen.
August der Starke empfängt den "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I, von Preußen. © Geschichts- und Traditionsverein

Das Zeithainer Lustlager hatte rund 4.000 Gäste. Dazu zählten Adelige aus ganz Sachsen und Vertreter europäischer Königshäuser. Sie waren in Schlössern und Herrenhäusern der Region untergebracht. Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn, der später als Friedrich der Große in die Geschichte einging, campierten zuvor bei Mühlberg. Am 31. Mai 1730, dem ersten Tag des Lustlagers, schickte August seinen Generalfeldmarschall Wackerbarth los, um dem Preußenkönig entgegenzureiten. Sie trafen sich wie vereinbart in dem kleinen Ort Gohrisch, der der Gohrischheide ihren Namen gab, aber heute nicht mehr existiert.

Der Pavillon bei Wülknitz

Von diesem Pavillon aus konnten die Zuschauer das Manöver verfolgen.
Von diesem Pavillon aus konnten die Zuschauer das Manöver verfolgen. © Geschichts- und Traditionsverein

Im Nordosten des Manövergeländes stand ein zweigeschossiger Pavillon, den der sächsische Hofbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann entwarf. Hier trafen sich die meisten Adeligen, um das Manöver standesgemäß verfolgen zu können. Der Pavillon muss sich etwa in der Nähe des heutigen Solarparks Wülknitz befunden haben.

Opernhaus bei Streumen

Ganz in der Nähe des Streumener Obelisken soll sich ein Openhaus befunden haben, das August der Starke für die abendliche Unterhaltung seiner Gäste errichten ließ.
Ganz in der Nähe des Streumener Obelisken soll sich ein Openhaus befunden haben, das August der Starke für die abendliche Unterhaltung seiner Gäste errichten ließ. © Jörg Richter

Ebenfalls aus der Feder Pöppelmanns stammt der Entwurf für das Opernhaus bei Streumen, das völlig in Vergessenheit geraten ist. "4.000 Menschen, die sich amüsieren wollten, mussten ja unterhalten werden", sagt Runow. Jeden Abend gab es Konzerte, Opern- oder Theateraufführungen. In der Lagerchronik wird berichtet: "Das Haus war so voll, dass man befürchtete, die Menschen möchten die Wände auseinander drängen." Eine Zeichnung, wie das Opernhaus ausgesehen hat, hat Runow in den Archiven noch nicht gefunden. Er vermutet, dass es in der Nähe des Streumener Obelisken stand. Möglicherweise an der heutigen ersten Kurve, wenn man in den Ort aus Richtung Glaubitz hineinfährt. Die Künstler und sämtliches Theaterpersonal wurde in Streumen untergebracht, das damals nur halb so groß war.

Wichtige Orte in Moritz, Grödel, Leutewitz und Glaubitz

Die Schlacht- und Backhäuser an der Elbe bei Moritz.
Die Schlacht- und Backhäuser an der Elbe bei Moritz. © Geschichts- und Traditionsverein

Eine große Bedeutung für das Zeithainer Lustlager wurde dem kleinen Fischerdorf Moritz zuteil. Hier wurde eine Befehlsbrücke gebaut, die gleichzeitig der Hafen für die Lagerversorgung war. Hier müssen auch die Schlacht- und Backhäuser gestanden haben, die extra errichtet worden sind. Möglicherweise wurde auch hier der berühmte Riesenstollen des Zeithainer Lustlagers gebacken. Im Nachbarort Grödel war das Kommissariat untergebracht und auf der anderen Seite der Elbe wurden bei Leutewitz die Soldaten gepflegt, die sich bei dem Manöver verletzten. Und ganz wichtig war auch das Schloss Glaubitz, das einen Monat lang als Königliches Postamt diente.

Feuerwerk am Schloss Promnitz

Seit einiger Zeithain ist das stark restaurierungsbedürftige Schloss Promnitz abends beleuchtet.
Seit einiger Zeithain ist das stark restaurierungsbedürftige Schloss Promnitz abends beleuchtet. © Eric Weser

Ein Feuerwerk an der Elbe am 26. Juni 1730 war der Höhepunkt zum Abschluss des Zeithainer Lustlagers. Dazu fanden sich August der Starke und seine Gäste auf Schloss Promnitz ein und verfolgten das fünfstündige Feuerwerk, das auf der anderen Seite des Flusses entzündet wurde. Mehrere Monate zuvor hatten 200 Zimmermänner ein 80 Ellen hohes und 200 Ellen breites Gerüst aufgebaut, das mit einer Leinwand bespannt und bemalt wurde. Es sollte einen Feen-Palast darstellen. Daneben befanden sich 60 Kanonen zum Böllern und 48 Mörser zum Leuchtkugel-Werfen sowie 80 Raketenkästen.

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