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Rund um die Uhr Milch zapfen

Für die Landwirte aus Haßlau ist heute ein großer Tag. Sie eröffnen ihre Milchtankstelle. Mit dem Stallneubau hapert es.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Roßwein/Haßlau. Wer schon einmal Rohmilch getrunken hat, ist nicht selten mit dem ersten Schluck zum Fan dieses Getränks geworden. „Kochen sie mal Pudding damit, und sie werden begeistert sein“, verspricht Christian Kalbhenn. Bei ihm und seiner Familie kommt nichts anderes als Rohmilch auf den Tisch. Kein Wunder. Denn bei Bauer Kalbhenn, der seit 1996 mit Gerhard Gröbner eine landwirtschaftliche GbR in Haßlau betreibt, fallen jeden Tag 11 000 Liter Kuhmilch an. Das Gros davon geht nach Leppersdorf und wird zu Sachsenmilch-Produkten verarbeitet. Ein kleiner Teil davon ist ab heute in der Milchtankstelle erhältlich. Rund um die Uhr kann die Rohmilch gezapft werden. Einen kürzeren Weg zum Verbraucher gibt’s wohl nicht. Denn der Stall der GbR steht nur etwa 100 Meter von der Tankstelle entfernt.

„Ich hätte Interesse an der Milch“, sagt eine Frau. Sie steht schon am Mittwoch, als die Räume noch eingerichtet werden, vor Christian Kalbhenn und bittet ihn um eine Erklärung, wie das so funktioniert an der Milchtankstelle. „Ganz einfach“, sagt der Landwirt. „Entweder sie kaufen bei mir eine Glas- oder PET-Flasche oder bringen ihre eigene mit. Dann das Geld in den Schlitz werfen und die Flasche an das Ausgussventil drücken, gewünschte Menge ins Gefäß fließen lassen, fertig.“ Zuhause sollte diese Milch vorm Genuss noch auf 70 Grad erhitzt werden. Im Kühlschrank aufbewahrt, ist sie bis zu drei Tage haltbar.

Die Milchbauern geben den Liter Rohmilch für einen Euro ab. Nicht mal die Hälfte bekommen sie vom Großhandel dafür. Den Euro hält Kalbhenn trotzdem für angemessen. „In dieser Milch sind noch alle Inhaltsstoffe und Vitamine drin, die bei der industriellen Behandlung verloren gehen“, so der Haßlauer. Das schmecke man.

Werbung für regionale Produkte

Er ist sich sicher, dass auch seine künftigen Kunden diese gehaltvolle Milch zu schätzen wissen. Schon bisher habe er ab und an Nachfragen gehabt, aber nicht direkt vom Hof verkaufen dürfen. Auch deshalb habe er sich entschieden, die Milchtankstelle einzurichten. Angefahren wird sie sicher auch von Verbrauchern, die selbst gern Butter, Käse und Joghurt herstellen. Mit der behandelten Milch funktioniere das nicht. Die Rohmilch wird lediglich auf 4 Grad heruntergekühlt. Im Automaten in der Tankstelle befindet sich eine überdimensionale Milchkanne. Geht der Vorrat dort zur Neige, bekommt Kalbhenn eine SMS aufs Handy.

Mit Reinigung und Pflege der Anlage – die hygienischen Anforderungen sind hoch – kommen täglich eine Stunde zusätzliche Arbeit auf den Landwirt oder seine vier Mitarbeiter zu. Das ist Christian Kalbhenn bewusst. Trotzdem nimmt er das genauso in Kauf wie die 30 000 Euro teure Investition in die Technik, die Flaschen und das Herrichten der Räume an der S 34 zwischen Haßlau und Naußlitz.

„Die Pläne für eine solche Milchtankstelle hatten wir schon länger. Doch erst jetzt hat sich durch den Kauf der ehemaligen Elektrofirma neben unserem Hof die Möglichkeit dazu ergeben“, erklärt der Landwirt. Mit dem Angebot gehe es ihm darum, ein Zeichen zu setzen für regionale Produkte. Das Bewusstsein dafür steige. Außerdem hat die Abschaffung der Milchquote dazu beitragen, dass die GbR ihr Vorhaben umgesetzt hat. „Wir Bauern werden nun nicht mehr reglementiert. Dadurch ergeben sich für uns neue Freiheiten. Wir können unsere Produkte frei vermarkten, ohne bei Überproduktionen Sanktionen befürchten zu müssen. Damit müssen wir aber erst lernen, umzugehen“, meint er.

Einen Lernprozess, der viel Geduld von den Bauern fordert, machen sie und ihre Architekten gerade wegen ihres geplanten Neubaus durch. Die alten Ställe in Haßlau sollen verschwinden, dafür neue, größere mit einem Freilauf für die Tiere entstehen. Ungefähr ein Jahr zieht sich der Genehmigungsprozess schon hin. „Immer wieder müssen wir etwas nachreichen, jetzt zum Beispiel Eigentumsnachweise, die wir schon lange abgegeben hatten“, sagt Christian Kalbhenn. Außerdem muss die GbR Punkte aus einem Umweltfonds kaufen, weil sie keine eigenen Flächen hat, die entsiegelt werden können. Bisher war es möglich, Bäume als Ersatz zu pflanzen.

Trotz aller Hürden hofft das Unternehmen, 2016 noch mit dem Abriss der alten Ställe beginnen zu können. Nach dem Neubau und der Erweiterung sollen 540 Milchkühe in Haßlau stehen, jetzt sind es 360. Die Jungtiere lässt die GbR andernorts aufziehen. Um Haßlau bewirtschaftet sie noch 400 Hektar Land, wo Futter angebaut wird. Trotz aller Probleme der Milchbauern hält Kalbhenn an der Investition in Ställe und einer Aufstockung des Tierbestandes fest. Er ist überzeugt: „Der Markt reguliert sich.“

Hoffest zur Eröffnung der Milchtankstelle in Haßlau: Sonnabend ab 14 Uhr mit Kinderspaß, Milchverkostung und Beköstigung. 15 und 17 Uhr gibt es Stallführungen.