SZ + Döbeln
Merken

App-gefahren: Was in einem Kuhstall automatisch läuft

Der Landwirtschaftsbetrieb in Haßlau hat als einer der ersten in der Region in innovative Technik investiert. Was damit alles möglich ist, kommt Tieren wie Mitarbeitern zugute.

Von Heike Heisig
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Haßlauer Landwirt Christian Kalbhenn (links) hat Landesbischof Tobias Bilz (3. v.l.) und seinen Begleitern am Donnerstag gezeigt, wie innovativ Tierhaltung sein kann. Vorher besuchte Bilz das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Nossen
Der Haßlauer Landwirt Christian Kalbhenn (links) hat Landesbischof Tobias Bilz (3. v.l.) und seinen Begleitern am Donnerstag gezeigt, wie innovativ Tierhaltung sein kann. Vorher besuchte Bilz das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Nossen © SZ/DIetmar Thomas

Roßwein. Da hat Hartmut Günther nicht zu viel versprochen. Der Niederstriegiser gehört zu dem Männerkreis, der den Betriebsbesuch 2023 von Landesbischof Tobias Bilz organisiert hat.

Auf Günthers Vorschlag schaute sich der Chef der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens am Donnerstagnachmittag die GbR in Haßlau an.

Dort konnten Bilz und seine Begleiter dann tatsächlich über außergewöhnliche Lösungen staunen, um einen Landwirtschaftsbetrieb für Mitarbeiter attraktiv zu machen und dabei auch das Tierwohl im Blick zu haben.

Landwirtschaftlichen Altbauten zum Start 1995

Obwohl gerade richtig viel zu tun ist, nahm sich Mitgesellschafter Christian Kalbhenn Zeit, um den Kirchenmann zu zeigen, was er und sein Team seit 1995 aufgebaut haben.

Schon ein Jahr, nachdem Kalbhenn auf dem Hof als Verwalter angefangen hatte, ergab sich die Möglichkeit, in das Unternehmen einzusteigen und Partner von Gerhard Gröbner und dessen Tochter Marie Grahl zu werden.

Der Start damals war mit landwirtschaftlichen Altbauten und 150 Tieren. Heute konnte Kalbhenn den Besuchern mehrere über die Jahre neu gebaute Ställe zeigen. Im ersten sind bereits wieder Sanierungen gelaufen, die Lüftung und Beleuchtung erneuert worden.

Die LED-Lampen in diesem Stall strahlen jetzt am Tag und in der Nacht unterschiedlich hell. Dieser Rhythmus soll auch zu einem guten Milchertrag beitragen.

Von der Futterbereitstellung bis zum Wegräumen der Hinterlassenschaften der Tiere läuft auf dem Hof in Haßlau vieles automatisch.
Von der Futterbereitstellung bis zum Wegräumen der Hinterlassenschaften der Tiere läuft auf dem Hof in Haßlau vieles automatisch. © SZ/DIetmar Thomas

21.000 Liter Milch werden täglich vom Hof in Haßlau abgeholt und zu Sachsenmilch nach Leppersdorf gefahren. Um diesen Ertrag zu erzielen, stehen in Haßlau 640 Milchkühe in den Ställen.

Hinzu kommen tragende Färsen und Kälber. 190 sind es im Moment. Jungtiere, derzeit 349, lässt die GbR seit 2016 in Raitzen aufziehen. Hochtragend kommen die Kühe dann nach Haßlau zurück.

Fütterung der Tiere übernimmt die Technik

Die Fütterung der Tiere am Morgen übernimmt Technik. Auch die Futtermischung wird automatisch zusammengestellt. Zum Melken hat Christian Kalbhenn inzwischen elf Automaten angeschafft, den ersten schon 1998.

Dadurch können die Tiere selbst entscheiden, ob sie fressen, ausruhen oder gemolken werden wollen. So ganz selbstbestimmt sind die Milchkühe dann aber doch nicht: Die Technik erkennt, wenn sich Tiere immer wieder „anstellen“, nur um den beim Melken gereichten Snack abzufassen. In diesem Fall dürfen sie wieder abtreten.

Einige wenige Tiere gehen nicht gern an den Melkstand. Auch das erfasst die App. Für diese Milchkühe gibt es dann eine persönliche Begleitung vom Chef. Wo sich welche Kuh gerade aufhält, sieht Christian Kalbhenn auf einer App.

  • Nachrichten aus der Region Döbeln von Sächsische.de gibt es auch bei Facebook und Instagram

Die zeigt ihm auch den Brunstzyklus jedes Tieres an. Sogar eine Separierung fürs Besamen oder den Tierarztbesuch ist möglich. „Insgesamt versuche ich immer, mich in die Kuh hineinzuversetzen“, sagte der Landwirt.

Anhand der unterschiedlichen Baujahre der Ställe konnte der Landwirt gut veranschaulichen, dass es in modernen Ställen auch für die Kühe erträglicher ist.

So schwülheiß, wie es gerade ist, mag es die in Haßlau gehaltene Rasse Holstein Schwarzbunt überhaupt nicht. Die Tiere fressen weniger und geben daher auch weniger Milch.

Tierwohl soll bei Sanierung oben an stehen

Bei anstehenden Sanierungen will die GbR das Tierwohl oben an stellen. „Am Ende müssen wir aber genauso an den Mitarbeiter und den Servicetechniker denken“, gab Christian Kalbhenn zu.

Der Landwirtschaftsbetrieb beschäftigt im Moment neun Mitarbeiter, darunter zwei Lehrlinge. Letztere zu finden, fällt dem Unternehmen weniger schwer. „Wir sind ein innovativer Betrieb mit abwechslungsreichen Aufgaben“, begründet Kalbhenn.

  • Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an [email protected]

Angehende Landwirte findet er nicht selten über Schülerpraktika. Dazu kommen Schulen mittlerweile auf ihn zu.

Mit seinen Mitarbeitern kommt der Haßlauer Betrieb um die Runden, Ausfälle dürfe es aber keine geben. Mehr Leute zu beschäftigen, lasse die Preispolitik der Abnehmer nicht zu. 36,5 Cent bekommen die Bauern gerade für den Liter Milch – nach einem historischen und möglicherweise einmaligen Hoch Ende 2022/Anfang 2023 mit 61 Cent.

Nicht zuletzt deshalb schweben dem für Innovationen zu begeisternden Landwirt noch weitere Technisierungen vor, um den Beschäftigten die Arbeit zu erleichtern. Schon jetzt wird ein Roboter eingesetzt, um das Futter den Tieren sozusagen wieder vor die Nase zu schieben.

Ein anderes Gerät ist im Einsatz, um die „Kuhfladen“ von der Stellfläche der Tiere wegzubefördern. Für die wöchentliche Tiefenreinigung „würde ich gern noch etwas automatisieren“, sagte Kalbhenn. Diese Arbeit sei keine wirklich angenehme.

Unternehmen fühlt sich gut angenommen

Wie der Betrieb im Ort akzeptiert wird, wollte Landesbischof Bilz wissen. Der 49-Jährige erklärte daraufhin, dass er sich mit dem Unternehmen gut angenommen fühle. Zu einer weiteren Akzeptanz, so denkt er, habe auch seine inzwischen größer gewordene Familie beigetragen.

„Zwei, drei Kritiker gibt es immer“, so der Landwirt. „Mit denen versuche ich zu sprechen, ihnen Dinge zu erklären.“ Was die Geruchsbelästigung betrifft, so könnten sich Besserungen ergeben, wenn der Betrieb weitere Auflagen erfüllt.

Bis 2026 muss noch ein Güllebehälter mit einem Zelt abgedeckt und die Mistplatte überdacht werden. „Das gefällt uns nicht, aber wir werden uns fügen“, so Kalbhenn.