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Kremlgegner Nawalny in Moskau beerdigt

Zwei Wochen nach seinem Tod im Straflager ist der Kremlgegner Nawalny auf dem Moskauer Borissowskoje beerdigt worden. Kurz danach veröffentlichte seine Witwe eine traurige Liebesbotschaft per Video.

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Anatoli Nawalny (l-r) und Ljudmila Nawalnaja, die Eltern des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, nehmen am offenen Sarg Abschied von ihrem Sohn.
Anatoli Nawalny (l-r) und Ljudmila Nawalnaja, die Eltern des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, nehmen am offenen Sarg Abschied von ihrem Sohn. © AP

Moskau. Am offenen Sarg mit dem toten Kremlgegner Alexej Nawalny haben Angehörige am Freitag in Moskau Abschied von dem 47-Jährigen genommen. Sein Team, das wegen drohender Festnahme im Ausland ist, rang mit den Tränen, als Nawalnys Angehörige den Leichnam küssten. Die Live-Bilder waren in einem Youtube-Stream zu sehen. Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied "My way". Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde. Tausende Menschen waren auf dem Weg zum Friedhof, um sich von Nawalny zu verabschieden.

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme riskieren in Russland. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Männer tragen den Sarg und ein Porträt des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny aus der Kirche
Männer tragen den Sarg und ein Porträt des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny aus der Kirche © AP

Zum Abschied von ihrem Mann veröffentlichte Julia Nawalnaja per Videoclip eine Liebesbotschaft mit markanten Szenen aus ihrem gemeinsamen Leben. Sie werde Alexej immer lieben, schrieb die 47-Jährige am Freitag bei Instagram. In dem Clip waren viele Szenen ihres gemeinsamen Lebens zum Song "Chotschesch" (zu Deutsch: Willste) der russischen Sängerin Zemfira zu sehen.

In dem Post schrieb Nawalnaja: "Ljoscha, ich danke dir für 26 Jahre absolutes Glück. Ja, sogar für die letzten drei Jahre des Glücks. Für die Liebe, dafür, dass du mich immer unterstützt hast, dass du mich sogar im Gefängnis zum Lachen gebracht hast, dass du immer an mich gedacht hast." Ljoscha ist die Koseform des Namens Alexej.

Nawalnaja schrieb weiter: "Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes geben, damit du dich da oben für mich freust und stolz auf mich bist. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe oder nicht, aber ich werde es versuchen.

Ich bin sicher, dass wir uns eines Tages treffen werden. Ich habe so viele unerzählte Geschichten für dich, und ich habe so viele Lieder für dich auf meinem Handy gespeichert, alberne und lustige und im Allgemeinen, ehrlich gesagt, schreckliche Lieder, aber sie handeln von uns, und ich wollte so gerne, dass du sie dir anhörst. Und ich wollte so gerne sehen, wie du sie dir anhörst und lachst und mich dann umarmst.

Ich werde dich immer lieben. Ruhe in Frieden."

Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen.

Drohkulisse vor Kirche aufgebaut

Nawalny setzt den Machtapparat auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des Oppositionsführers gegen den Kremlchef protestieren könnten. Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte am Freitag, dass jeder Bürger die Verantwortung trage für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße. Zugleich antwortete er auf die Frage eines russischen Journalisten, ob der Kreml etwas zum Tod Nawalnys zu sagen habe: "Nein, nichts."

Russlands Machtapparat hat vor der Beerdigung an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut. Metallgitter wurden weiträumig aufgestellt, Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten. Auch das mobile Internet sei runtergeregelt worden. An der Kirche hing den Berichten zufolge eine Aufforderung, nicht zu filmen oder zu fotografieren.

Schon Stunden vor der Trauerfeier wird die Kirche, in der Nawalnys Beerdigung stattfinden soll, überwacht.
Schon Stunden vor der Trauerfeier wird die Kirche, in der Nawalnys Beerdigung stattfinden soll, überwacht. © AP

Schon zuletzt hatten starke Sicherheitskräfte Hunderte Trauernde beim Niederlagen von Blumen festgenommen. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des vor zwei Wochen im Straflager gestorbenen Nawalny protestieren könnten gegen den Kremlchef.

"Kommen Sie, um Alexej Nawalny auf seinem letzten Weg zu begleiten, wenn Sie in Moskau sind. Es werden Ihnen alle danken, die aus verschiedenen Gründen nicht dort sein können", sagte der Oppositionelle Leonid Wolkow, der selbst im Exil lebt und ein enger Vertrauter des Kremlgegners war. Nawalnys Team will die Beerdigung live im Internet begleiten. Anwesend sein will dabei auch der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys sowie Menschenrechtler werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen. Der Kreml weist das zurück.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen "Polarwolf" in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von "natürlichen" Ursachen die Rede.

Behörden hielten Nawalnys Leichnam tagelang unter Verschluss

Für besonderes Entsetzen sorgte auch, dass die Behörden Nawalnys Leiche zunächst rund eine Woche unter Verschluss hielten und seine Mutter Ljudmila Nawalnaja gemeinsam mit einem Anwalt in der Polarregion nach dem Körper suchen musste. Nawalnaja beklagte auch, sie sei von Ermittlern bedrängt und erpresst worden, einer heimlichen Beisetzung zuzustimmen. Das aber tat sie nicht - stattdessen forderte sie öffentlich, dass Angehörige und Unterstützer die Möglichkeit haben sollten, sich von ihrem Sohn zu verabschieden.

Schließlich erklärte Nawalnys Team dann, einen Ort für die Trauerfeier organisieren zu wollen. Die Suche gestaltete sich in den vergangenen Tagen allerdings erwartungsgemäß als schwer. Kurz vor der Präsidentenwahl am 17. März sind dem Kreml jegliche größeren kritischen Veranstaltungen ein Dorn im Auge. Hunderte Menschen wurden zuletzt schon bei der Niederlegung von Blumen für Nawalny festgenommen. (dpa)