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Ballettstück ist zu homosexuell für Russlands Kultur

Das Bolschoi Theater streicht das Stück „Nurejew“, weil der Tänzer schwul war und das laut Putin ein „nicht traditioneller Wert“ ist. Berater des Intendanten ist Putin-Vertrauter Hans-J. Frey, Ex-Chef des Semperopernballs.

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Kirill Serebrennikow
Kirill Serebrennikow © dpa

Das weltberühmte Moskauer Bolschoi Theater hat unter politischem Druck Kirill Serebrennikows Ballett „Nurejew“ um den an Aids gestorbenen homosexuellen russischen Tänzer Rudolf Nurejew aus dem Spielplan gestrichen.

Das sei wegen des Verbots von Propaganda „nicht traditioneller Werte“ geschehen, sagte Theaterintendant Wladimir Urin.

Urins offizieller Berater ist der ehemalige Chef des Dresdner Semperopernballs, Hans-Joachim Frey, der auch als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Putin gilt.

Hans-Joachim Frey
Hans-Joachim Frey © Sven Ellger

Das vielfach ausgezeichnete Ballett von Serebrennikow, der den Lebensweg des zu Sowjetzeiten geflohenen Weltstars Nurejew nachzeichnet, gehörte zu den beliebtesten Aufführungen der weltgrößten Balletttruppe. Zu sehen waren auf der Bühne etwa homosexuelle Szenen sowie Männer in Frauenkleidern und auf Stöckelschuhen.

Verstöße gegen das von Wladimir Putin unterzeichnete Gesetz, das etwa positive Darstellungen von Homosexualität verbietet, werden mit hohen Geldstrafen geahndet.

Russlands Kommunikationsaufsichtsbehörde veröffentlichte nun Leitlinien zum Verbot von Propaganda „nicht traditioneller Lebensweisen“. So hatten sich etwa Verlage unsicher gezeigt, ob auch Bücher verboten sind, die gleichgeschlechtliche Liebe als gleichwertig darstellen zu den Beziehungen zwischen Mann und Frau. Das ist dem neuen Kodex zufolge nicht erlaubt und dürfte zu weiterer Zensur auch von Klassikern führen.

Serebrennikow, der Russlands Krieg gegen die Ukraine scharf kritisiert hatte, verließ angesichts der politischen Verfolgung seine Heimat und arbeitet in Frankreich und Deutschland, wo er erfolgreich Opern inszeniert. Der 53-Jährige, der auch ein geschätzter Filmemacher ist, stellt viele seiner Arbeiten online, zum Beispiel Theaterinszenierungen des von ihm lange geführten Gogol-Zentrums in Moskau.

Serebrennikow hatte mit seinem stets ausverkauften Ballett „Nurejew“ gleich vier Auszeichnungen beim renommierten Tanzpreis Benois de la Danse erhalten. Ihm selbst sprach die internationale Jury in Moskau den Preis für die beste Ballettregie zu. Im Zuge der wachsenden Repressionen gegen Kunstschaffende in Russland war auch Serebrennikow bei den kremltreuen Kulturfunktionären, die etwa Werte der russisch-orthodoxen Kirche hochhalten, in Ungnade gefallen. Aus Angst vor Verfolgung haben viele Künstler Russland verlassen, um frei arbeiten zu können. (dpa/SZ)