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War Schröder nur ein Teilchen in Putins Spiel?

Gerhard Schröder hatte für Russlands Präsidenten eine Schlüsselrolle beim Bau der Gaspipelines in der Ostsee. Nun wächst der Druck, ihm Steuergelder zu streichen.

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Schröder und Putin verstehen sich gut - eigentlich.
Schröder und Putin verstehen sich gut - eigentlich. © dpa

Von Georg Ismar

Gerhard Schröder ist abgetaucht in Hannover. Man wüsste gern, was er von der Eloge des Wladimir Putin hält, die er im Beisein des neuen Kanzlers Olaf Scholz vergangene Woche auf ihn hielt, da hatte er wohl seinen Ukraine-Befehl schon beschlossen.

„Der deutsche Bürger soll in seine Tasche gucken und sich die Frage beantworten, ob er bereit ist, dreimal so viel, fünfmal so viel für Gas, für Strom zu zahlen. Wenn er das nicht machen will, dann soll er Herrn Schröder danken. Denn das ist das Ergebnis seiner Arbeit. Das ist sein Ergebnis“, sagte Putin.

Doch genau das ist nun das große Dilemma für Olaf Scholz, der zu Schröder auf größtmögliche Distanz gegangen ist, wie die ganze SPD-Spitze.

Schröders fünfte Ehefrau, die Südkoreanerin So-yeon Schröder-Kim, hat den Altkanzler dagegen nun sogar als Friedensvermittler ins Spiel gebracht. „Viele haben sich bei mir gemeldet, ob mein Mann nicht mit Herrn Putin über die Ukraine-Krise reden könnte. Das ginge nur, wenn die Bundesregierung das ernsthaft wollte.

Davon ist aber nicht auszugehen“, schrieb die Schröder-Gattin in einem Instagram-Post. Da dürfte sie richtig liegen mit dem letzten Satz. Der Beitrag wurde schnell wieder gelöscht. Schröder selbst schweigt.

„Herr Schröder wird sich aktuell nicht äußern“

„Herr Schröder wird sich aktuell nicht äußern“, teilt sein Altkanzler-Büros in Berlin auf Anfrage mit. Für die Anfrage, ob er trotz des Völkerrechts-Bruch durch Putin wie geplant im Juni in den Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Gazprom einrücken wird, verweist das Büro an Schröders Kanzlei in Hannover. Denn hier gehe es um privatwirtschaftliche Aktivitäten. Aber das bleibt unbeantwortet.

Es entpuppt sich als ein Fehler und Irrglaube der deutschen Russlandpolitik und der SPD, dass sich Putin durch Gasgeschäfte einhegen lässt und dass Nord Stream ein rein privatwirtschaftliches Projekt ist.

Schröder hat Putin in der Kanzlerschaft und danach alle Türen geöffnet, um mit neuen Pipelines durch die Ostsee die Gas-Milliarden zu mehren. Auch dank der deutschen Zahlungen wurde das russische Militär in die Lage versetzt, in der es heute ist.

Es sei erinnert, was Schröder im November 2004 in der ARD-Sendung „Beckmann“ sagte. Er wurde gefragt, ob Putin ein lupenreiner Demokrat sei. „Ja, ich bin überzeugt, dass er das ist“, sagte Schröder. Er sei überzeugt davon, Putin Russland „zu einer ordentlichen Demokratie machen will und machen wird“. Zwischen ihm und Putin bestehe ein Grundvertrauen. Dies beinhalte, „dass man einander die Wahrheit sagt“.

Es war die Zeit, als der frühere KGB-Mann seine Macht in Russland nach den fragilen Demokratie-Versuchen so weit gefestigt hatte, dass er mit dem autoritären Umbau des Staates begonnen konnte. Im April 2005 wurde im Beisein von Schröder und Putin das Pipeline-Projekt Nord Stream 1 besiegelt, durch die Ostsee-Route wurde die Ukraine umgangen. 2011 ging sie in Betrieb.

Es sieht nicht gut aus für die Zukunft von Nord Stream 2 nach dem erneuten Völkerrechtsbruch durch Wladimir Putin.
Es sieht nicht gut aus für die Zukunft von Nord Stream 2 nach dem erneuten Völkerrechtsbruch durch Wladimir Putin. © dpa

Schröder wurde Chef des Aufsichtsrats und ist das auch bei Nord Stream 2. Zudem übernahm Schröder noch den Vorsitz des Aufsichtsrats beim russischen Energiekonzern Rosneft (Jahresgehalt: rund 600 000 Dollar.). 2013 begannen die Planungen für die Doppelröhre Nord Stream 2, mit der weitere 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt werden sollten.

Trotz der Krim-Annexion gingen die Planungen weiter, der deutsche Sonderweg spaltete die Europäische Union, 2018 begann der Bau, 2021 wurden die letzten Röhren verlegt. Rund 9,5 Milliarden Euro kostet das Projekt, ob hier jemals Gas fließen wird, ist mehr als fraglich.

Aktion gestartet, um Schröder zu gewinnen

Schröder, der sich seines direkten Drahts in den Kreml rühmt, hat mit der Einschätzung zu Putin, wie so viele falsch gelegen. Bei einem Treffen mit SPD-Granden und dem russischen Honorarkonsul und Schröder-Vertrauten Heino Wiese Anfang Januar in Hannover zeigte sich Schröder dem Vernehmen nach überzeugt, dass Putin nicht in die ganze Ukraine einmarschieren werde.

Und man erörterte, wie denn noch Kontakte in die russische Zivilgesellschaft geknüpft werden können, dass nicht alle Brücken abgerissen werden dürfen. Aus Sicht einiger in der SPD hat auch die Ukraine etwa mit dem Verbot der russischen Sprache Fehler gemacht, auch dass Autonomieregelungen für den Donbass gemäß des Minsker Abkommens nicht ernsthaft umgesetzt wurden.

All die Umschmeichelungen Schröder durch Putin werden nun natürlich in einem anderen Licht betrachtet. Immer wieder war Schröder mit seiner damaligen Ehefrau Doris Schröder-Köpf bei Putin zu Gast, die Besuche hatten fast privaten Charakter, man strahlte um die Wette. Zu Schröders 60. Geburtstag brachte der russische Präsident Putin einen Kosackenchor mit nach Hannover. Und das Ehepaar Schröder durfte zwei russische Kinder adoptieren.

Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) früh Erkenntnisse, „dass der Kreml eine Aktion starten ließ, um Schröder für Moskau zu gewinnen“. Wie es nun mit dieser Partnerschaft, ein deutscher Altkanzler in Diensten eines Landes mit einem zunehmend unberechenbaren Präsidenten weitergeht, ist offen.

Thema in der Koalition

In der SPD wird der Druck größer auf ihn, auch wenn ihn das nicht beeindruckt, er kann da auch dickköpfig sein. In einer gerade gestarteten Petition fordern tausende, die staatliche Finanzierung des Altkanzler-Büros von Gerhard Schröder zu beenden. Für Personalausgaben im Büro des Altkanzlers flossen im vergangenen Jahr 407.000 Euro aus der Staatskasse, also Steuergelder.

„Ein Bundeskanzler a.D., der sich von Autokraten finanzieren lässt, sich in ihre Abhängigkeit begibt und damit die deutschen Interessen verhöhnt, sollte nicht länger vom deutschen Steuerzahler finanziert werden“, wird in der Petition gefordert. Künftig müsse gesetzlich geregelt werden, dass jemand der für ausländische Staatskonzerne tätig ist, keinen Anspruch auf die Versorgungsregelung hat.

Das Thema wird auch langsam auch eines in der Koalition. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte dem „Handelsblatt“ mit Blick auf Schröder: „Es wäre hilfreich, wenn jemand aus der SPD ihn auffordern würde, freiwillig auf seine staatliche Bürofinanzierung zu verzichten.“ Sie erklärte: „Der Altkanzler ist Lobbyist für Wladimir Putin und die Interessen der russischen Energiewirtschaft.“