Er hatte überlegt, sich Dresden anzuschauen, sagt er. Und die Sächsische Schweiz soll ja auch sehr schön sein. Jetzt kriegt der Geschäftsreisende Kurt Gruber aus Niederösterreich beides. Dafür hat er die Autobahn nicht einmal verlassen müssen. Nur kurz ran gefahren, und er hat den Lilienstein vor sich. Dann passiert er die Bastei, und um die Ecke steht Schloss Pillnitz. Dabei wollte er eigentlich bloß aufs Klo.
Sachsens Autobahnen sollen bunter werden, nicht auf der Fahrbahn, sondern daneben. Die Verschönerung der WC-Häuschen, so sagt Tino Möhring, Sprecher der Niederlassung Ost der Autobahn GmbH in Halle, sei ein großes Thema. "Der Anreiz ist, dass die Gebäude freundlicher aussehen und zu einer wohlverdienten Pause einladen."
Bunte Autobahnklosetts gibt es neuerdings an der A 2 westlich Magdeburg, an der A 9 bei Dessau oder auch an der A 71 im Erfurter Becken. Und nun kommt die Autobahn A 17 dazu. In der letzten Aprilwoche ging ein Team von fünf Auftragskünstlern am Parkplatz Nöthnitzgrund bei Bannewitz ans Werk. Seither zischen täglich die Sprühdosen, um die schönsten Orte der Region an die bislang weißen Wände zu malen.
Ein Arbeitsplatz, der nie zur Ruhe kommt
Till Mixsa aus Kreischa ist einer der Buntmacher, die am Nöthnitzgrund zugange sind. Rings um sein Gerüst rauscht der Verkehr, rangieren die Laster. Zum ersten Mal ist der junge Mann so lange am Stück auf einem Autobahnparkplatz. Eine unruhige, aber keine schlechte Erfahrung, wie er findet. "Hier sind viele interessante Leute."
Leute wie der Österreicher Gruber. Die Firma des Innenarchitekten stellt Gastro-Design her. Gerade hat er sich im Südbrandenburger Seenland ein Hotel angeschaut, das eine neue Einrichtung braucht. Und auch neue Farbe. Er ist immer auf der Suche nach Könnern, die er engagieren könnte, sagt er. Was er hier sieht, findet er jedenfalls "voll super." Schon hat Till Mixsa Grubers Visitenkarte in der Hand.
Für Mixsa ist das nichts Neues. Wenn er seine Farbdosen auspackt, zieht das die Leute an, sagt er. "Das sieht man eben nicht alle Tage." Manche stauen, was man mit den Sprühflaschen alles anstellen kann, und kommen so auf die Idee, sich auch ein Bild malen zu lassen. "Es ist die beste Werbung."
Am Autobahn-WC ist Till Mixsa für Schloss Pillnitz zuständig. Ein Teil des Bildes ist schon farbig, der andere noch schwarzweiß. Die Konturen des Lustschlosses der sächsischen Herrscher sind in einer Nachtschicht entstanden. Beamer und Laptop wurden aufgebaut, Fotos an die Klowände projiziert, alles Markante wurde mit schnellen Strichen festgehalten. "Freihand würde das immens mehr Zeit kosten", sagt Till.
Ein Tischlergeselle wechselt zur Sprühdose
Gerade weil es so klare Strukturen hat, ist Pillnitz anspruchsvoll. Die Symmetrien müssen passen, die Kanten, die Fensterkreuze, die Schattenwürfe. Till Mixsa muss viel abkleben, muss viele Schablonen basteln. Das, was die Sprayer lieben, das dynamische, das freie Arbeiten aus der Hand heraus, kann er sich hier weniger erlauben.
Ob das Sprühen Kunst ist oder Handwerk? Für Till Mixsa ist es ein bisschen von beidem. Mit Handwerk kennt er sich jedenfalls aus. Er stammt aus einer Schmiede. Gelernt hat er Tischler. Dann allerdings machte er sein Hobby zum Beruf. Die Arbeit mit der Düse - dafür empfindet er Leidenschaft. Seine Eltern hätten ihn bei dieser Entscheidung begleitet und unterstützt. "Die finden das cool."
Der Goldene Reiter ist auch bald da
Inzwischen ist die Bemalung des Häuschens in Richtung Prag praktisch abgeschlossen. An Pillnitz, Lilienstein, Basteibrücke und Weißeritztalbahn sind nur noch Restarbeiten auszuführen, sagt Christian Weiße. Als Chef der Firma Fassadengestaltung Dresden hat er diesen Auftrag bekommen, den er nun mit Szene-Talenten wie Till Mixsa ausführt. In weiteren zwei Wochen soll das Klo Richtung Dresden verziert sein, mit Goldenem Reiter, Blauem Wunder, Fernsehturm und Terrassenufer.
Christian Weiße, der aus Torgau stammt, beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Graffiti. Den Ausschlag gab ein Sprayer, der die Sportanlagen seiner Schule bemalte. Da wusste Weiße, was er wollte. Heute verfügt der 39-Jährige über einen festen Stamm von etwa 20 freiberuflichen Gestaltern. Und über unzählige weitere Kontakte. Sein Netzwerk nennt er global. Dazu zähle im Prinzip jeder, der Bock habe, ein Projekt umzusetzen.
Weiße arbeitet sowohl für öffentliche als auch für private Auftraggeber. Dass Auftragswerke eigentlich nichts zu tun haben mit "echtem" Graffiti, das frei und kompromisslos entsteht, stört ihn nicht. Geld verdienen muss schließlich jeder, sagt er. Und wer gute Graffiti machen will, der muss üben. Aufträge sind dafür die beste Gelegenheit. Man übt von früh bis spät und wird auch noch bezahlt dafür. "Wie cool ist das denn?"
Die Autobahn gibt für die Bilder am Nöthnitzgrund etwa 26.000 Euro aus. Laut Sprecher Tino Möhring ist das gut angelegtes Geld. Das bunte Gestalten von Toilettenanlagen habe dazu geführt, dass deutlich weniger Beschmierungen vorkämen und die Meistereien nicht ständig damit beschäftigt seien, die Häuschen wieder herzurichten. Das Malern eines WC-Häuschens schlüge mit etwa tausend Euro zu Buche.
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Tatsächlich sind illegale Verzierungen der Autobahn ein großes Problem, sagt Ronny Hamann, Autobahnmeister auf der A 17 und Teilen der A 4. Nahezu jede Lärmschutzwand, jede Schilderbrücke und jedes Brückenbauwerk sei betroffen. Zwar könnte man die Bilder entfernen, sagt Hamann. Bisher habe man das aber nicht getan. "Wir würden nur Platz für Neues schaffen." Getilgt würden lediglich verfassungsfeindliche oder sexistische Inhalte.
Auch Ronny Hamann hofft, dass die Toilettenbildergalerie die Häuschen vor Vandalismus bewahrt. Nach Christian Weißes Erfahrung funktioniert das weitgehend. Beschädigungen kämen trotzdem vor, etwa durch Parolen oder Aufkleber aus der Fußball-Szene. Das lasse sich reparieren. Grundsätzlich müsse er immer mit Reaktionen auf seine Bilder rechnen, sagt er. Wer etwas an eine Wand malt, der fordert zum Dialog heraus. "Das ist eine Form von Spannung, die ich ganz cool finde."