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Lauern auf La Bomba: Wie der Zoll in Bad Schandau Böllerschmuggler jagt

Die Feuerwerksfans rüsten für Silvester. Auch in Tschechien wird Munition eingekauft. Auf die Rückkehrer jedoch warten Kontrollen.

Von Jörg Stock
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Gesetzestreu eingekauft: Felix vom Zoll hat nichts zu beanstanden an den Silvesterraketen, die sich Hasso Gantze und Elke Böhme bei ihrem Ausflug ins Tschechische besorgt haben.
Gesetzestreu eingekauft: Felix vom Zoll hat nichts zu beanstanden an den Silvesterraketen, die sich Hasso Gantze und Elke Böhme bei ihrem Ausflug ins Tschechische besorgt haben. © Steffen Unger

Rustikaler Vollbart, Panzerkette um den Nacken, Tätowierungen auf der Haut - der Mann, der auf dem Parkplatz vor Bad Schandaus Feuerwache aus seinem Ford klettert, scheint erlebnisorientiert zu sein. Aber hat er deshalb illegale Böller an Bord? Das Leipziger Nummernschild könnte auf eine weite Reise für spezielle Produkte hindeuten. Und die wollen die Zöllner jetzt sehen.

Kontrollen nur stichprobenartig möglich

Nach zwei Jahren feiern auf Sparflamme wird die nächste Silvesternacht wieder eine Nacht ohne Limits sein. Das betrifft auch das Feuerwerk. Fans von Blitz und Knall dürfen sich ungehindert eindecken. Während in Deutschland der Verkauf erst nach Weihnachten startet, sind Böller und Co. in Tschechien ganzjährig im Angebot. Die Hobbyfeuerwerker stocken schon emsig auf. Aber nicht alle tun das gesetzestreu.

Im Focus der Streife: Wer diese Lichter im Wagen vor sich erblickt, wird zur Kontrolle gebeten.
Im Focus der Streife: Wer diese Lichter im Wagen vor sich erblickt, wird zur Kontrolle gebeten. © Steffen Unger

Wie groß das Problem der Einfuhr ungeprüfter oder für Laien nicht zugelassener Pyrotechnik aktuell ist, lässt sich nur schwer abschätzen, sagt Maximilian Hempel, Sprecher beim Hauptzollamt Dresden. Die Behörde überwacht den Warenverkehr von Leipzig bis zu Sachsens Ostgrenze. Kontrollen könnten nur stichprobenweise erfolgen und allenfalls eine Tendenz aufzeigen, sagt Hempel. "Und die Tendenz geht nach oben."

Zoll-Sprecher: "Die Tendenz geht nach oben"

Im Jahr 2020, Deutschland hatte erstmalig den regulären Feuerwerksverkauf abgesagt, fanden die Zöllner des Dresdner Amts 47 Kilo nicht zugelassene Pyrotechnik. Im Jahr darauf, als das Böller kaufen abermals flach fiel, waren es schon 730 Kilo. Das laufende Jahr wird all das übertreffen. Bis Ende November waren etwa 1,7 Tonnen illegales Feuerwerk aufgegriffen, Explosivmasse netto: fast 300 Kilo.

Maximilian Hempel ist Sprecher beim Hauptzollamt Dresden. Er sagt, dass die Tendenz beim Feuerwerksschmuggel nach oben weist.
Maximilian Hempel ist Sprecher beim Hauptzollamt Dresden. Er sagt, dass die Tendenz beim Feuerwerksschmuggel nach oben weist. © Steffen Unger

Die Kontrolleinheit Verkehrswege ist täglich auf Achse, um illegale Waren, auch Feuerwerk, ausfindig zu machen. Dieses Jahr landeten die Zöllner auf der Autobahn A17 zwei Volltreffer. Anfang November fanden sie in einem Kleintransporter Feuerwerksbatterien von über 600 Kilo Gewicht. Zwei Wochen später waren es sogar über tausend Kilo. Beide Male handelte es sich um niederländische Fahrzeuge, die aus Tschechien kamen.

Schmugglern drohen harte Strafen

Geladen war Profi-Feuerwerk der Kategorie F3, für das die Beteiligten keine Lizenz hatten. Das Zollfahndungsamt, die Kripo des Zolls, ermittelt nun. Hohe Geld- oder sogar Haftstrafen stehen im Raum. Doch auch für den Gelegenheitskauf am Straßenrand droht saftige Buße. Die Staatsanwaltschaft Dresden nennt zwei Beispiele vom Vorjahr: Fünfzehn Blitzknaller der Szenemarke "Dum Bum", entdeckt in Schmilka, kosteten den Besitzer 450 Euro Strafe. Eine Kugelbombe, ebenfalls in Schmilka festgestellt, 1.050 Euro.

Dicker Fisch: In diesem niederländischen Kleintransporter fanden Zollbeamte auf der A17 Mitte November eine gute Tonne unerlaubter Pyrotechnik.
Dicker Fisch: In diesem niederländischen Kleintransporter fanden Zollbeamte auf der A17 Mitte November eine gute Tonne unerlaubter Pyrotechnik. © Zoll

Der Grenzort Schmilka ist immer für eine Kontrolle gut. So auch heute. Zwei Streifen kreiseln in dem Straßendorf und schauen sich einreisende Fahrzeuge an. Gesichter, Alter - das ist nur bedingt interessant, sagt Zollobersekretärin Susann König. Es geht auch um Autoschilder und ums zöllnerische Bauchgefühl. Manchmal stoppt man gerade Menschen, die absolut nicht nach Verbotenem aussehen, die es aber, wie die Nachschau zeigt, doch tun. "Jeder kann etwas dabei haben."


Die Zollhauptsekretäre Johann und Felix haben sich für den Bärtigen aus Leipzig entschieden, haben sich vor seinen Wagen gesetzt und ihn bis nach Schandau gelotst, wo Platz ist, um unauffällig zu arbeiten. Anstandslos reicht der Angehaltene seine Papiere herüber. Ein Moment, der den Beamten viel erzählt: Hantiert das Gegenüber fahrig? Zittert die Hand mit dem Ausweis? Vorhin war ein Herr sehr nervös, erzählt Felix. Gefunden wurde nichts. Aber der Tüv war ein halbes Jahr überfällig. "Vielleicht war das der Grund."

Sicherheitsbehälter zum Abtransport beschlagnahmter Pyrotechnik. Diesen Fund machten Dresdner Zollfahnder Ende 2021 in Thüringen.
Sicherheitsbehälter zum Abtransport beschlagnahmter Pyrotechnik. Diesen Fund machten Dresdner Zollfahnder Ende 2021 in Thüringen. © Zollfahndungsamt Dresden

Während einer der Zöllner sich vom Kofferraum des Autos nach vorn arbeitet, der zweite ihn dabei sichert, steht der Fahrer unaufgeregt daneben. Er hat Zigaretten und Tabak gekauft, auch Kaffee und Benzin. Aber Böller? "Nee, ich knall schon ewig nicht mehr", sagt er. Er hält nichts davon, sein Geld zu verbrennen. "Das kann man besser investieren."

Weihnachtsbäume statt illegale Kracher

Ein schwarzer Skoda mit Pirnaer Kennzeichen ist als Nächstes dran. Darin sitzen Hasso Gantze aus Wehlen und Elke Böhme, seine Nachbarin, sowie zwei Nordmanntannen. Die Weihnachtsbäume hat das Duo in Česká Lípa gekauft. Da sind sie um die Hälfte billiger, sagt Hasso. Billiger sind auch die Silvesterraketen. Eine Kollektion von sieben Stück liegt neben böhmischem Bier, Wein und Zigaretten im Kofferraum.

Auch wenn die Feuerwerkskörper an sich legal sind: Eigenbauten, sogenannte Selbstlaborate, sind grundsätzlich verboten.
Auch wenn die Feuerwerkskörper an sich legal sind: Eigenbauten, sogenannte Selbstlaborate, sind grundsätzlich verboten. © Zollfahndungsamt Dresden

Die Zöllner inspizieren die Tüte und finden, was sie suchen: Das CE-Symbol nebst Zahlencode sagt aus, dass eine offiziell benannte Stelle geprüft hat, ob dieses Produkt den europäischen Sicherheitsstandards entspricht. Konformitätsbewertung heißt das. F2 steht für klassisches Silvesterfeuerwerk für jedermann ab 18, geht also auch in Ordnung. Die beiden dürfen weiterfahren.

Bombenböller als Tischfeuerwerk deklariert

Prüfsymbole sind ein Anhalt, aber beim Kauf im Ausland kein Beweis, dass man auf der sicheren Seite ist. "Die Händler schrecken nicht davor zurück, die Zeichen zu fälschen", sagt Zöllner Felix. So seien einmal Knaller der Marke "La Bomba", die ausgewachsene Postbriefkästen in die Luft sprengen - als F1 markiert gewesen, quasi als Tischfeuerwerk. "Dann viel Spaß in der Stube!"

Vom Kofferraum bis zur Motorklappe: Zöllner Felix arbeitet sich prüfend durch ein gestopptes Fahrzeug.
Vom Kofferraum bis zur Motorklappe: Zöllner Felix arbeitet sich prüfend durch ein gestopptes Fahrzeug. © Steffen Unger

Susann König und ihr Kollege Olaf Bretschner kommen mit einem silbernen Opel im Schlepp angerollt. Mutter und Tochter und der Schwiegersohn in spe steigen aus. Knaller? "Um Gottes Willen!", schickt die Frau einen Stoßseufzer los. Die Familie hat Hunde, für die ist die Böllerei ein Graus. "Von so was halten wir gar nichts", sagt sie. "Deshalb sind solche Kontrollen sehr gut."

Der Schwiegersohn wird trotzdem durchsucht, muss die Taschen leeren. Olaf Bretschner schnuppert ins Tabakpäckchen. Der Kontrollansatz ist ganzheitlich. Es geht immer um alles, also zum Beispiel auch um Drogen. So holt der Zollamtsinspektor auch noch Cora hinzu, seinen Belgischen Schäferhund, der ein Drogenspürhund ist.

Die Zöllner haben nicht nur Böller, sondern das ganze Spektrum der Schmuggelware im Blick. Hier schnüffelt der Belgische Schäferhund Cora nach Drogen.
Die Zöllner haben nicht nur Böller, sondern das ganze Spektrum der Schmuggelware im Blick. Hier schnüffelt der Belgische Schäferhund Cora nach Drogen. © Steffen Unger

Das Tier umrundet das Auto der Familie, schnüffelt am Tankdeckel, an den Lampenöffnungen, an jeder Ritze, wo feinste Partikel von verstecktem Haschisch, Marihuana, Kokain oder Amphetamin ausdünsten könnten. Unterm Nummernschild der Treffer: ein Tütchen Opium. Aber das hat Bretschner dort versteckt, als Belohnung für den Hund. In puncto Böller müssen die Zöllner weitersuchen. Doch der nächste Aufgriff, da sind sie sicher, kommt bestimmt.