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Stellt Sachsens AfD den nächsten Landtagspräsidenten?

Bislang gilt: Die stärkste Kraft kann einen Kandidaten als Präsident des Landtags vorschlagen. Was passiert, wenn die AfD die Wahl in Sachsen gewinnt?

Von Thilo Alexe
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Sachsens Landtag als Blick in die Kugel: Was passiert nach der Wahl im September 2024?
Sachsens Landtag als Blick in die Kugel: Was passiert nach der Wahl im September 2024? © Jürgen Lösel

Sie liegt in Umfragen gleichauf oder führt: Sollte Sachsens AfD bei der Landtagswahl im kommenden Jahr tatsächlich stärkste Kraft vor der CDU werden, würde das politische Gefüge des Freistaates durcheinandergewirbelt. Eine Frage stellte sich dann recht früh, nämlich bei der ersten Zusammenkunft des neuen Landtags.

Die AfD hätte nach der jetzigen Regelung ein gewichtiges Wort bei der Entscheidung über den Landtagspräsidenten mitzureden. Das Amt ist in der Landesverfassung verankert. Neben repräsentativen Aufgaben bildet die Sitzungsleitung des gesetzgebenden Plenums den Schwerpunkt. „Die stärkste Fraktion schlägt ein Mitglied des Landtags für die Wahl zur Präsidentin oder zum Präsidenten vor“, heißt es in der Geschäftsordnung des Landtages. Was also wäre, wenn die AfD als stärkste Fraktionen einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete aus ihren Reihen für das prestigeträchtige Amt nominierte?

Natürlich schreiben weder Verfassung noch Geschäftsordnung den Abgeordneten vor, wen sie wählen sollen. Im Bundestag fallen seit Jahren AfD-Kandidaten durch. Allerdings geht es dabei um die Besetzung eines Vizepostens im Bundestagspräsidium. Präsidentin ist die SPD-Politikerin Bärbel Bas.

Sachsens Landtagspräsident, derzeit ist es der nicht mehr kandidierende CDU-Abgeordnete Matthias Rößler, wird geheim gewählt. Er braucht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags. Sollte ein vorgeschlagener AfD-Bewerber diese Hürde nicht nehmen, stehen weitere Durchgänge an. Wollen die anderen Fraktionen verhindern, dass ein AfD-Vertreter wichtige Sitzungen wie etwa die zur Wahl des Ministerpräsidenten leitet, müssen sie sich abstimmen – trotz alles Gegensätze.

Die CDU sieht bislang keinen Handlungsbedarf. Sie hofft auch angesichts der Zustimmungswerte zu Partei- und Regierungschef Michael Kretschmer darauf, stärkste Kraft zu werden. Ein Fraktionssprecher der Landtags-CDU betonte: „Es sind noch knapp 300 Tage bis zur Wahl.“ Parteitaktische Personalspekulationen lehne die Fraktion ab. „Sie sind respektlos dem Wähler gegenüber, der noch nicht einmal seine Stimme abgegeben hat.“

Im Regierungslager gibt es aber auch andere Stimmen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünenfraktion, Valentin Lippmann, sagte auf Anfrage, über die Geschäftsordnung werde der sich der neue Landtag zum Auftakt der kommenden Wahlperiode verständigen. Er verwies auf ein Verfassungsgerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr, das klargestellt habe, „dass die Freiheit des Mandates nicht durch etwaige Vorschlagsrechte ausgehebelt werden kann". Damit spielte Lippmann auf eine Differenz zwischen der Geschäftsordnung des Landtages und der Landesverfassung an. Die erste räumt der stärksten Fraktion den Personalvorschlag für den Präsidenten ein, in der Verfassung steht dazu aber nichts.

Linksfraktionschef Rico Gebhardt sagte, die Landtagslinke habe in dieser Wahlperiode keinem einzigen AfD-Personalvorschlag zugestimmt. Ohne die CDU direkt zu nennen fügte Gebhardt allerdings hinzu: „Gesprächen mit den demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag, zu denen die AfD nicht zählt, haben wir uns nie verweigert.“ Das heißt: Falls die CDU einen Bewerber stellt, muss sie sich um Mehrheiten bemühen, die Linke ist, das legt Gebhardts Statement nahe, offen für Gespräche.

Nach der aktuellen Geschäftsordnung hat die stärkste Kraft das Vorschlagsrecht, zur Wahl benötigt es die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtages. Kommt diese nicht zustande, können erst im dann folgenden zweiten Wahlgang auch andere Bewerber vorgeschlagen werden. Auch sie benötigen die Stimmenmehrheit der Landtagsmitglieder. Womöglich ändern die Fraktionen die Geschäftsordnung so, dass das Vorschlagsrecht für den Wahlsieger entfällt und bereits im ersten Durchgang mehrere Bewerber antreten dürfen. Doch auch das könnte schwierig werden: Bislang braucht es eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Ordnung. Kommt die AfD auf mehr als ein Drittel der Sitze, geht ohne sie in dieser Frage nichts.

Vieles ist offen und die Wahl noch eine Weile hin. Welche Brisanz das Thema aber haben kann, zeigt sich im benachbarten Thüringen. Gewählt wird zeitgleich mit Sachsen. Stabil vorn liegt die AfD, deren thüringischen Landesverband der Verfassungsschutz in Erfurt als gesichert rechtsextremistisch einstuft. In einem Gastbeitrag für den Spiegel wiesen die Wissenschaftler Jelena von Achenbach und Maximilian Steinbeis darauf hin, dass es in der Verfassung Thüringens - anders als in Sachsen - Unschärfen bei den Regeln zur Ministerpräsidentenwahl gibt, die ein AfD-Landtagspräsident zugunsten der Partei und eben von Björn Höcke auslegen könnte. Zudem nannten sie ein Papier der Ex-SPD-Landesgeschäftsführerin Anja Zachow, das sich der Thematik widmet. Titel: „Was dann wieder keiner gewollt haben wird“.