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Michael Kretschmer bleibt CDU-Chef in Sachsen - seine Vize-Favoritin scheitert

Der Parteitag der CDU Sachsen wählt Landeschef Michael Kretschmer mit gut 89 Prozent der Stimmen erneut zum Landesvorsitzenden. Seine persönliche Favoritin für einen der CDU-Vizeposten scheitert dagegen.

Von Annette Binninger & Gunnar Saft
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem CDU-Landesparteitag in Chemnitz.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem CDU-Landesparteitag in Chemnitz. © Hendrik Schmidt/dpa

Chemnitz. Zehn Monate vor der Landtagswahl in Sachsen ist Ministerpräsident Michael Kretschmer in seinem Amt als CDU-Landesvorsitzender bestätigt worden. Die Delegierten eines CDU-Parteitages in der Chemnitzer Stadthalle wählten ihn am Sonnabend mit 193 Ja-Stimmen bei 216 gültigen Stimmen erneut in dieses Amt. Das ist für ihn mit 89,35 Prozent Zustimmung ein überraschend gutes Ergebnis.

Bei der Wahl zum CDU-Landeschef vor zwei Jahren erreichte Kretschmer 76,35 Prozent der Stimmen - ohne einen Gegenkandidaten. 2019 gab es bei der gleichen Konstellation dagegen noch 95,5 Prozent Zustimmung durch die Parteibasis. Zu dem damaligen Zeitpunkt war der heute 48-Jährige erst seit knapp zwei Jahren CDU-Regierungschef in Sachsen und ging zum Jahresende erstmals eine Kenia-Koalition mit den Grünen und der SPD ein, die bis heute im Amt ist. Im kommenden Jahr müssen sich Kretschmer und Sachsens CDU zur Landtagswahl am 1. September erneut dem Wählervotum stellen und danach möglicherweise auch neue Koalitionen anstreben.

Nach der Wahl Kretschmers kam auch der von ihm erneut als sächsischer CDU-Generalsekretär vorgeschlagene Alexander Dierks bei der Abstimmung auf beachtliche 87,04 Prozent Zustimmung.

Mit Spannung erwartet wurde dann die Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter von Kretschmer, deren Zahl erstmals von drei auf vier erhöht wurde - jeweils zwei Vizeposten für die CDU-Frauen und zwei für CDU-Männer. Am Ende setzten sich dabei souverän die bisherigen Amtsinhaber durch. Der Plauener OB Steffen Zenner kam auf 91,44 Prozent Zustimmung, der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Christian Hartmann, auf 89,19 Prozent und Sachsens Kultur- und Tourismusministerin Barbara Klepsch auf 83,78 Prozent. Beim Kampf um den neuen vierten Posten setzte sich die Chefin der Frauen-Union Sachsen, Sandra Gockel (53,6 Prozent), gegen die Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein (42,34 Prozent) durch. Dieses Duell war bereits im Vorfeld parteiintern umstritten, da sich Landeschef Kretschmer gegen den Willen vieler Kreisverbände vorab für Schenderlein stark gemacht hatte.

Ein einfaches Heimspiel war dieser Parteitag für CDU-Landeschef Michael Kretschmer also nicht. Das war schon Tage zuvor spürbar. Es gibt nicht nur Ärger um seine personellen Vorschläge für den Landesvorstand, die als Alleingang kritisiert werden, sondern dem 48-Jährigen weht bereits seit einiger Zeit ein schärferer Wind entgegen.

Das liegt nicht nur an den weiter steigenden AfD-Werten bei der einen oder anderen Umfrage. Auch die Kritik an den Koalitionspartnern in Sachsen, den Grünen und der SPD, wird immer lauter. Es mehren sich die Stimmen, die gar von einem vorzeitigen Ende des schwierigen Dreierbündnisses träumen. Kretschmer will ungern nochmal mit ihnen koalieren. Doch er hat seine Partei auch mehrfach darauf hingewiesen, dass es sein könnte, dass man erneut mit den Grünen ein Bündnis eingehen muss, wenn sonst keine tragfähige Regierungskoalition nach der Landtagswahl zustande kommen sollte. Der Antritt der Freien Wähler und das noch nicht kalkulierbare neue Bündnis von Sahra Wagenknecht sind völlig offene Größen. Die CDU müsse im kommenden Jahr nach der Landtagswahl eine "demokratische Regierung aus der politischen Mitte heraus zustande bringen", setzte Kretschmer auf dem Parteitag als Ziel fürs kommende Jahr. Und fügte hinzu: "Sehr, sehr gerne ohne die Grünen."

Entscheidend war an diesem Samstag deshalb, ob die Delegierten den CDU-Landeschef und Ministerpräsidenten mit einem hohen Ergebnis öffentlich den Rücken stärken für die anstehenden Wahlkämpfe im kommenden Jahr. Im Juni stehen Kommunal- und Europa-Wahlen an, am 1. September 2024 dann die Landtagswahl.

Kretschmer: Bürger vermissen gesunden Menschenverstand

"Ideen. Leistung. Liebe" - so gehe Sachsen", verteidigte Michael Kretschmer zu Beginn seiner Rede das Motto des Parteitages in Chemnitz. Wer eine Idee umsetzen und etwas leisten wolle, müsse die Möglichkeiten haben, das zu tun. Niemand dürfe daran gehindert werden. "Wir brauchen ein mehr an Liebe. Liebe zu unserem Land, aber auch mehr Gemeinsamkeiten unter uns. Wir müssen denen entgegentreten, die Hass und Spaltung säen."

Technologie-Offenheit und Markt seien das bessere Konzept als Planwirtschaft und Regulierung. Die Sachsen könnten mit einem großen Selbstbewusstsein in die Zukunft gehen. Es gehe auch immer darum, das zu verteidigen, was die Sachsen aufgebaut haben: Wohlstand, Sicherheit und Demokratie. Sie würden durch Extremisten bedroht. Und darum seien alle dazu aufgerufen, sich dem entgegenzustellen. "Wir brauchen eine klare Haltung und die Fähigkeit, den Extremisten entgegenzutreten."

Mit Blick auf die AfD ergänzte Kretschmer in dem Zusammenhang aber auch: "Das Gerede über Brandmauern bringt so lange nichts - es ist im Gegenteil sogar Brandbeschleuniger - so lange man nicht denen den Nährboden entzieht." Erst wenn die Probleme gelöst werden, über die die Leute unzufrieden sind, werde sich auch die rechtsextreme AfD auflösen, sagte Kretschmer.

Seit einem Jahre mache man Vorschläge zur Migration, kritisierte Kretschmer das zögerliche Vorgehen der Bundesregierung. "Es geht so nicht, es gibt Grenzen. Wir müssen dann handeln, wenn wir die Dinge sehen, nicht erst dann, wenn wir mit dem Kopf gegen die Wand geknallt sind", kritisierte Kretschmer die Ampelregierung.

Viele Bürgerinnen und Bürger vermissten heutzutage den "gesunden Menschenverstand". Dafür stehe die sächsische Union, die mit einem christlichen Menschenbild Politik mache. "Willkommen sind hier alle Menschen, solange sie sich an unsere Werte, Gesetze und Regeln in unserem Grundgesetz halten."

Kretschmer erinnerte an den Begriff der "Leitkultur", den Friedrich Merz geprägt habe. Dieser Begriff sei richtig. "Es kann nicht jeder kommen, der will, sondern wir entscheiden, wer kommen darf."

Natürlich gebe es eine "Obergrenze" - die richte sich nach der Zahl der Wohnungen, den Möglichkeiten der Kommunen und der vorhandenen Plätze in Schulen. "Die Leute lassen sich nicht mehr verarschen. Die wollen eine Lösung haben", appellierte er in Richtung Bund.

Die Europa-Wahl habe es nicht verdient, zu einer Abstimmung über eine verfehlte Migrationspolitik zu werden. Dennoch sei es wichtig, dass die Menschen, die nach Sachsen kommen, ordentlich untergebracht werden.

Kretschmer: Kommunalwahlen werden extrem wichtig

Zugleich warb Kretschmer für Zuwanderung. Auf der Seite der illegalen Migration müssten die Zahlen sinken, dagegen müsse die Zahl der geordneten Zuwanderung steigen.

Einen Seitenhieb für Berlin gab es von Kretschmer auch wegen der plötzlichen Finanzierungslücke im Volumen von 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Donnerstag die Verschiebung von Corona-Krediten in den Klima-Transformations-Fonds für unzulässig erklärt. "Es muss jetzt aufhören, dass wir die Herausforderungen der Gegenwart ständig mit neuen Schulden lösen", sagte Kretschmer. "Jetzt ist die Zeit, Prioritäten zu setzen."

In Richtung der Grünen - ohne sie hier direkt anzusprechen - teilte Kretschmer ebenfalls aus. "Wir haben doch keine Gesetze gemacht, damit wir in jeden Lebensbereich der Menschen eingreifen. Wir wollen doch keine Volkserzieher sein." Auch die geplante Erhöhung des Bürgergeldes sowie die erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie seien "Unfug" und "Gift".

Kretschmer betonte, dass die im Juni anstehenden Kommunalwahlen extrem wichtig seien. Denn die kommunale Basis sei entscheidend. Die CDU müsse mit starken Kandidatinnen und Kandidaten überall antreten. Zugleich versprach Kretschmer, die Landesfinanzierung für Kreise und Kommunen zu überarbeiten. "Ich teile die Einschätzung, dass wir den Städten und Gemeinden und Landkreisen helfen müssen, damit sie nicht unter Wasser gedrückt werden." Sonst drohten den Menschen vor Ort Ohnmachtserfahrungen, die sich negativ für alle auswirkten.

"Dann droht ein Chaos"

Dabei kritisierte er erneut Energie-Preispolitik der Bundesregierung, die Deutschlands Wirtschaft bedroht. Deutschland habe nur zwei Prozent des weltweiten Co2-Ausstoßes. Da sei ein Kapazitätsabbau in der Wirtschaft nicht die Lösung, vielmehr sei es absolut richtig, dass wir die Technologie entwickeln, um das Klima besser zu schützen und diese weltweit anbieten können.

"Niemand wird uns etwas nachmachen, wenn Deutschland damit an die Wand fahre", rügte er den Kurs der Ampel. Auch durch das Festkleben auf der Straße werde nichts besser, kritisierte Kretschmer die Klima-Bewegung.

Am Ende warnte er mit Blick auf die Landtagswahlen 2024 vor einer künftigen Minderheitsregierung in Sachsen. Dann drohe ein "Chaos". Jeder könne jeden in der Politik dann erpressen. Die Menschen im Freistaat würden mit ihrer Stimme entscheiden, ob Sachsen weiterhin weltoffen und vorwärtsgewandt bleibt.