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Morgenlage in Sachsen: Chipkarten für Migranten; Bürgerwehren; Kretschmer

Statt Bargeld: Sachsen will Chipkarten für Asylbewerber + Kretschmer über AfD-Bündnis + Warnung vor Bürgerwehren + Schülergruppe auf Rückflug aus Israel

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Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) ist ab heute Nachmittag bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Frankfurt/Main. Wichtigstes Thema dort: die hohen Asylbewerberzahlen.
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) ist ab heute Nachmittag bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Frankfurt/Main. Wichtigstes Thema dort: die hohen Asylbewerberzahlen. © dpa

Guten Morgen,

das Format der Ministerpräsidentenkonferenz ist uns aus der Corona-Zeit ja noch gut bekannt. Während der Virus-Krise wurde das Gremium der 16 Regierungschefs zum mächtigsten im Land. Nun könnte erneut die Stunde des elitären Kreises schlagen. Heute Nachmittag startet das Treffen in Frankfurt/Main. Und die Wortmeldungen vorab deuten darauf hin, dass es zu gemeinsamen Beschlüssen in der Asylpolitik kommen könnte - auch als Reaktion auf die Landtagswahlergebnisse in Hessen und Bayern mit teils erheblichen Zugewinnen für die AfD.

Wie mein Kollege Thilo Alexe erfahren hat, geht Sachsen mit der Forderung in die Runde, die Leistungen für Asylbewerber umzustellen und Geld-Chipkarten einzuführen - wohlgemerkt, ohne die Koalitionspartner von SPD und Grünen in die Pläne einzuweihen. Das Kalkül: Überweist man kein Bargeld mehr, können Asylbewerber nichts mehr in die Heimat überweisen. Die Attraktivität Deutschlands als Fluchtziel sinkt vermeintlich. Man strebe eine bundesweite Lösung an, sagt Sachsens Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) vor dem Treffen. Komme diese nicht zustande, werde man das Modell aber auch nur landesweit einführen. Das Motto also: Wenn ihr keine gemeinsame Lösung wollt, machen wir unser eigenes Ding. Zumindest Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dürfte aber ein solches Modell befürworten.

Das sind unmissverständliche Signale. Der Wille, irgendein Mittel gegen die hohen Asylbewerberzahlen zu finden, ist groß. Die Politik will Handlungsfähigkeit beweisen. Dabei ist klar: Auch das Chipkarten-Modell wird die Asylbewerberzahlen in Deutschland nicht schnell reduzieren. Deren Einführung scheint mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden zu sein. Da könnte sogar eine Einigung auf eine gemeinsame europäische Asylpolitik schneller zustande kommen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Die wichtigsten News am Morgen:

Mackenroth will Definition sicherer Herkunftsländer ändern

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) plädiert dafür, ein "dynamisches System" einzuführen, mit dem sichere Herkunftsländer festgelegt werden. "Dieses soll sich an der tatsächlichen Anerkennungsquote für Asyl-Antragssteller aus dem jeweiligen Land orientieren, wobei regionale Gegebenheiten durchaus berücksichtigt werden könnten", sagt Mackenroth der Leipziger Volkszeitung.

Die Stadt Ebersbach-Neugersdorf lehnt derweil ein Asylheim in einem ehemaligen Hotel ab. Das hat Bürgermeisterin Verena Hergenröder (parteilos) am Montagabend in der Stadtratssitzung, bei der großer Andrang herrschte, deutlich gemacht. Ein privater Betreiber hat dem Landkreis das Hotel als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge angeboten. Die Stadt wird dabei befragt und um ihr Einvernehmen gebeten. Das kann sie unter bestimmten Umständen versagen. Die Bürgermeisterin sieht solche Umstände hier gegeben. "Die Stadt Ebersbach-Neugersdorf wird das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben nicht erteilen", sagte sie in der Sitzung. Sie beruft sich darauf, dass der Landkreis zunächst prüfen muss, ob es auch andere Unterbringungsmöglichkeiten gibt.

Laut einer Umfrage verlangt eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung einen Kurswechsel bei der Migration.

Verfassungsschutz warnt vor Bürgerwehren

In Sachsen sind wieder Bürgerwehren unterwegs. Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, haben Sicherheitsbehörden im laufenden Jahr bislang sechs Bürgerwehraktionen im Freistaat erfasst. Zu den Initiatoren im Freistaat zählen die rechtsextremistischen Parteien Dritter Weg und Freie Sachsen. "Wir haben bisher eine sogenannte Bürgerwehraktion des Dritten Weges in Zittau festgestellt", sagt Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian. "Die Freien Sachsen haben bislang mindestens fünf sogenannte Streifengänge durchgeführt." Die Aktionen fanden im Zusammenhang mit der aktuellen Migrationsdebatte statt. Christian beschreibt die Strategie so: "Rechtsextremisten instrumentalisieren die Diskussionen, werfen den politischen Entscheidern Untätigkeit vor und setzen sich selbst mit diesen Aktionen als Kümmerer in Szene." Indem sie unter anderem Ausländer als kriminell stilisierten, schürten sie Sorgen und Ängste in der Bevölkerung.

Kretschmer: "Ich mache mit der AfD gar nichts"

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat einer Zusammenarbeit mit der AfD nach der Landtagswahl 2024 erneut eine Absage erteilt. "Ich mache mit der AfD gar nichts", sagte Kretschmer am Dienstagabend in der ARD-Sendung Maischberger auf die Frage nach einer CDU-Minderheitsregierung mit AfD-Stimmen. "Die Zukunft ist gestaltbar", sagte Kretschmer . "Wir können uns klein machen, über Brandmauern reden, über Minderheitsregierung. Oder wir arbeiten." Er sei überzeugt, dass Anpacken und Machen der richtige Weg sei, hob der Regierungschef hervor. Zuvor sorgte Kretschmer mit einem überraschenden Bekenntnis für Aufmerksamkeit. "Ich halte sehr viel von dem aktuellen Bundeskanzler", sagte er. Manchmal sei Scholz etwas schweigsam. Es sei auch gelegentlich schwer, ihn zu überzeugen. "Aber er ist ein sehr, sehr kluger und verlässlicher Mensch", betonte Kretschmer. Deswegen setze er darauf, dass aktuelle Probleme wie die zunehmende Migration und gestiegene Energiepreise in den kommenden Wochen und Monaten von Bund und Ländern "gemeinsam" in den Griff bekommen werden.

Hannig wohl wieder als Anwalt aktiv - ohne Zulassung

Der fraktionslose Dresdner Stadtrat Frank Hannig steht vor neuem Ärger. Auf seiner Facebook-Seite Hannig.Recht sagt er in einem am 15. September geposteten Video: "Ich habe gestern an einem Amtsgericht in Sachsen als Wahlverteidiger einen Prozess geführt, da ging es wieder mal um Facebook." Das will nun die sächsische Anwaltskammer untersuchen, denn Hannig hatte vor gut einem Jahr sein Anwaltsdasein aufgegeben. "Eine anderweitige Zulassung in der Bundesrepublik ist hier nicht bekannt." Insofern äußere sich Hannig "ohne anwaltliche Zulassung", teilt die Kammer auf Anfrage von Sächsische.de mit. Die Facebook-Seite des ehemaligen Anwalts betreibt die Hannig Consulting GmbH. Die hat zwar eine Erlaubnis Rechtsdienstleistungen zu erbringen, allerdings nur im Inkasso-Bereich. Nicht nur das Video sieht die sächsische Anwaltskammer deswegen kritisch, auch ein weiterer Post wirft Fragen auf.

Leipziger Schülergruppe auf Rückflug aus Israel

Nach tagelanger Unsicherheit hat eine Schülertheatergruppe aus Leipzig den Rückweg aus Israel angetreten. Wie die Stadt Leipzig am Dienstag mitteilte, konnten für die 15 Jugendlichen und ihre Betreuer zwei Flüge von Israel nach Larnaka in Zypern organisiert werden. Während der erste Flieger um 15.00 Uhr abhob, sollte das zweite Flugzeug um 19.10 Uhr folgen. Eine Person soll die Reise nach Zypern erst am Mittwoch antreten können. Derweil weht seit gestern als Zeichen der Solidarität vor dem Landtag und der sächsischen Staatskanzlei die Flagge Israels. Der Freistaat Sachsen stehe an der Seite Israels, teilte die Staatskanzlei mit. Die Ministerien könnten selbst darüber entscheiden, ob sie die israelische Flagge vor ihren Dienstgebäuden hissen. Der Angriff der islamistischen Hamas auf Israel wird auch in Sachsens Schulen Thema sein. Wie das Kultusministerium mitteilte, werden Lehrer ermutigt, den Nahost-Konflikt nach den Herbstferien im Unterricht aufzugreifen. Alle Entwicklungen in dem Konflikt gibt es in unserem Newsblog.

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