Freischalten Freischalten Sachsen
Merken

Zu Gast bei "Riverboat": Warum Kretschmer am liebsten Fenster putzt

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gewährt auf dem "Riverboat" ungewohnte Einblicke ins Private - und gibt ein riskantes Versprechen.

Von Annette Binninger
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Michael Kretschmer war am Freitag zu Gast in der Sendung "Riverboat".
Michael Kretschmer war am Freitag zu Gast in der Sendung "Riverboat". © Screenshot/SZ

Es ist nicht so einfach, als Politiker in leicht-unterhaltsame Talkshows zu gehen. Man weiß nie, welche private Frage, der sich dort schwer ausweichen lässt, in der nächsten Minute um die Ecke kommt. Aber in einem Wahljahr ist jede Einladung eben auch ein Geschenk für einen Wahlkämpfer.

Er sei ja durchaus mit einem gewissen „mulmigen Gefühl“ in die Sendung gegangen, gestand Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Freitagabend in der MDR-Talkshow „Riverboat“. Doch der 48-Jährige talkte sich charmant-plaudernd durch die Runde und sammelte kurz vor den Wahlen noch ein paar Sympathiepunkte. Und am Ende wissen die Sachsen nun, wer im Hause Kretschmer die Hosen anhat - zumindest beim Fensterputzen. Er sei dafür zuständig. „Und ich finde das ungeheuer bereichernd. Das ist so herrlich, weil man danach was sieht.“ Da applaudieren auch "Cindy aus Marzahn" (Ilka Bessin) und Winfried Glatzeder in der bunten Talk-Gästerunde.

Natürlich durfte auch in dieser Runde Kritik an der Ampel-Regierung in Berlin nicht fehlen. „In einer Demokratie kann man sich das Volk nicht aussuchen“, sagte Kretschmer. „Und es zu beschimpfen, dass man sich nicht erpressen lässt, ist mit Sicherheit der falsche Weg“, spielte Kretschmer auf die völlig verunglückte Rede von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor der Bauern-Demo an. „Ich bin auf der Seite der Bauern und auf der Handwerker-Seite.“ Langer Applaus für Kretschmer im „Riverboat“-Studio.

Er sei dankbar und es bewege ihn sehr, dass jetzt so viele Menschen auf die Straßen gingen gegen Rechts. „Dieses Land braucht mehr Menschen, die sich für Demokratie einsetzen.“ Die Berliner Regierung müsse nun aber auch die Themen, die Menschen besonders bewegten – wie etwa die Migrationsfrage – jetzt auch lösen. Dann könne auch der Nährboden für Populisten entzogen werden.

Die Familie sei ein Rückzugsort für ihn, eröffnete Kretschmer dann seltene Einblicke in sein Privatleben. Das Ferienhaus in der Nähe von Görlitz sei für ihn ein wichtiger Ort für Auszeiten mit der Familie. Als ihn damals Demonstranten davor bedrängt hätten und mit ihm reden wollten, habe er sich nicht bedroht gefühlt. Aber es sei ein Eingriff ins Private, seine beiden kleinen Kindern seien dabei gewesen. „Für die war es schwierig – und auch in dieser Situation, als Vater zu bestehen.“ Dass die Familie anschließend soviel Zuspruch und positive Resonanz aus der Nachbarschaft bekommen habe, hat ihn sichtlich beeindruckt. „Dass wir gemerkt haben: Wir sind dort gewollt, das war sehr schön.“

Er diskutiere mit seinen Kindern sehr gerne über Politik, auch wenn die Meinungen da durchaus auseinander gingen. Die beiden Ältesten studierten bereits, der eine beschäftige sich mit erneuerbaren Energien. „Da haben wir auch viel gestritten“, erzählt Kretschmer. Aber was ihm an den jungen Leuten gefalle, dass sie sehr reflektiert seien. „Was ich toll finde, ist, dass die so einen ruhigen Pragmatismus haben, die jungen Leute sind nicht ideologisch. Die wollen wissen, was ist vernünftig.“

Ob er noch genügend Zeit habe für sich und die Familie, fragt Lippert nach. Ja, durchaus. Aber er arbeite eben auch gerne, sagt Kretschmer. Und überhaupt: „Ich mag das nicht mit der Vier-Tage-Woche und der Work-Life-Balance.“ Arbeit gehöre zum Leben dazu, es bereichert das Leben. „Such‘ dir eine Arbeit, die dir Freude macht“, riet Kretschmer. Das Publikum schenkt ihm langen Applaus dafür.

Über den Bart müsse man noch mit ihm reden, merkte Moderatorin Kim Fisher zwischendurch kess an. Kretschmer kontert grinsend: „Die anderen Frauen fanden das schön.“ Das sei ja mittlerweile „öffentlich-rechtliches Mobbing“ in dieser Sendung, fügte er hinzu. Schon einmal hatte Kretschmer nach einer „Riverboat“ wochenlang Spott ertragen müssen. Da hatte Moderator Jörg Kachelmann gemeint, bei Kretschmer ein „staatstragendes Bäuchleich“ unter dem Sakko zu erkennen.

Jedes Mal vor einem Semperopernball müsse er erstmal seine tänzerischen Fähigkeiten neu einüben, gestand Kretschmer ein. Er zähle dabei die Schrittfolge noch immer mit. Auch dieses Selbstgeständnis half Kretschmer nicht: Am Ende nahm Moderator Wolfgang Lippert dem Überrumpelten das Versprechen ab, zum Semperopernball mit Kim Fisher auch eine Walzerrunde vor der Semperoper zu drehen. Noch eine Chance, Sympathiepunkte zu sammeln für den atemlosen Wahlkämpfer. Mit dem kleinen Risiko, öffentlich aus dem Takt zu kommen.