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Der Mann, der in Dresden den ersten Kiffer-Club gründen will

Cannabis-Konsum in einem Verein soll nach dem Willen der Regierung bald erlaubt sein. Die ersten Gründer stehen in den Startlöchern - auch der Dresdner Marcel Ritschel.

Von Erik Töpfer
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Marcel Ritschel (39) will den ersten Cannabis Social Club in Dresden gründen. Er begrüßt die Legalisierungspläne der Bundesregierung.
Marcel Ritschel (39) will den ersten Cannabis Social Club in Dresden gründen. Er begrüßt die Legalisierungspläne der Bundesregierung. © SZ/Veit Hengst

Mit seiner monotonen Stimme wirkte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fast ein wenig gelangweilt, als er den Satz sagte, auf den fast jeder zehnte Erwachsene gewartet haben dürfte: „Wir geben das Hanf frei.“ Zusammen mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte er am Mittwoch dieser Woche die abgespeckte Version der Cannabis-Freigabe, die sich vom Koalitionsvertrag der Ampelparteien deutlich unterscheidet.

„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, heißt es darin knapp. Doch nach geltendem EU-Recht können die Geschäfte so nicht eröffnet werden. Stattdessen versuchen es Lauterbach und Özdemir nun mit deutscher Tradition: dem Vereinswesen. Sogenannten „Cannabis-Social-Clubs“ soll es erlaubt werden, für deren Mitglieder „Gras“ anzubauen und zu vertreiben.

Gedeihen nun bald also Hanfplantagen in Schrebergärten? Dreht das Keglerheim bald mehr Joints als Kugeln? Wie sieht die neue Spießigkeit der Cannabis-Konsumenten aus? In Dresden gibt es einen Mann, der den ersten Social-Club in der Region gründen will.

„Es ist fast ein Vierteljahrhundert“, sagt Marcel Ritschel auf der Eckbank des „Sanaleo“, einem Fachgeschäft für nicht berauschende Hanfprodukte in der Dresdner Neustadt. Der 39-Jährige kifft seit fast 25 Jahren. Doch entgegen der landläufigen Meinung ist Ritschel alles andere als träge und faul: In Berlin aufgewachsen, ist er wegen seines Jobs bei Infineon nach Dresden gezogen. Heute arbeitet er für die Links-Fraktion im Rathaus, ist deren Stadtbezirksbeirat in der Neustadt, spricht für den Deutschen Hanfverband in Sachsen. Ritschel hat nicht mal Schulden. „Und seit 12 Jahren eine Freundin!“

Wer schützt die Gartenanlagen vor Einbrechern?

Holt er also die Kiffer von der Parkbank an den Stammtisch der Kleingartensparte? Wenn es nach ihm geht, schon. Ritschel stellt sich buchstäblich eine Parzelle in einer Laubenkolonie für seine anfangs 20 Mitglieder vor. „Nur weiß ich noch nicht, wie sicher das da ist, wenn man für 20 Leute Gras anbaut.“

Tatsächlich lassen Lauterbachs Pläne mehr Fragen als Antworten übrig. Die Klubs sollen maximal 500 volljährige Mitglieder zählen, die allenfalls 25 Gramm pro Tag und höchstens 50 Gramm im Monat unter sich verteilen dürfen. Für unter 21-Jährige gilt die 30-Gramm-Gras-Grenze im Monat. Außerdem wird der Besitz von 25 Gramm und der eigene Anbau von bis zu drei Pflanzen straffrei. Doch wer soll das kontrollieren und wie? Wie will der Staat die Grasgartenanlagen vor Diebstahl und Einbrüchen schützen? Wie passt der möglich gemachte Dauerkonsum zum Beispiel zum Autofahren?

„Das Konzept der Social Clubs gibt’s eigentlich schon ewig“, erklärt Ritschel. Seit 2014 machen der Hanfverband und er sich für diese Art der Entkriminalisierung, eine „Legalisierung light“ stark.

Dabei orientiert sich Ritschel gern an Portugal: „Dort bekommst du dein Gras abgenommen, wenn du erwischt wirst, aber dir passiert nichts.“ Tatsächlich müsste sich ein Portugiese, der mit einer kleinen Menge Drogen für den Eigenbedarf erwischt wird, von Juristen und Suchtärzten begutachten lassen, bekommt schlimmstenfalls eine Suchttherapie verordnet.

"Natürlich ist Cannabis keine ungefährliche Pflanze"

Die Altersgrenzen 18 und 21 findet Ritschel gut. „Natürlich ist Cannabis keine ungefährliche Pflanze“, sagt er. Gehirnzellen würden angegriffen, viele würden davon tatsächlich faul und träge werden. „Wir hören oft, dass die Wartelisten für die Suchttherapie inzwischen ellenlang geworden sind.“ Ob er an sich Veränderungen bemerkt hat? „Das mögen andere besser beurteilen können“, sagt Ritschel, der nach eigener Aussage jeden zweiten Tag kifft.

Beim Drogendealer auf der Straße kostet ein Gramm Gras ungefähr zehn Euro. In den Klubs dürfte das anfangs teurer werden. Da die Vereine gemeinnützig, also „plus minus Null“ wirtschaften sollen, müssen deren Mitglieder die hohen Produktionskosten tragen. Die Cannabispflanze, ursprünglich aus der Karibik oder etwa Südostasien, liebt ihr heimisches Tropenklima. „Da kann man allein für die LED-Lampen zwischen 100 und 1.000 Euro legen“, sagt Ritschel. Sogenannte „Grow Boxen“, also isolierte kleine Gewächshäuser mit Lüftung, Licht und allem Drum und Dran, kosten rund 800 Euro.

Je nach Züchtung und Pflege wirft so eine Pflanze 50 bis 100 Gramm ab. Das heißt, dass sich rund vier Personen eine Pflanze im Monat teilen müssten. Woher die Samen dafür kommen, bleibt völlig unklar.

Ende April wollen Lauterbach und Özdemir noch mal vor die Kamera treten, dieses Mal mit dem Gesetzesentwurf unterm Arm. Darin erhofft sich Ritschel antworten auf „diesen Riesen-Wust an Fragen.“ Und trotzdem freut er sich über die Eckpunkte. Denn „endlich, es geht los.“