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Produktionsschule in Wehlen: geschätzt und gefährdet

Zum Jahreswechsel konnte die "Stellwerkstatt" in Stadt Wehlen nur knapp gerettet werden. Eine dauerhafte Finanzierung gibt es noch nicht.

Von Dirk Schulze
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Politikervisite in der "Stellwerkstatt": Landrat Michael Geisler (li.) und Landtagspräsident Matthias Rößler (2. v. re.) mit Bereichsleiterin Ariane Flick (re.) und Schüler Gailnich.
Politikervisite in der "Stellwerkstatt": Landrat Michael Geisler (li.) und Landtagspräsident Matthias Rößler (2. v. re.) mit Bereichsleiterin Ariane Flick (re.) und Schüler Gailnich. © Norbert Millauer

Für die Produktionsschule "Stellwerkstatt" in Stadt Wehlen läuft schon wieder die Zeit. Die Finanzierung der speziellen Bildungsstätte, an der benachteiligte Jugendliche ohne Schulabschluss ihren Haupt- oder Realschulabschluss nachholen können, ist aktuell bis zum 31. Dezember 2024 gesichert. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht klar.

Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem, das inzwischen auch die Politik beschäftigt. Am Montag waren Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler und Landrat Michael Geisler (beide CDU) vor Ort, ließen sich durch die Räumlichkeiten im Gebäude des Wehlener Bahnhofs führen und das spezielle Konzept der Produktionsschule und die Schwierigkeiten erläutern.

Eine Situation wie zum letzten Jahreswechsel gelte es künftig zu vermeiden, erklärte Landrat Geisler. Kurz vor Weihnachten hatte die von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) betriebene Produktionsschule erfahren, dass sie ab Januar keine Fördermittel mehr erhalten soll. Die seit 2008 bestehende Einrichtung stand damit von einem Tag auf den anderen vor dem Aus.

Nach Presseberichten, einem offenen Brief der Schüler und einigem Hin-und-Her folgte Mitte Januar die erlösende Nachricht für Schüler, Lehrkräfte und Betreuer: Es gibt doch Fördergelder für die "Stellwerkstatt". Im Hintergrund hatte sich wohl auch Landtagspräsident Rößler für den Erhalt der Schule eingesetzt.

Produktionsschulen nicht staatlich anerkannt

Die Produktionsschulen werden zu 90 Prozent über Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Alle zwei Jahre müssen sich die Träger in einer öffentlichen Ausschreibung neu um die Fördermittel bewerben. Über die Vergabe entscheidet die Sächsische Aufbaubank (SAB). Ende 2022 war die Entscheidung zunächst zuungunsten der "Stellwerkstatt" ausgefallen. Auf öffentlichen Druck und Intervention des Sozialministeriums und des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wurde dies dann korrigiert.

Bei der SAB werde eben nicht nach pädagogischen Gesichtspunkten entschieden, sondern nach einem festgelegten Kriterienkatalog wie bei jedem anderen Förderprojekt auch, erklärte Rößler. Generell seien die ESF-Mittel aber schon der passende Fördertopf, wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt gehe. Allerdings, und auch das sagte Rößler, bräuchten Einrichtungen wie die "Stellwerkstatt" Planungssicherheit und Kontinuität. Das widerspricht einer zeitlich befristeten Projektförderung.

Das Grundproblem besteht darin, dass Produktionsschulen nicht als Ersatzschulen staatlich anerkannt sind. Dann könnten sie eine sogenannte institutionelle Förderung erhalten, die langfristig angelegt ist. Die Awo und andere Träger von Produktionsschulen streben eine solche Anerkennung an. Dafür müsste allerdings das sächsische Schulgesetz geändert werden, was kurzfristig nicht in Sicht ist. Rößler kennt das Problem noch aus seiner Zeit als Kultusminister - was aber auch schon mehr als 20 Jahre zurückliegt.

Landkreis SOE will Produktionsschule halten

Mindestens für die kommende Förderperiode 2025/26 wird es also beim aktuellen Finanzierungsmodell bleiben. Der Unterstützung des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge kann sich die "Stellwerkstatt" sicher sein. "Wir haben großes Interesse daran. Wir möchten diese Vielfalt im Landkreis haben", sagte Landrat Michael Geisler beim Besuch in Wehlen. Der Landkreis steuert aktuell zehn Prozent zur Finanzierung bei, eine Komplettübernahme der Kosten wäre aber kaum möglich.

Geisler sprach sich dafür aus, dieses Mal frühzeitig das Gespräch mit der SAB zu suchen, und die Entscheider möglichst einmal in die "Stellwerkstatt" nach Wehlen einzuladen, damit sie das Projekt kennenlernen. Möglichst im ersten Halbjahr 2024 soll der Jugendhilfeausschuss des Landkreises über die weitere Unterstützung des Projekts beschließen. Diese Co-Finanzierung ist die Voraussetzung für die ESF-Förderung.

Als mögliche Alternative für die Zukunft müsse man auch andere Wege prüfen, sagte der Landrat, beispielsweise eine Finanzierung über die Wirtschaftsförderung. Die "Stellwerkstatt" vermittelt ihre Schützlinge nach erfolgreichem Schulabschluss weiter in eine Ausbildung. Handwerker wie Tischler und Maler würden überall gesucht, sagte Geisler. Spätestens ab 2027 könnte sich das Finanzierungsproblem nochmals verschärfen. Dann sollen laut aktuellem Wissensstand der "Stellwerkstatt" die ESF-Mittel für die Produktionsschulen generell wegfallen.