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Fördermittel weg: Wehlener Schüler schreiben offenen Brief an die SAB

Kurz vor Weihnachten erhielten die Schüler der Produktionsschule in Wehlen die Nachricht, dass ihre Schule schließen soll. Jetzt schildern sie, was das bedeutet.

Von Dirk Schulze
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Aktive und ehemalige Schüler der "Stellwerkstatt" mit Unterstützern und Mitarbeitern in Wehlen. Sie kämpfen für den Erhalt ihrer Schule.
Aktive und ehemalige Schüler der "Stellwerkstatt" mit Unterstützern und Mitarbeitern in Wehlen. Sie kämpfen für den Erhalt ihrer Schule. © Daniel Schäfer

Marie ist 24 Jahre alt, Emely 21. Die beiden jungen Frauen sind Schülerinnen der Produktionsschule "Stellwerkstatt" in Stadt Wehlen. Wenige Tage vor Weihnachten erhielten sie und ihre Mitschüler die Nachricht, dass es im neuen Jahr nicht mehr weitergehen soll.

Die Sächsische Aufbaubank (SAB) hatte für Schüler, Lehrer und Schulträger gleichermaßen überraschend angekündigt, die Förderung nicht zu verlängern. Zusammen mit ihrem Mitschüler Dennis, 19 Jahre, haben Marie und Emely jetzt einen offenen Brief an die SAB verfasst, in dem sie schildern, was diese Entscheidung für sie bedeutet.

Chance für alleinerziehende junge Mütter

Die beiden jungen Frauen hatte keinen einfachen Start ins Erwachsenenleben. Sie sind Mütter von zwei Söhnen im Alter von 4 und 5 Jahren und beide alleinerziehend. An der "Stellwerkstatt" in Wehlen wollten sie ihren Schulabschluss nachholen. Die Produktionsschule mit einer Mischung aus praktischer Arbeit und Unterricht ist einer von wenigen Orten, wo dies für sie möglich ist, schreiben Marie und Emely. Eine Abendschule falle für sie weg, da sie alleinerziehend sind und sich um ihre Kinder kümmern müssen.


Zum ersten Mal habe sie sich in der Schule aufgefangen und mit ihren Problemen und Ängsten ernst genommen gefühlt, schreibt Emely, die unter mehreren psychischen Erkrankungen leidet. Viele Schülerinnen und Schüler teilten ähnliche Schicksale. Die Mitarbeiter der Schule, darunter eine Sozialpädagogin und Traumatherapeutin, hätten die Möglichkeit und Zeit, auf die Jugendlichen einzugehen, was in normalen Schulen gar nicht funktionieren würde.

"Dies ist für Menschen wie mich, die schlimme Erfahrungen gemacht haben, eine große Stütze", erklärt Emely. Die 21-Jährige möchte Erzieherin werden. Dieser Traum sei ihr jetzt genommen worden.

Realschulabschluss im Frühjahr geplant

Die 24-jährige Marie ist seit Mai 2021 an der "Stellwerkstatt" und wollte im kommenden Frühjahr eigentlich ihren Realschulabschluss ablegen. Die von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betriebene Produktionsschule in Stadt Wehlen ist eine von wenigen, die auch auf diesen Abschluss vorbereitet. Bei den meisten Produktionsschulen geht es um den Hauptschulabschluss.

"Alles, auf was ich jahrelang hingearbeitet habe, wird in Sekunden zerstört, wegen Geldern, die hier mehr als sinnvoll investiert werden, was uns Jugendlichen und Heranwachsenden endlich eine Perspektive gibt", schreibt Marie. Sie hat mit 18 Jahren ein Elternteil verloren, in Schulleiterin Daniela Ulbricht habe sie eine Bezugsperson gewonnen, die ihr auch bei Behördendingen hilft.

AWO hat Widerspruch eingelegt

Der 19-jährige Dennis zeigt sich sprachlos. "Was sollen wir jetzt machen?" Viele Schüler hätte an der Produktionsschule neue Motivation erlangt. Das werde nun kaputtgemacht. "Solche Entscheidungen führen einfach dazu, dass die Schüler nur noch motivationsloser werden und es wahrscheinlich noch länger dauert, eine Perspektive aufzubauen", schreibt er.

Der Schulträger AWO hat inzwischen bei der SAB Widerspruch eingelegt gegen die angekündigte Streichung der Fördermittel. Diese kamen 14 Jahre lang aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und machen mit 90 Prozent fast das komplette Budget aus. Die "Stellwerkstatt" wurde vergangene Woche zunächst regulär geöffnet - auch wenn laut aktuellem Stand seit Jahresbeginn 2023 kein Geld mehr fließt. "Wir werden die 25 Jugendlichen nicht einfach vor die Tür setzen", heißt es von der AWO. Man hoffe auf eine Neubewertung der Entscheidung.