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Was aus dem Bericht der Waldbrand-Kommission folgt

Innenminister und Umweltminister haben in Pirna die Maßnahmen nach dem Waldbrand in der Sächsischen Schweiz vorgestellt. Einige Fragen blieben offen.

Von Dirk Schulze
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Hermann Schröder (v.r.) mit Umweltminister Wolfram Günther, Innenminister Armin Schuster und Landrat Michael Geisler in Pirna.
Hermann Schröder (v.r.) mit Umweltminister Wolfram Günther, Innenminister Armin Schuster und Landrat Michael Geisler in Pirna. © Egbert Kamprath

Es sei schwer vor diesem Publikum zu sprechen, sagte Hermann Schröder, der Leiter der Expertenkommission "Waldbrände Sommer 2022" am Mittwochabend in Pirna. Vor ihm im voll besetzen Kreistagssaal des Landratsamts saßen dutzende Feuerwehrchefs, Bürgermeister und Ortsvorsteher und weitere Funktionsträger aus der Sächsischen Schweiz. Sie alle waren sehr viel näher dran an dem Waldbrand im Nationalpark, der wochenlang das Land in Atem hielt, die meisten an vorderster Front.

Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte Schröder zuvor als "Mister Katastrophenschutz in Deutschland" vorgestellt. Der langjährige Landesbranddirektor von Bad Württemberg leitete die Expertenkommission, die die Waldbrände des vergangenen Sommers in Sachsen ausgewertet hat. Jetzt sollten die Ergebnisse und Schlussfolgerungen nochmals vor Ort diskutiert werden, gemeinsam mit Innenminister und Umweltminister Wolfram Günther (Grüne).

Die wesentlichen Befunde der Untersuchung: Problematisch waren die lange, regenarme Hitzeperiode, der starke Wind und die topografisch bedingte schwere Zugänglichkeit des Brandgebiets. Das viel diskutierte Totholz jedoch habe nicht zu einer schnelleren Ausbreitung des Feuers beigetragen. Dies hatte bereits eine Studie des Tharandter Forstprofessor Michael Müller ergeben. Kritisch ist eher die Ausbreitung über Flugfeuer.

Totholz erhöht Unfallgefahr für Feuerwehrleute

Gleichwohl setzt kleinteiliges Totholz wie brennendes Reisig eine höhere Energie frei. Hier müsse man aufpassen, dass das Feuer nicht vom Boden auf die Baumwipfel überspringt, erklärte Kommissionsleiter Schröder. In fraglichen Bereichen sollten die unteren Äste an Bäumen entfernt werden.

Zudem erhöht das Totholz die Unfallgefahr für die Einsatzkräfte. Stehendes Totholz kann umbrechen, liegendes Totholz behindert die Feuerwehrleute vor allem, wenn sie sich schnell vor einer Feuerfront zurückziehen müssen.

Was folgt daraus für die Sächsische Schweiz? "Entscheidend ist der vorbeugende Brandschutz", sagte Kommissionsleiter Hermann Schröder. "Dort wo Menschen sind, muss etwas passieren." Die große Herausforderung in der Nationalparkregion ist dabei, Brandschutz und Naturschutz miteinander zu vereinen. Das war das erklärte Ziel der Expertenkommission.

Empfehlungen für die Nationalparkregion

Diese Maßnahmen werden für die Nationalparkregion empfohlen:

  • Walbrandschutzkonzept fortschreiben
  • Brandschutzstreifen entlang von Rettungswegen anlegen
  • Wegenetz mit Wende- und Ausweichstellen für Feuerwehrfahrzeuge festlegen
  • Löschwasserkonzept mit Zisternen, Förderstrecken und mobilen Behältern
  • Nationalparkzonierung kleinräumig um Bebauung herum anpassen
  • Mehr Ranger zur Kontrolle des Nationalparks

Eine erste Löschwasserzisterne ist gebaut, für weitere sechs läuft die Planung. Die Zahl der Ranger wurde bereits aufgestockt. Wer sich von der Präsentation konkrete Aussagen erhofft hatte, an welchen Orten des Nationalparks sich etwas an dessen Zonierung ändern könnte - also daran, in welchen Bereichen in den Wald eingegriffen wird und in welchen nicht -, der wurde enttäuscht.

Rings um die Infrastruktur müsse das Reisig beräumt werden, sagte Umweltminister Wolfram Günther. Bei der Zonierung gebe es auch keine Denkverbote. Die rechtlichen Vorgaben - es gibt auch innerhalb des Nationalparks spezielle europäische Schutzgebiete - müssten aber eingehalten werden. Darüber wacht die Landesdirektion.

Kritik aus Hohnstein: "Eiertanz" ums Totholz

Hohnsteins Bürgermeister Daniel Brade (SPD), der den Nationalpark am liebsten durch einen Naturpark ersetzen würde, bezeichnete die Aussagen zum Totholz als "Eiertanz". Brade kritisierte, dass im Bericht der Kommission keine konkreten Meter-Abstände zur Wohnbebauung festgeschrieben wurden, so wie das etwa bei Munitionsgebieten der Fall sei. Besonders die Vordere Sächsische Schweiz um Lohmen, Hohnstein und Rathen sei viel zu eng besiedelt für einen Nationalpark. Zudem fehle es an einer Zusammenarbeit mit Tschechien, kritisierte er.

Kommissionsleiter Schröder wies dies zurück. Eine pauschale Festlegung von Abständen sei wegen des schwierigen Geländes mit Steigungen und Felsen im Gegensatz zu den meist flachen Truppenübungsplätzen in Nordsachsen kaum möglich. Er sei froh, dass ein Konsens gefunden wurde.

Innenminister Schuster verwies darauf, dass die Zusammenarbeit mit Tschechien laufe. Erst vergangene Woche habe es ein Treffen gegeben, das nächste sei bereits geplant. Auch Landrat Michael Geisler (CDU) hatte erklärt, dass die Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens des tschechischen Nachbarlandkreises so groß sei wie nie.

Kommunen fehlt das Geld

Für die Feuerwehren ergriff unter anderem Michael Ebert, Stadtwehrleiter in Dippoldiswalde, das Wort. Die Kommunen seien finanziell am Ende. Er müsste eigentlich Bekleidung für eine halbe Million Euro beschaffen, aber das Geld sei knapp. "Wir sehen den Willen, aber bei uns hier unten kommt einfach nichts an", sagte Ebert.

Innenminister Armin Schuster, der zuvor das beschlossene 30-Millionen-Euro Sonderprogramm mit unter anderem 15 zusätzlichen Löschfahrzeugen vorgestellt hatte, erklärte, dabei handele es sich um ein strukturelles Problem in der Finanzierung der Kommunen. Die Pro-Kopf-Ausgaben für den Brandschutz in Sachsen seien in den vergangenen Jahren die höchsten bundesweit gewesen.