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"Würschnitz-West": Für die Grünen geht es hier um mehr als nur Kies

Nach "Heibo" kommt "Würschnitz-West": Es geht um 134 Hektar Wald, viel Kies und für die Grünen auch ums Profil. Grünen-Abgeordneter Volkmar Zschocke im Interview.

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Dass der Kiesabbau in der Laußnitzer Heide für die Umwelt folgenlos bleibt, daran haben die Grünen Zweifel.
Dass der Kiesabbau in der Laußnitzer Heide für die Umwelt folgenlos bleibt, daran haben die Grünen Zweifel. © Kristin Richter

Dresden. Die Räumung des Protestcamps "Heibo" und die anschließende Rodung der 7,5 Hektar großen Waldfläche westlich von Dresden hat im Februar für Aufmerksamkeit gesorgt. Rasch rückten jedoch die noch viel größeren Pläne zum Kiesabbau in der Region in den Fokus. Auf einem Gelände mit dem Namen "Würschnitz-West" geht es um 134 Hektar. Für die Grünen, in Sachsen an der Regierung beteiligt, geht es bei dem Vorhaben dieser Dimension um viel, auch um die eigene Glaubwürdigkeit.

Im Podcast "Thema in Sachsen" spricht Grünen-Landtagsabgeordneter Volkmar Zschocke über das Abwägen zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Naturschutz, die Tücken des Bergrechts und wo seine Partei bei der Frage "Kies oder Wald?" steht. Das Gespräch in Auszügen.

Herr Zschocke, in den Tagen der "Heibo"-Räumung fiel es ihrer Partei schwer sich zu positionieren. Stecken die Grünen beim Thema Kiesabbau in der Laußnitzer Heide in einer Zwickmühle zwischen Regierungsverantwortung und den eigenen Zielen?

Nein, da sehe ich keinen Widerspruch. Sachsen ist reich an Rohstoffen. Es hat also auch Sinn, diese hier zu fördern, anstatt sie über weite Entfernungen nach Sachsen zu transportieren. Aber es muss im Einklang mit Natur und Umwelt geschehen. Und deswegen stehen die Grünen Abbauvorhaben, die in so ökologisch sensiblen Gebieten stattfinden, wie das im Heidebogen jetzt der Fall ist, natürlich mit einer großen Skepsis gegenüber.

Ihr Parteikollege, Umweltminister Wolfram Günther, lehnte zum Zeitpunkt der "Heibo"-Räumung Presseanfragen ab. Wieso hatten er oder die Partei ihre Position und Bedenken nicht noch einmal öffentlich kommuniziert?

Die Position der Partei ist seit 2012 durch verschiedene Beschlüsse und Veröffentlichungen bekannt. Was die Zurückhaltung des Ministeriums vielleicht aber etwas erklären könnte, ist, dass man es mit einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren zu tun hatte, welches einen klaren Rechtsrahmen vorgibt. Den musste der Umweltminister natürlich genauso respektieren wie der bündnisgrüne Landesverband. Unabhängig von der Frage, ob wir mit allen Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden, einverstanden waren. Aber wenn rechtsgültige Genehmigungen vorliegen, dann kann dort natürlich auch Bergbau erfolgen. So ist das in einem Rechtsstaat.

Nun konnte beim "Heibo" auch an nichts mehr gerüttelt werden. Bei dem bedeutend größeren Areal "Würschnitz-West" sieht das anders aus. Hier läuft das Planfeststellungsverfahren noch.

Richtig, bei "Würschnitz-West" ist noch völlig offen, ob Kiesabbau im Einklang mit Natur und Umwelt erfolgen kann. Da sind möglicherweise auch hydrogeologische Gutachten anzufertigen, die klar belegen müssen, dass das Abtragen des Kiesrückens in diesen Größenordnungen keinen Einfluss auf den Wasserhaushalt hat. Insbesondere diese Frage kann momentan niemand beantworten. Das muss aber sehr verantwortungsbewusst und nach meiner Überzeugung auch möglichst unabhängig überprüft werden.

Möglichst unabhängig? Ist das nicht selbstverständlich?

Im Rahmen bergrechtlicher Planfeststellungsverfahren ist es üblich, dass Gutachten sehr häufig von den Bergbauunternehmen selbst angefordert werden. Wir, die Grünen, sind der Überzeugung, dass es hier auch einen unabhängigen Blick braucht. Unabhängige Gutachten sollten klären, wie erheblich mögliche Umweltfolgen sind, und ob sie überhaupt ausgeglichen werden können. Das ist übrigens auch ein Punkt, der uns bei einer möglichen Reform des Bergrechts wichtig ist. Ich bin froh, dass diese Reform, auf die Sachsen seit Jahren drängt, nun auch Anklang im Koalitionsvertrag der Ampelregierung im Bund gefunden hat.

Und wie positionieren sich die Grünen zum Großprojekt "Würschnitz-West"?

Also vor allem geht es darum, dass in dem anstehenden rechtlichen Planfeststellungsverfahren sehr genau untersucht wird, welche Auswirkungen der Abbau in diesem ökologisch sensiblen Gebiet hat. Das betrifft besonders den Wasserhaushalt. Zudem gibt es hochsensible Moore in dem Areal und es finden sich wirklich sehr wertvolle Arten von Vögeln, aber auch zum Beispiel von der Kreuzotter, was eine überregionale Bedeutung hat. Und deshalb noch mal grundsätzlich: Alle Eingriffe, die dort geschehen, müssen dem standhalten, dass Auswirkungen auf den Naturhaushalt und in den Artenschutz dort weitgehend vermieden werden. Und das muss sichergestellt werden.

Die Grafik zeigt, wo das Protestcamp "Heibo" war und welche Flächen in der Laußnitzer Heide für den Kiesabbau vorgesehen sind.
Die Grafik zeigt, wo das Protestcamp "Heibo" war und welche Flächen in der Laußnitzer Heide für den Kiesabbau vorgesehen sind. © SZ Grafik/Grunwald

Glauben Sie, dass das möglich ist?

Es kommt nicht auf meine Meinung an. Sondern es kommt darauf an, dass rechtssicher geprüft und festgestellt wird, ob dort Kiesabbau möglich ist oder nicht. Aber natürlich habe ich Zweifel. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass das Abtragen von Kies bis auf einen Meter über dem Grundwasser keinen Einfluss auf den Wasserhaushalt oder die Moorlandschaft haben wird. Selbst wenn man zum Beispiel beim Auffüllen des abgetragenen Kieses auf bergbaufremdes Material verzichten würde, ist es momentan nicht klar, ob es gelingt, den Wasserhaushalt trotzdem dort stabil zu halten. Bei allem, was ich mir bisher angeschaut habe in dem Kontext des Wasserhaushalts, glaube ich, es wird für das Unternehmen sehr, sehr schwer sein, nachzuweisen, dass es keine Auswirkungen hat.

Nun wurde auf dem Areal, wo das "Heibo"-Camp war, eine umfangreiche Renaturierung zur Bedingung gemacht. Es wird mit einem Mischwald wieder aufgeforstet, der widerstandsfähiger gegenüber dem sich verändernden Klima ist als der vorher vorherrschende Nadelbaumbestand. Bei "Würschnitz-West" soll das sicher ähnlich laufen. Könnte der Eingriff so gesehen also auch etwas Gutes bewirken?

Ich glaube, es muss immer eine Zielstellung sein, dass dort, wo wieder aufgeforstet wird, dass das entsprechend den aktuellen Anforderungen, die wir ja im Klimawandel haben, geschieht. Es macht ja keinen Sinn, einen Wald wieder aufzuforsten, der quasi keinen Bestand hat im Klimawandel. Also es ist aus meiner Sicht selbstverständlich. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt honorieren soll als einen besonders großen Fortschritt. Aus meiner Sicht ist es im Jahre 2023 selbstverständlich.

Volkmar Zschocke sitzt seit 2014 für die Grünen im sächsischen Landtag, bis 2018 als Fraktionsvorsitzender. Er ist zuständig für die Bereiche Umwelt, Natur und Landwirtschaft.
Volkmar Zschocke sitzt seit 2014 für die Grünen im sächsischen Landtag, bis 2018 als Fraktionsvorsitzender. Er ist zuständig für die Bereiche Umwelt, Natur und Landwirtschaft. © Fabian Deicke

Ihnen wäre also lieber, es würde gar nicht abgeholzt.

Und genau das ist der Punkt: Was bedeutet Abbau in ökologisch sensiblen Gebieten? Wir haben in Sachsen ein hohes Vorkommen an Kiesen und Sanden, die auch vor Ort gefördert werden können. Das will auch gar niemand bei den Grünen in Abrede stellen, dass es notwendig ist, auch in Zukunft bei Bauvorhaben auf solche Rohstoffe zurückzugreifen. Die Frage ist nur: Wo geschieht das und mit welchen Folgen für die betreffenden Gebiete? Und am Ende muss entschieden werden, wenn alles geprüft wurde, ob es nicht klüger ist, Rohstoffe auch an anderen Stellen zu fördern, die nicht so eine hohe ökologische Sensibilität haben.

Wenn das Planfeststellungsverfahren in "Würschnitz-West" trotz aller Bedenken, die Sie, die Grünen aber auch teilweise Bewohner der Region haben, zu dem Ergebnis kommt, dass die 134 Hektar Wald dem Kies weichen müssen. Glauben Sie, es wird wieder so etwas wie das "Heibo"-Camp geben?

Die Protestierenden im "Heibo" waren überwiegend junge Menschen. Dass junge Menschen zunehmend aufbegehren und protestieren, wenn sie sehen, dass Entscheidungen getroffen werden, die ihre und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährden, finde ich, ist das ihr gutes Recht. Genauso sollte sich auch meine Generation immer an die eigene Nase fassen und sich fragen, warum junge Menschen so aufbegehren, so verzweifelt sind und auch zu solchen Protestformen greifen, bei denen sie sich selbst in Gefahr bringen. Aber entscheidend ist aus meiner Sicht, dass sich auch ein Protest immer mit einer hohen Akzeptanz für den rechtsstaatlichen Rahmen vollzieht. Es macht keinen Sinn, außerhalb der Verfahren und Legitimationsgrundlage in einem demokratischen Rechtsstaat Dinge durchdrücken zu wollen. Das funktioniert nicht. Und das ist auch mit einem Vertreter, der hier für Bündnis 90 - auch aus der Wendezeit - steht, nicht zu machen.

Das Interview führte Fabian Deicke