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Hui oder pfui? So funktionieren die neuen Waldtoiletten in der Sächsischen Schweiz

Zwei besondere stille Örtchen für Wanderer gibt es bereits im Elbsandsteingebiet, drei weitere folgen. Reporterin Katarina Gust hat sich getraut - und Probe gesessen.

Von Katarina Gust
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Hereinspaziert: Am Wanderparkplatz Galgenschänke am Papststein bei Gohrisch finden Wanderer eine Waldtoilette. Reporterin Katarina Gust hat sie getestet.
Hereinspaziert: Am Wanderparkplatz Galgenschänke am Papststein bei Gohrisch finden Wanderer eine Waldtoilette. Reporterin Katarina Gust hat sie getestet. © Mike Jäger

Es gibt Dinge, die kann man aushalten: Hunger und Durst zum Beispiel. Wer aber zu viel getrunken hat, der bekommt es mit einem Umstand zu tun, der extrem unangenehm werden kann. Gemeint ist das drückende Gefühl einer vollen Blase.

Rein statistisch betrachtet geht jeder Erwachsene etwa vier bis sieben Mal pro Tag auf die Toilette, wenn er zwei Liter Wasser trinkt. Denn: Was oben reingeht, muss auch unten wieder raus. Wie viel genau? Dafür gibt es eine aussagekräftige Statistik. Durchschnittlich 1,5 Liter Urin scheidet ein Erwachsener pro Tag aus. Hinzu kommen etwa 140 Gramm Kot. Nüchterne Fakten, mit denen sich vermutlich die wenigsten Menschen schon auseinandergesetzt haben. Oder besser gesagt auseinandersetzen mussten. Denn im Alltag ist eine Toilette oft nicht weit.

Wenn nicht, dann kann das menschliche Bedürfnis zum Problem werden. Zum Beispiel beim Wandern. Denn dem Körper ist es egal, ob man gerade im Büro sitzt oder auf den Lilienstein steigt: Was muss, das muss. Doch was tun, wenn kein Klo in der Nähe und "Aushalten" keine Option ist? Dann muss nicht selten ein Busch herhalten für das, was eigentlich in die Abwasserleitung gehört.

Besucherstarke Parkplätze bekommen Waldtoiletten

Was bleibt, sind unschöne Hinterlassenschaften. Und auf die will weder der nächste Wanderer treffen, noch der Sachsenforst in der Sächsischen Schweiz. Um das Problem bei der Wurzel zu packen, startete die Nationalpark- und Forstverwaltung Sächsische Schweiz Ende 2022 ein Pilotprojekt in Form von Waldtoiletten. Zwei davon wurden im linkselbischen Teil der Sächsischen Schweiz aufgestellt: am Waldparkplatz an der Ottomühle in Rosenthal-Bielatal, sowie am Wanderparkplatz Galgenschänke am Papststein auf Gohrischer Flur.

©  SZ-Grafik: Gernot Grunwald

Die Resonanz darauf ist so positiv, dass dieses Jahr drei weitere Standorte folgen. Erneut auf besucherstarken Parkplätzen, die von der Nationalpark- und Forstverwaltung betreut werden. Dieses Mal direkt im Nationalpark: An den beiden Parkplätzen Neumannmühle und Nasser Grund im Kirnitzschtal und am Wanderparkplatz Lilienstein bei Waltersdorf. Die Bauarbeiten im Kirnitzschtal laufen bereits. Bis Ende Juni soll der Rohbau dieser zwei Waldtoiletten fertig sein. Danach geht die Buddelei am Fuße des Liliensteins los, heißt es.

Der erste Eindruck: alles ziemlich sauber

Mit normalen WCs haben die Waldtoiletten jedoch nur auf den ersten Blick etwas gemein. Der Grund: Sie funktionieren ohne einen Tropfen Wasser. Ein modernes Plumpsklo also - könnte man sagen. Ein Begriff, der jedoch oft unschöne Erinnerungen weckt: vor allem wegen des beißenden Gestanks, der gern von alten Trockenklos ausgeht.

Ist das auch bei den Waldtoiletten in der Sächsischen Schweiz zu befürchten? Eine berechtigte Frage und Anlass für einen Selbsttest. Also auf zum Wanderparkplatz Galgenschänke am Fuße des Papststeins. Dienstagvormittag, die Sonne scheint. Bestes Wanderwetter. Eine Handvoll Autos parkt an der Straße zwischen Gohrisch und Papstdorf. Darunter ein Kleintransporter, umgebaut zum Camper. Die dreiköpfige Familie, die aus dem Wagen klettert, rüstet sich gerade zum Wandern. Sie alle waren nochmal "verschwinden". Nicht hinter irgendeinem Busch, sondern auf der aus Lärchenholz gebauten Waldtoilette direkt neben ihrem Camper. "Alles top. Super Idee, diese Toilette hier", sagt der Familienvater, bevor er mit Frau und Kind los stapft.

Wo aufs Klo? Am Fuße des Papststeins (im Foto) und an der Ottomühle stehen die ersten beiden Waldtoiletten der Sächsischen Schweiz.
Wo aufs Klo? Am Fuße des Papststeins (im Foto) und an der Ottomühle stehen die ersten beiden Waldtoiletten der Sächsischen Schweiz. © Mike Jäger

Jetzt bin ich an der Reihe. Tür auf. Der erste Eindruck: ziemlich sauber. Auf dem grauen Boden liegt kein Toilettenpapier - wie man es manchmal auf Rastplätzen vorfindet. Die Rolle hängt ordentlich am Halter. Das gekippte Fenster sorgt für frische Luft. Elektrisches Licht gibt es nicht, dafür neben dem Milchglasfenster ein Oberlicht.

Tür zu, abschließen. Wäre ich ein Mann, könnte ich mich jetzt am an der Wand hängenden Urinal erleichtern. Auch das sieht ganz ordentlich aus. Mein Blick fällt auf die Toilette daneben. Ein handelsübliches Modell aus Keramik, mit weißer Brille und Deckel. Okay, jetzt wird's also ernst.

Verzicht auf Wasserspülung hat Nebenwirkung

Deckel auf. Die Brille ist blitzeblank. Doch weiter unten, da wird es etwas unansehnlich, ja unappetitlich. Braune Spritzer übersähen die weiße Schüssel. Fäkalreste, die nicht direkt in die darunter liegende Grube gefallen sind - und die keine starke Wasserspülung von der Keramik putzt. Denn letztere fehlt. Ganz bewusst. Ohne klassische Spülung sammelt sich im Behälter unter der Waldtoilette eine deutlich kleinere Menge an "Hinterlassenschaften" an. Im Vergleich zu einem klassischen WC könnten dadurch etwa 95 Prozent der Menge eingespart werden, heißt es von der zuständigen Baufirma Holzapfel und Konsorten mit Sitz in Weimar, die die Trockentrenntoiletten in der Sächsischen Schweiz liefert.

Stilles Örtchen mit besonderer Herausforderung. Die Waldtoilette kommt ohne Wasser aus.
Stilles Örtchen mit besonderer Herausforderung. Die Waldtoilette kommt ohne Wasser aus. © Mike Jäger

Für die Nationalpark- und Forstverwaltung Sächsische Schweiz ein klarer Vorteil. Ohne Spülung muss der Behälter nur etwa zweimal pro Jahr entleert werden - nach etwa 8.000 Benutzungen. Mit Wasser wäre es ein Vielfaches.

Mit dem Wissen im Hinterkopf, wundert es ziemlich, dass die Wandertoilette gar nicht müffelt. Nicht mal ein bisschen. Das mag am gekippten Fenster liegen, aber nicht nur. Denn die Waldtoilette wird ununterbrochen entlüftet. Schlechte Gerüche werden per stetigem und feinem Sog in die Schüssel und per Rohr aus dem Häuschen abgeleitet. Das funktioniert automatisch über einen kleinen Ventilator, der im Abzug auf dem Dach sitzt und per natürlichem Wind angetrieben wird. Wer einen empfindsamen Popo hat, merkt den kühlen Luftzug übrigens bei seiner "Sitzung".

Ein Trockenklo, das nicht ein bisschen müffelt. Dafür sorgt eine spezielle Lüftung, die direkt in der Schüssel steckt. Deshalb soll der Deckel nach jeder Benutzung wieder geschlossen werden.
Ein Trockenklo, das nicht ein bisschen müffelt. Dafür sorgt eine spezielle Lüftung, die direkt in der Schüssel steckt. Deshalb soll der Deckel nach jeder Benutzung wieder geschlossen werden. © Mike Jäger

Eine technische Raffinesse, die man sich in manchen Momenten auch für die heimische Toilette wünsche würde. Da hat man zumindest ein Waschbecken. Dass die Waldtoilette ohne auskommen muss, ist ein Manko. Eines, das man erst mit seiner persönlichen Vorstellung von Hygiene vereinbaren muss. Mir fällt das - zugegeben - etwas schwer. Aber auch dafür gibt es einen Trick: Trickflasche auf, Leitungswasser über die Hände, trocken wedeln, fertig.

Wasser für die gründliche Reinigung muss auch die Firma mitbringen, die die zwei bisherigen Waldtoiletten in der Sächsischen Schweiz betreut. Eine einheimische Firma ist damit beauftragt, heißt es. "Bis auf wenige Ausnahmen konnten die Sauberkeit der Toiletten Dank der pfleglichen Nutzung durch die Besucher und der Betreuung durch unseren Auftragnehmer sehr gut gewährleistet werden", teilt die Nationalpark- und Forstverwaltung mit. In den ersten eineinhalb Jahren hätte es kaum Reparaturen oder gar Vandalismus gegeben. Eine gute Bilanz, die nun für den Bau drei neuer Waldtoiletten gesorgt hat, die alle nach dem gleichen Prinzip gebaut werden - und funktionieren.

Die Waldtoiletten sind ganzjährig geöffnet und kostenfrei nutzbar.