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Wie umgehen mit den "Freien Sachsen"?

Der Verfassungsschutz hat die Partei im Visier. Selbst ein Verbot ist im Gespräch. Und auch der Nachfahre des letzten Sachsen-Königs hat mit der Partei ein Problem.

Von Thilo Alexe
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Görlitz, 30. Januar: Gegner der Corona-Maßnahmen demonstrieren mit Fahnen und einem Banner der "Freien Sachsen". Die Partei mobilisiert seit Wochen zum Protest gegen die Corona-Politik.
Görlitz, 30. Januar: Gegner der Corona-Maßnahmen demonstrieren mit Fahnen und einem Banner der "Freien Sachsen". Die Partei mobilisiert seit Wochen zum Protest gegen die Corona-Politik. © xcitepress/Finn Becker

Für die oppositionelle Linke im Landtag ist der Fall klar. Sie fordert ein Verbot der "Freien Sachsen". Die an der Koalition beteiligten Grünen erwarten zumindest eine kontinuierliche Prüfung, ob es sich bei der rechtsextremen Kleinpartei tatsächlich um eine Partei handelt. Doch das Thema ist komplex. Die "Freien Sachsen", die erfolgreich für Demonstrationen gegen die Coronapolitik werben, sind im Visier der Verfassungsschützer von Bund und Land. Die Hürden für ein Verbot sind allerdings hoch.

Wie ist die Ausgangslage?

Die "Freien Sachsen" gründeten sich im vergangenen Jahr. Vorsitzender ist der Jurist und bei Pro Chemnitz aktive Stadtrat Martin Kohlmann, einer seiner Stellvertreter der erzgebirgische NPD-Politiker Stefan Hartung. Die Partei sieht sich als "Zusammenschluss von Initiativen, die sich aktuell vor allem den Corona-Zwangsmaßnahmen entgegenstellen". Vier Monate nach der Gründung stufte Sachsens Verfassungsschutz die "Freien Sachsen" als rechtsextremistische Bestrebung ein. Sie sei fester Bestandteil der Szene in Sachsen.

Corona-Protest vergangenen Sommer in Bautzen.
Corona-Protest vergangenen Sommer in Bautzen. © Archiv/SZ/Theresa Hellwig

Ihr gehe es "nicht um sachliche Kritik am Staat, sondern um dessen Verächtlichmachung und Delegitimierung". Die Partei mobilisiert landesweit zu Demonstrationen gegen Corona-Schutzmaßnahmen. Die "Freien Sachsen" wollen "nicht zwangsläufig den Austritt aus der BRD", sehen aber die "staatliche Organisationsstruktur kritisch". Eine der Forderungen lautet: "Das sächsische Königshaus ist bei der Gestaltung der Zukunft Sachsens angemessen einzubinden." Auf Telegram fragte Kohlmann unlängst: "Was hat uns die Demokratie in den letzten 20 Jahren gebracht?"

Was sagen Landespolitiker?

Die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz bezeichnete die "Freien Sachsen" im Landtag als verbotsreif. Für sie spricht zudem vieles dafür, dass es sich nicht um eine Partei handelt. Daher verwies sie auf die einfachere Möglichkeit eines Vereinsverbotes, das Innenminister Roland Wöller (CDU) verhängen könne.

Auch der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann erwartet, wie er ebenfalls im Parlament sagte, "dass es eine fortlaufende Prüfung gegenüber den "Freien Sachsen" gibt, ob es sich dabei um eine Partei handelt, und dass die notwendigen Konsequenzen ergriffen werden". Beide Politiker spielen offenbar darauf an, dass bei den "Freien Sachsen" auch Vertreter anderer Parteien Mitglied sein können.

Was plant die Regierung?

Offiziell äußert sich kein Regierungsvertreter zu einem möglichen Verfahren gegen die Partei, die über ihre Homepage das Banner "Coronamaßnahmen beenden: Kretschmer verhaften!" offeriert. Eine Landesregierung kann zwar ein solches in Gang setzen. Allerdings nur dann, wenn sich die Aktivitäten der Partei nur auf ein Bundesland beschränken. Daran haben Sicherheitskreise Zweifel.

Sie verweisen auf einen Flyer der Partei, laut dem es bereits bestehende Ortsgruppen in Altenburg (Thüringen) und Weißenfels (Sachsen-Anhalt) gebe, in einst sächsischen Regionen also. Trifft das zu, könnten Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung einen Antrag stellen. Konkrete Pläne gibt es dazu aber nicht. Das Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage mit, man äußere sich generell nicht zu solchen Fragen.

Die "Freien Sachsen" mobilisieren vor allem im Internet über den Messenger-Dienst Telegram. Dort folgen ihnen Zehntausende Nutzer.
Die "Freien Sachsen" mobilisieren vor allem im Internet über den Messenger-Dienst Telegram. Dort folgen ihnen Zehntausende Nutzer. © Tobias Hoeflich

Über ein beantragtes Verbot müsste das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Erfolgsaussichten wären, das hat das NPD-Verfahren gezeigt, wohl gering. Der Partei müsste neben der Verfassungsfeindlichkeit nachgewiesen werden, dass sie diese Ziele auch erreichen könnte. Im Landtag ist sie nicht vertreten.

Welche Strategien gibt es?

Verfassungsschützer weisen darauf hin, dass die Partei ihre Follower-Zahl auf Telegram zwischen August und dem Jahreswechsel auf rund 130.000 mehr als verdoppelt hat. Anders gesagt: Die "Freien Sachsen" profitieren offenkundig vom Unmut über Corona-Beschränkungen. Möglicherweise flaut der angesichts von Lockerungen ab.

Dann wird sich zeigen, wie groß die Anhängerschaft tatsächlich ist. Spannend ist, wie sich die AfD positionieren wird. Der Bundesvorstand prüft derzeit. Eine Frage ist, ob der Vorstand die "Freien Sachsen" vorrangig als Konkurrenten – etwa bei Landratswahlen im Erzgebirge – sieht.

Juristische Schritte prüft derweil der Nachkomme des letzten Sachsen-Königs. Prinz Daniel von Sachsen will der Kleinpartei die Verwendung des königlichen Wappens verbieten. "Es wird eine Symbolik des Königshauses verwendet, die eine Nähe suggeriert. Wir stehen aber natürlich in keinem Zusammenhang", sagte der 46-Jährige. Das Wappen mit schwarz-gelben Streifen taucht immer wieder auf Demonstrationen auf. "Die Schwierigkeit ist, dass Wappen nicht der Wort-Bild-Marke unterstellt sind", sagte er. Man dürfe dennoch den Versuch nicht unterlassen. (mit dpa)