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Warum die Freien Wähler in Sachsen die AfD nicht ausgrenzen wollen

Thomas Weidinger, Chef der Freien Wähler Sachsen, äußert sich im Interview zum Streit mit seiner Bundespartei, drohenden Sanktionen gegen ihn und warum er keine Brandmauer gegen die AfD errichten will.

Von Gunnar Saft
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Thomas Weidinger ist Landesvorsitzender der Freien Wähler Sachsen und hofft darauf, mit seiner Partei im September erstmals in Sachsens Landtag einzuziehen. Dass er dann auch mit der AfD reden will, stößt in der Bundespartei auf Unverständnis.
Thomas Weidinger ist Landesvorsitzender der Freien Wähler Sachsen und hofft darauf, mit seiner Partei im September erstmals in Sachsens Landtag einzuziehen. Dass er dann auch mit der AfD reden will, stößt in der Bundespartei auf Unverständnis. © Jan Woitas/dpa

Herr Weidinger, die Freien Wähler Sachsen wollen nach ihrem erhofften Einzug in den Landtag dort mit allen Fraktionen politische Gespräche führen. Gilt diese Ankündigung noch?

Das gilt noch. Wir reden mit allen, hören uns an, was die jeweiligen Beteiligten zu sagen haben und treffen dann unsere Entscheidungen.

Für Wirbel sorgt seit Tagen, dass Sie auch mit der AfD reden wollen. Warum ist Ihnen ein solches Gespräch so wichtig? Nach der Landtagswahl geht es schließlich um künftige Bündnisse?

Die AfD ist zwar vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, sie ist aber nicht verboten. Sie wird voraussichtlich mit einem hohen Stimmenanteil in den Landtag einziehen und wir würden uns grundsätzlich erst einmal anhören, was man uns zu sagen hat. Dabei gilt allerdings, wir grenzen uns strikt von extremistischen Personen und Positionen ab, sowohl von rechts als auch von links. Und wir würden deshalb in ein solches Gespräch nie mit dem Ziel eines strategischen Bündnisses gehen. Es gibt von uns auch keinerlei Bestrebungen hin zu strategischen Bündnissen mit der AfD. Es geht dann auch nicht um Koalitionen. Mit unserer inhaltlichen Gesprächsbereitschaft wollen wir aber gerade potenziellen Wählern dieser Partei nicht das Gefühl geben, mit euch reden wir nicht. Daher gilt für uns: Wir grenzen die AfD und deren Wähler nicht aus, wir grenzen uns aber ab. Das ist ein feiner, aber ganz wesentlicher Unterschied.

Ihre Bundespartei hat strikt vorgegeben, es dürfe politisch nichts unternommen werden, was der AfD nützt. Solche Gespräche wären aber schon eine klare öffentliche Anerkennung durch die Freien Wähler Sachsen?

Das sehe ich nicht so. Die normale Höflichkeitsform anzuwenden und zu sagen, wir reden erstmal mit jedem, halte ich noch nicht für eine Unterstützung. Es ist eher bezeichnend und bemerkenswert, dass sowas schon als Unterstützung bewertet wird.

Sie werden bei den Gesprächen aber nicht nur Höflichkeiten austauschen, sondern über politische Themen reden. Was bringt das Ihrer Partei, wenn es nicht um eine Zusammenarbeit geht?

Dafür ein ganz konkretes Beispiel. Wenn die AfD, wie es zurzeit aussieht, ein Drittel der Stimmen holt, haben sie im Landtag eine sogenannte Sperrminorität. Dann wird ohne die AfD beispielsweise kein Richterwahlausschuss ernannt und damit können wir ohne sie keine Richter ernennen. Und dann wird jede andere Partei, das, was wir jetzt im Vorfeld der Wahl sagen, halt hinterher sagen: Jetzt müssen wir mit der AfD reden! Und das ist nur ein Beispiel. Die Frage steht doch, wie wollen wir in Sachsen künftig zusammenleben, wenn wir sagen, wir bauen jetzt an dieser Brandmauer mit und stellen dabei auch den großen Teil der Bürger dahinter, die die AfD wählen. Die Brandmauer hat nicht dazu geführt, dass sich die AfD-Zustimmung halbiert, wie einst von CDU-Chef Merz vorausgesagt. Im Gegenteil, die Zustimmung hat sich verdoppelt. Dafür besteht jetzt aber die Gefahr, dass sich dadurch die Spaltung der Gesellschaft noch weiter verschärft.

Nun hat Ihre eigene Partei dennoch ein weitgehendes Kontaktverbot zur AfD verfügt und sogar mit juristischen Konsequenzen gedroht. Werden Sie sich an diese Vorgabe halten oder nicht?

Wir haben zum heutigen Zeitpunkt nicht gegen diesen Beschluss verstoßen und ich sehe derzeit auch nicht, dass wir künftig dagegen verstoßen sollten. Wenn wir Gespräche mit der AfD führen sollten, genau so wie eben von mir beschrieben, widerspricht das nicht dem Beschluss der Bundespartei, der unserer Auffassung nach völlig ohne Not getroffen wurde. Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass wir gegenüber dem Bundesvorstand schon vor dem Parteitag begründet haben, warum wir den Antrag nicht unterstützen können.

Wenn dies die Bundespartei aber weiterhin anders sieht, nehmen Sie dann auch mögliche Sanktionen in Kauf?

Ja. Als Landesvorsitzender der Freien Wähler Sachsen gibt es für mich schließlich nur ein vorrangiges Interesse und das sind die Interessen der Bürger in Sachsen. Wenn ich dafür nicht mehr mit allen reden darf, von denen ich der Meinung bin, dass man mit ihnen reden muss, nehme ich lieber alle möglichen Konsequenzen auf mich.

Angedroht wurde in dem Zusammenhang auch ein „klärendes Gespräch“ mit Bundesparteichef Hubert Aiwanger. Hat es das inzwischen gegeben und was war das Ergebnis?

Wir haben telefoniert und da ging es allein um die Frage, ob wir eine Koalition mit der AfD in Sachsen anstreben oder nicht. Unser klares Nein hat Hubert Aiwanger gereicht.

Über der ganzen Debatte steht noch ein anderes Problem: In Sachsen liegen die Freien Wähler bei Umfragen bisher unter der Fünf-Prozent-Hürde. Wie wollen Sie da künftig drüber kommen?

Wir Freie Wähler haben den Vorteil, direkt aus der kommunalen Arbeit zu kommen. Dort wird in der Regel sachorientiert vernünftige Politik gemacht. Diesen bürgernahen und ideologiefreien Politikstil wollen wir künftig auf Landesebene einbringen – als wesentlichen Unterschied zu anderen Parteien. Um Wähler zu mobilisieren setzen wir auf eine bessere Kommunalfinanzierung und Infrastruktur, wir wollen das Demografieproblem angehen und junge Familien fördern. Dazu stehen wichtige Bereiche wie Bildung und der sächsische Mittelstand sowie der nötige Bürokratieabbau auf der Agenda. Auch das Problem Migration und Integration muss gelöst werden. Wir setzen dabei aber stets darauf, dass die Menschen weniger den Streit zwischen Parteien wollen, sondern dass ihre Probleme gelöst werden. Und noch einmal: Wir haben in Sachsen eine Sondersituation, müssen hier die Probleme lösen. Und da lasse ich mir nicht aus dem Westen erzählen, wie die Welt funktioniert.

Das Gespräch führte Gunnar Saft.