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Scheidung bei Silly nach zwölf Jahren

Die Ostrock-Legende geht getrennte Wege. Während die Musiker mit Julia Neigel und Anna R. touren wollen, wandelt die bisherige Sängerin Anna Loos auf Solopfaden.

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Anna Loos und Silly haben sich getrennt. Die Sängerin versucht es jetzt solo, während Ritchie Barton, Jäcki Reznicek und Uwe Hassbecker (v. l.) zum 40. Gründungsjubiläum 2019 mit zwei neuen Frontfrauen auf Tour gehen.
Anna Loos und Silly haben sich getrennt. Die Sängerin versucht es jetzt solo, während Ritchie Barton, Jäcki Reznicek und Uwe Hassbecker (v. l.) zum 40. Gründungsjubiläum 2019 mit zwei neuen Frontfrauen auf Tour gehen. © Olaf Heine/Universal

Von Birgit Walter

Silly und Anna Loos haben sich getrennt. Die Sängerin nennt es Pause, die Sillys sagen erst mal nichts, aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Band und Sängerin je wieder gemeinsam zum Musizieren auf eine Bühne gehen. Anna Loos hat soeben Videos von einem Solo-Album ins Netz gestellt und gibt im März erste Konzerte. Die Sillys gehen im September auf Tournee durch zehn Städte und nehmen dazu die Sängerinnen Julia Neigel und Anna R. von Rosenstolz mit. Eindeutiger geht es nicht.

Die künftigen Sängerinnen von Silly: Julia Neigel (l.) und AnNa R.
Die künftigen Sängerinnen von Silly: Julia Neigel (l.) und AnNa R. © Archivbild: Jens Wolf;Florian Schuh/dpa

Die Nachricht verbreitete sich am letzten Freitag, dem Geburtstag von Tamara Danz, wie Fans gleich bemerken. Danz war zwölf Jahre lang Sängerin und Seele der Band. Nach ihrem Tod 1996 im Alter von nur 43 Jahren setzte augenblicklich die Legendenbildung ein. Lange, sehr lange ruhte das Projekt Silly, wie es Uwe Hassbecker, Ritchie Barton und Hans-Jürgen Reznicek beschrieben. Dass Anna Loos danach tatsächlich auch zwölf Jahre lang mit Silly unterwegs war, wirkt in der zeitlichen Wahrnehmung fast absurd. Schließlich brannten sich aus der Tamara-Phase diese vielen Titel in die Erinnerung, von „Mont Klamott“ über „Bataillon d’Amour“ bis „Paradies“ ewige Hits auf jedem Album. Und aus der Anna-Phase blieb gerade ein Song: „Alles Rot“. Das ist gewiss eine ungerechte und willkürliche Wahrnehmung, aber keine einsame, wie eine hurtige kleine Umfrage ergab.

Gesamtdeutsch im Geschäft

Dabei begann die Neubesetzung mit großem Optimismus. Die Sillys entschieden sich 2006 für Anna Loos. Sie selbst war eine Anhängerin der Band, zeigte sich geehrt und überglücklich: „Für mich ist Silly ein Stück Heimat. Damals wie heute.“ Und als 2010 endlich wieder ein neues Album erschien, war klar, dass von ihr energische Impulse für diesen Neustart gekommen waren. Die Musiker hatten sich lange genug auf Studio-Arbeit, Filmmusik und Hochschullehre zurückgezogen. Mit einer hoch souveränen Sängerin und dem Album „Alles Rot“ im flirrenden Silly-Sound, das sich dann mehr als 300 000 Mal verkaufte, fand die Band zurück ins Musikgeschäft – und zwar in das gesamtdeutsche. Das gelang keiner anderen Band aus dem deutschen Osten – nicht Karat, nicht Pankow oder den Puhdys.

Die Sillys aber spielten fortan im ZDF-Krimi mit, saßen in Talkshows, wurden Gegenstand einer Doku, zeigten nicht nur musikalisch Präsenz. Für so viel Aufmerksamkeit war die Prominenz der Schauspielerin Anna Loos, verheiratet mit Jan Josef Liefers, fraglos von Vorteil. Allerdings wirkte es irgendwann so, als sei Anna Loos mit ihrer Begleitband unterwegs.

Doch es drang nie ein Krach nach außen, nur gelegentlich vernehmliche Knirsch-Geräusche zwischen der ehrgeizigen Sängerin und den lässigen Sillys, spätestens bei den Aufnahmen zum letzten Album. Da wollte Anna Loos keine Texte mehr von Werner Karma, der zuvor mühsam zurück ins Boot geholt worden war. Sie hatte in den Texten des angesehenen Dichters, der den frühen Silly-Ruhm mit begründete, einige Zeilen markiert. Karma hielt sie für die beanstandeten Stellen. Doch es waren die einzigen, die Anna Loos interessant fand. Sie schrieb nun selbst Text, wollte authentisch sein. Das Album „Wutfänger“ wurde dann das beliebigste von allen. Der Musiker Dirk Zöllner, Freund und Fan von Silly, erzählte öffentlich, wie er die Scheibe vor Ärger aus dem Autofenster warf. Als nun am 8. Dezember das letzte Konzert dieser Tournee in Halle lief, fürchteten viele Fans trotz gespielter Harmonie, dies sei das Ende von Silly. Eine absurde Idee. Wer ein Gesellschaftssystem übersteht und danach die Trauer um die geliebte Frontfrau, wer zusammen bleibt, nachdem der eine Musiker vom anderen die Geliebten übernahm, der verschmerzt auch die Trennung von einer zweiten Sängerin – im Jahr 40 von Silly.

Die Bandmitglieder von Silly, Gitarrist Uwe Hassbecker (l-r), Sängerin Anna Loos und Bassist Hans-Jürgen "Jäcki" Reznicek sowie Keyborder Rüdiger "Ritchie" Barton bei einem Auftritt 2016.
Die Bandmitglieder von Silly, Gitarrist Uwe Hassbecker (l-r), Sängerin Anna Loos und Bassist Hans-Jürgen "Jäcki" Reznicek sowie Keyborder Rüdiger "Ritchie" Barton bei einem Auftritt 2016. © Jens Wolf/dpa

Anna Loos legt im März ihr Solo-Album vor. Sie kann das. Sie ist kraftvoll, entschlossen, ehrlich, leidenschaftlich, verträumt, sinnlich, zerbrechlich, melancholisch und vor allem – authentisch. Diese Göttinnen-gleichen Eigenschaften schreibt ihr nicht ein Fan zu oder ein Kollege, so sieht sie sich selbst. Es steht auf ihrer Website. Da ist die Rede von Anna als einem Kraftwerk, „Musik als Teile- und Verarbeitungsmaschine meines Lebens“. Eine krasse Form der Selbsteinschätzung, die für sich spricht.

Neuer Groove für Silly

In den Videos für ihr Solo-Debüt erscheint Anna Loos ganz in weiß in weißer Kulisse, die Haare platinblond, die Wimpern hellgrau. In diesem neuen Outfit lässt sie sich wie eine Mumie aus einem Verband wickeln. Den Part übernimmt ihre zehnjährige Tochter in gleicher Aufmachung. Zusammen singen sie „Werkzeugkasten“ bewusst monoton und unterkühlt. So klingt auch eine Zeile wie „Verpiss dich, du Arschloch“ zumindest nicht aggressiv. Anna Loos bezeichnet den Titel als Liebeserklärung an sich selbst. Die Songs passen zu ihr, gefälliger Balladenpop mit bildhaften Texten. Sie wird jede Energie aufwenden, um sich durchzusetzen.

Denn natürlich erlebt man hier bei aller Beteuerung gegenseitiger Wertschätzung eine eisenharte Trennung. Doch wird mit Anna R und Julia Neigel wieder ein neuer Groove Einzug halten bei Silly. Der Vorverkauf soll überragend laufen, dabei beginnt die Tour erst im September.

Das Dresden-Konzert von Silly: 8.12.2019, 20 Uhr, Alter Schlachthof; Karten gibt es ab sofort in den SZ-Treffpunkten und bei www.sz-ticketservice.de