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Patrick lebt seinen Traum

Eben noch wünschte er sich, endlich als Schuhverkäufer arbeiten zu dürfen. Auf einmal ist der junge Mann mit dem Asperger-Syndrom mittendrin in einer kunterbunten Szene.

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© Sonra

Von Henry Berndt

Für die einen sind es nur Turnschuhe. Für die anderen sind sie ein Kultobjekt, fast zu schade, um sie an den Füßen zu tragen. Patrick Lenke ist seit Jahren so ein Sneaker-Fan, kennt jedes Modell und jeden Laden, hat sogar seinen eigenen Blog. Nur ein Traum blieb dem 23-Jährigen bislang verwehrt: selbst einen Job zu haben und Schuhe verkaufen zu dürfen. Die meisten Arbeitgeber lasen in seiner Bewerbung nur „Körperbehindertenschule“ und meldeten sich erst gar nicht zurück. Irgendwann gab er auf. Zuletzt verbrachte Patrick die meiste Zeit in seinem Zimmer und hatte keine Ahnung, wie sich das jemals ändern sollte.

Seit einer Erkrankung als Säugling ist Patrick zu 90 Prozent behindert und hat außerdem das Asperger-Syndrom. Als die Sächsische Zeitung vor drei Wochen über ihn und seine Leidenschaft berichtete, freute er sich zwar über das schöne Foto, glaubte aber nicht daran, dass sich von heute auf morgen alles ändern würde. Doch das tat es.

Über Facebook verbreitete sich der Artikel schnell im Netz und stieß dort auf eine kunterbunte Fanszene, die nur die wenigsten Schuh-Laien kennen. Eine Szene aus jungen Leuten, die sich wie Patrick am liebsten den ganzen Tag mit Schuhen beschäftigen. Über Facebook wurden auch die Jungs von Sneakerhelden auf Patrick aufmerksam. Der Laden eröffnete erst im September im Industriegelände. Ruckzuck war Patricks Geschichte in den größten Foren der Szene zu lesen.

Heute, drei Wochen nach Erscheinen des Artikels, muss sich Patrick manchmal kneifen, weil er nicht glaubt, was da gerade mit ihm geschieht. Vergangenen Samstag durfte er in Dresden einen Tag lang ein streng limitiertes neues Modell von Hikmet Sugoer verkaufen. Schon Tage vorher sei er deswegen aufgeregt gewesen. Dazu muss man wissen, dass Hikmet in der Szene eine Ikone ist, quasi der Karl Lagerfeld der Sneaker. Auch Patrick hatte vorher schon viel von ihm gehört. Nun begegnete er ihm persönlich und brachte exklusiv seine Schuhe an den Mann. Für die Arbeit bekam er nicht nur 300 Euro, sondern eine Menge Schulterklopfer. Die Meinung war einhellig: Dieser junge Mann hat eine Stelle verdient. Nicht, weil er behindert ist, sondern weil er es verdammt nochmal drauf hat.

Auch Hikmet Sugoer ließ nach diesen Eindrücken rasch seine Kontakte spielen. Wie es der Zufall will, eröffnet Ende März eine neue Snipes-Filiale in der Altmarktgalerie. Wenn nichts Großes dazwischenkommt, dann wird Patrick dort eine Anstellung angeboten bekommen. Vollzeit. Unbefristet. „Das ist einfach alles Wahnsinn, was hier passiert“, sagt er. „Erst war da gar nichts, und auf einmal bin ich mittendrin.“ Am Freitag wird er nach Berlin fahren, ist dort bei der Vorstellung eines neuen Adidas-Schuhs zu Gast. Der Chef des Ladens hat ihm eine kostenlose Unterkunft gleich in der Nähe organisiert.

„Das alles macht mich schon ein bisschen nervös“, sagt Patrick. Er hat Angst, jetzt falsche Entscheidungen zu treffen. Diese Woche musste er das erste Angebot von einem Schuhladen absagen. Doch es hilft nichts. Er muss seinen neuen Freunden jetzt vertrauen. Und es deutet nichts darauf hin, dass er damit schlecht fahren wird.