SZ + Sebnitz
Merken

Familienministerin Paus in Sebnitz: "Die Engagierten nicht allein lassen"

Die Grünen-Politikerin besucht ein Demokratie-Projekt in der Sächsischen Schweiz - und hört dort Sorge vor den Energiekosten und neuen Protesten im Herbst.

Von Dirk Schulze
 4 Min.
Teilen
Folgen
Die unterstützen, die sich engagieren: Ministerin Lisa Paus (li.) mit Mandy Merker (Mitte) von der Aktion Zivilcourage und Ehrenamtliche Annette Schmidt-Scharfe in Sebnitz.
Die unterstützen, die sich engagieren: Ministerin Lisa Paus (li.) mit Mandy Merker (Mitte) von der Aktion Zivilcourage und Ehrenamtliche Annette Schmidt-Scharfe in Sebnitz. © Steffen Unger

Das gute Dutzend Stühle rings um den hölzernen Tisch reicht nicht aus. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat hier in dem umgestalteten Ladenlokal in der Sebnitzer Innenstadt Platz genommen, ihre Parteikollegin und sächsische Justizministerin Katja Meier, zwei Bürgermeister, ein Polizeirevierleiter und die, um die es in der Hauptsache geht bei diesem Besuch: engagierte Sebnitzer.

Sie wolle der mitgereisten Hauptstadtpresse mal zeigen, was so passiert in Sachsen, erklärt die Familienministerin zu Beginn. Und sich natürlich auch selbst ein Bild machen, welche Initiativen ihr Haus so fördert. "Partnerschaften für Demokratie" lautet etwas abstrakt der Titel des aktuellen Projekts unter dem Dach der Aktion Zivilcourage, für das sich die drei Städte Sebnitz, Bad Schandau und Hohnstein in der Sächsischen Schweiz zusammengetan haben.

Lernen, andere Meinungen auszuhalten

"Demokratie" - viele, mit denen sie spreche, könnten das Wort schon gar nicht mehr hören, erzählt Annette Schmidt-Scharfe der Ministerin. Die Sebnitzerin gehört zu einer Gruppe ehrenamtlich tätiger Einwohner, die sich im Herbst 2015 gefunden hat. Menschen, die sich damals in der Flüchtlingshilfe engagierten, sahen sich massiven Anfeindungen ausgesetzt. Aus einem ersten Angstzustand heraus ist die Gruppe ins Machen und Tun gekommen.

Seitdem ist einiges entstanden. Ein offener Raum zum Treffen in der Stadt, zuletzt ein großes Sommerfest in Sebnitz. "Es sind ganz simple Sachen", sagt Annette Schmidt-Scharfe. "Wir müssen lernen uns zuzuhören und andere Meinungen auszuhalten." Außerdem Wohlfühlplätze schaffen. Bei dem Sommerfest in Sebnitz habe das super funktioniert. Ministerin Paus lobt: "Das ist gelebte Demokratie."

Sorge vor neuen Protesten im Herbst

Recht schnell ist das Gespräch bei der aktuellen Energiekrise und deren Folgen. "Was erwarten Sie für den Herbst und Winter?", will die Bundesministerin von den Anwesenden wissen. Annette Schmidt-Scharfe gesteht: Sie habe Angst davor. Seit 2015 flammen die Konflikte in Abständen immer wieder auf. Erst ging's gegen Flüchtlinge, dann gegen die Corona-Maßnahmen. "Dieses Mal ist es eine andere Kategorie", sagt die Sebnitzerin. "Jetzt geht's um Geld." Die Leute bräuchten eine Perspektive.

"Wir haben Krieg in Europa", stellt Familienministerin Lisa Paus fest. Sie verweist auf zwei Entlastungspakete, die die Bundesregierung schon beschlossen hat, um das dritte werde gerade gerungen. Ihre Partei, die Grünen, fordere mehr Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen. "Es wird niemand aus seiner Wohnung getrieben, weil er seine Gas- und Stromrechnung nicht bezahlen kann", sagt Paus.

Bürgermeister vermissen Rückhalt der Bundespolitik

Polizeirevierleiter Uwe Lottermoser berichtet von den zurückliegenden Demonstrationen, bei denen in Bad Schandau 700 bis 800 Menschen auf die Straßen gingen, teils mit Trommeln, Fackeln und Böllern. "Wir haben stellenweise Gewalt auf den Straßen erlebt", sagt der Sebnitzer Polizeichef. Das martialische Auftreten sorge für Einschüchterung. Wer eine andere Meinung äußern wolle, werde niedergebrüllt. Der Revierleiter geht davon aus, dass auch im kommenden Herbst wieder demonstriert wird.


Damit rechnet auch Bad Schandaus Bürgermeister Thomas Kunack (WV Tourismus). "Es geht um Existenzen", sagt Kunack mit Blick auf die Energiepreise. Es sei in der Vergangenheit viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Vor Ort müssten dann die Bürgermeister dafür geradestehen, was in Berlin entschieden wird. Er wünscht sich mehr Rückhalt, für alle, die sich engagieren. Sonst könnte es in Zukunft schwer werden, noch jemanden zu finden.

Das Wichtigste aber sei es, wieder eine Basis zu schaffen, auf der man miteinander sprechen könne, sagt Kunack. Gerade deshalb sei das aktuelle Demokratie-Projekt und das daraus entstandene Netzwerk so wichtig.

"Viele haben sich innerlich von Demokratie verabschiedet"

Hohnsteins Bürgermeister Daniel Brade (SPD) äußert sich kritischer. Der Diskussionsprozess sei noch nicht so richtig in Gang gekommen, erklärt er. Die Rathäuser könnten das auch nicht alleine meistern, sondern bräuchten Unterstützung. "Viele Menschen haben sich innerlich vom demokratischen Gemeinwesen verabschiedet", sagt Brade. Es werde eine große Aufgabe, sie zurückzugewinnen.

Das neue Demokratieförderungsgesetz der Bundesregierung soll dafür sorgen, dass solch ehrenamtliches Engagement wie in dem Projekt von Sebnitz, Hohnstein und Bad Schandau dauerhaft gesichert ist, indem es langfristig gefördert wird, erklärt die Familienministerin. "Es ist wichtig, die Menschen, die sich engagieren, nicht allein zu lassen", sagt Paus. Das habe sie mit ihrem Besuch zeigen wollen.