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Vom Durchschlängeln in der DDR: Sebnitzerin veröffentlicht Roman

Annegret Schowalter aus Sebnitz hat einen Roman geschrieben. Er handelt von der Vorwendezeit in einer sächsischen Kleinstadt.

Von Dirk Schulze
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Annegret Schowalter mit ihrem Debütroman auf dem Finkenberg in Sebnitz.
Annegret Schowalter mit ihrem Debütroman auf dem Finkenberg in Sebnitz. © Karl-Ludwig Oberthür

Als Erstlingswerk gleich einen Roman? Ihre Verlegerin wollte ihr das eigentlich ausreden. "Ich habe so viel Stoff, das passt nicht in eine Kurzgeschichte", entgegnete Annegret Schowalter. Das Material lag irgendwann im Frühjahr 2020, als alles zur Ruhe kam, ausgebreitet auf dem Fußboden vor ihr: der eigene Biologie-Hefter aus der Abiturzeit, ausgeschnittene Todesanzeigen, Bastelarbeiten der Kinder. Dinge aus Umzugskisten, die man nie ausgepackt, aber auch nie weggeworfen hat. Dazu die 120-seitige Stasi-Akte.

Die alte Idee, das alles mal irgendwie aufzuschreiben bekam da wieder neuen Schwung. Was noch fehlte, war das passende Handwerkszeug. Das holte sich die Sebnitzerin, Jahrgang 1956, bei der Autorin und Verlegerin Martina Rellin, die regelmäßig Schreibwerkstätten veranstaltet. Nach zweieinhalb Jahren Schreibarbeit mit vielen Zoom-Konferenzen und strengen Korrekturen der Verlegerin ("Das muss farbiger werden!") liegt das Ergebnis nun vor. Eine 285 Seiten starkes Buch namens "Tauchnitzhaus", Untertitel: "Ein Vorwende-Roman aus Sachsen".

Der Roman folgt dem Leben von Angelika Findeisen, die als Kind der 1950er-Jahre in einer sächsischen Kleinstadt namens Tauchnitz in der DDR aufwächst. Angelika ist ein reichlich verwöhntes Nachzüglerkind, das lernt, sich durchzuschlängeln. So beschreibt Autorin Annegret Schowalter ihre Protagonistin. Durchschlängeln zwischen jugendlichem Drang und der Kontrolle besorgter Eltern, zwischen FDJ-Nachmittagen und christlicher Junger Gemeinde. Beizeiten will Angelika weg, hinaus in die Welt. Sie zieht nach Leipzig, wo sie, inzwischen verheiratet und Mutter zweier Töchter, den Wendeherbst 1989 miterlebt.

Sehnsucht nach dem Westen

Annegret Schowalter erzählt in ihrem Buch vom Leben einer jungen Frau in der DDR, von erster Liebe, Jugendweihe und Konfirmation sowie von der Mangelwirtschaft im real existierenden Sozialismus, wo Baumaterial kaum zu bekommen ist und der gute Schinken für den Westbesuch nur auf dem Tisch landet, wenn man Beziehungen zum Fleischer hat. Es geht ums Fortwollen in den Westen und das gleichzeitige Verwurzeltsein in der Heimat, wo die Familie ist.

Annegret Schowalter ist in Sebnitz geboren und aufgewachsen. Sie machte eine medizinische Ausbildung, war Krippenerzieherin und Kindergärtnerin, später Arzthelferin und selbstständige Seniorenbetreuerin. Nach einer Zeit in Leipzig lebte sie nach der Wende unter anderem in München und kehrte schließlich 2004 mit ihrem zweiten Ehemann nach Sebnitz zurück. Nach einer Erkrankung gründet sie hier eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit Krebs, war Stadträtin und Vorsitzende des CDU-Stadtverbands und half nach 2015 ehrenamtlich Flüchtlingsfamilien unter anderem aus Afghanistan.

Wendeherbst 1989 in Leipzig erlebt

Wie viel Biografisches steckt in ihrem Roman? Es ist die Geschichte einer fiktiven Familie, zusammengefügt mit viel Fantasie, sagt die Autorin. Manche Orte und Erlebnisse überschneiden sich, anderes ist erfunden. Den Wendeherbst 1989 in Leipzig mit den großen Demonstrationen hat Annegret Schowalter tatsächlich miterlebt, als junge Mutter zunächst von Weitem und später, als es nicht mehr gefährlich war, auch hautnah. "Man hat das Vibrieren in der Stadt gespürt", sagt Annegret Schowalter. "Ich kriege noch heute Gänsehaut, wenn ich daran denke."

Beim Schreiben hat sie unter anderem aus ihrer Stasi-Akte geschöpft, in der sich unter anderem persönliche Briefe an einen nach Westdeutschland ausgereisten Freund wiederfanden, aber auch allerhand Kuriositäten und viel lapidares Zeug, wie Annegret Schowalter sagt. Sie war einigermaßen perplex, als die Akte später einsehen konnte, denn bewussten persönlichen Kontakt mit der Staatssicherheit hatte sie zu DDR-Zeiten nie. Das Buch endet mit einer USA-Reise kurz nach Wende, bei der die Familie mit großen Augen in eine neue Welt eintaucht. Diese Reise hat es auf Einladung eines deutschen Freundes vor Ort tatsächlich gegeben.

Buchpremiere mit Lesung und Gespräch 3. Mai, 19 Uhr, im Frei:Raum, Schandauer Str. 8a, Sebnitz. Eintritt 8 Euro. Reservierung unter 035844-170067. Annegret Schowalter: Tauchnitzhaus. ISBN/EAN: 978-3-9814798-6-7. 290 Seiten kosten 14,40 Euro.