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Wie zwei junge Oberlausitzer die Radsportwelt erobern wollen

Die Radfahrer Gabriel Kuchinke und Niklas Holfeld feierten beide bereits internationale Erfolge - inklusive Weltrekord. Dabei wollte einer von ihnen schon mit dem Sport aufhören.

Von Julian Hölscher
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Die erfolgreiche Bautzener Trainingsgruppe: Gabriel Kuchinke, Niklas Holfeld und Wolfgang Wittchen (v.l.) auf der Friedensbrücke der Spreestadt.
Die erfolgreiche Bautzener Trainingsgruppe: Gabriel Kuchinke, Niklas Holfeld und Wolfgang Wittchen (v.l.) auf der Friedensbrücke der Spreestadt. © privat

Bautzen/Cottbus. Einer auf der Straße, einer auf der Bahn – beide eint das Ziel der großen Sportkarriere: Gabriel Kuchinke aus Kynitzsch bei Bischofswerda und der Bautzener Niklas Holfeld gelten in ihren Disziplinen als große deutsche Nachwuchshoffnungen im Radsport.

An der Sportschule Cottbus arbeiten die Oberlausitzer jeden Tag hart für ihren Traum und gehen nicht nur an ihre körperlichen, sondern auch an ihre mentalen Grenzen – und darüber hinaus. Entdecker und Förderer der beiden ist Trainer Wolfgang Wittchen, der viele Jahre als Fotograf für die Sächsische Zeitung arbeitete.

Kuchinke, der aus einer Radsport-verrückten Familie stammt, kam selbst eher spontan zum Rennrad. „Früher habe ich wie viele andere Kinder einfach Fußball im Dorfverein gespielt. Als ich 13 war, habe ich meinen zweitältesten Bruder Ringo in den Fahrradladen begleitet, weil sein Rad repariert werden musste. Da hat er mir ganz spontan auch ein Rennrad gekauft, ab da bin ich quasi täglich gefahren“, erklärt der 19-Jährige. „Ich bin auch direkt extrem weite Distanzen gefahren. Irgendwann ist dann Wolfgang Wittchen auf mich aufmerksam geworden“.

"Ich lerne extrem viel, auch fürs Leben"

Der Kontakt kam über einen Trainingspartner von Kuchinkes Bruder zustande. Nach einem Leistungstest bei Wittchen war dieser so angetan, dass er Kuchinke im September 2020 an die Sportschule Cottbus delegierte und ihn bis heute auch selbst trainiert.

"Radsport war zu dem Zeitpunkt bereits das, womit ich mich am meisten beschäftigte und das, worauf ich Bock hatte – praktisch mein Leben“, so Kuchinke, der für seinen Profitraum von Zuhause auszog, um seinem Sport in Cottbus unter Gleichgesinnten nachzugehen. „Wir sind wie eine Familie hier an der Sportschule, befinden uns alle in der gleichen Situation und können uns alles anvertrauen. Ich lerne extrem viel, auch fürs Leben.“

Dabei kommen ihm Eigenschaften wie Disziplin und Durchhaltevermögen auch für seinen Sport besonders zugute. In Cottbus haben die jungen Sportler zudem die Möglichkeit, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.

„Beim Radsport ist extrem viel mental. Man muss sich unter der hohen Belastung durchbeißen können und sich während des Rennens immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass die anderen gerade genauso leiden wie man selbst. Wenn man merkt, dass man Probleme bekommt, kann man hier psychologische Hilfe wahrnehmen. Ich persönlich habe dies aber noch nicht getan“, sagt Kuchinke, dessen diesjähriger Saisonhöhepunkt die Baltic Chain Tour durch Estland, Lettland und Litauen war, bei der er in der U23-Gesamtwertung einen beachtlichen zwölften Platz erreichte.

Rücktritt vom Rücktritt nach eineinhalb Wochen

Um die Bedeutung der mentalen Gesundheit weiß auch Niklas Holfeld. Er wechselte ein Jahr nach Kuchinke nach Cottbus und hatte zunächst Probleme, sich in der neuen Umgebung einzuleben.

„Gerade das erste Jahr war psychisch für mich ganz schwer. Unter der Woche wohne ich hier im Internat, an den Wochenenden finden häufig Wettkämpfe statt, gerade am Anfang war es hart, sehr selten nach Hause zu können“, erklärt der Bautzener. „Ich wusste nicht, ob ich das alles wirklich auf mich nehmen oder nicht tatsächlich lieber meine Jugend genießen wollte.“

So kam es, dass Holfeld im Sommer 2022 den Entschluss fasste, mit dem Radsport aufzuhören. „Nach eineinhalb Wochen habe ich aber gemerkt, dass das eine Schnapsidee war. Dann habe meinen Trainer Eric Engler angerufen und ihm erklärt, dass ich mir nun sicher bin, den Weg wirklich zu verfolgen. Von da an habe ich mit einem ganz anderen Bewusstsein trainiert und es ging steil bergauf“.

Weltrekordfahrt in Kolumbien

Innerhalb eines Jahres hat sich Holfeld, der mit 16 Jahren noch dem Sachsenkader im Taekwondo angehörte und erst während der Corona-Pandemie über das Mountainbike und Rennrad zum Bahnrad wechselte, in den Nationalkader gekämpft und wurde für die Junioren-WM im August 2023 nominiert. Bei den Titelkämpfen in Kolumbien haben Holfeld und seine Kollegen im Teamsprint dann nicht nur Gold geholt, sondern sogar einen Weltrekord in ihrer Altersklasse aufgestellt.

„Im Teamsprint lief wirklich alles perfekt, das war einfach nur ganz stark“, sagt der 18-Jährige, der den deutschen Bahnradsport in guten Händen sieht. „Wir sind perspektivisch extrem gut aufgestellt. Die Sportschule Cottbus wird immer wieder gute Talente hervorbringen“, ist er sich sicher.

"Mein Traum ist, die größten Rennen der Welt zu fahren"

Für die Zukunft haben die beiden Oberlausitzer große Pläne. „Mein absoluter Traum ist es, irgendwann das Leben eines Vollzeit-Profis zu führen und die größten Rennen der Welt zu fahren“, bekräftigt Gabriel Kuchinke. Dafür möchte er sich auf hohem Niveau verbessern und einen Platz in einem Kontinental-Team, der niedrigsten Stufe eines Profiteams, bekommen.

Niklas Holfeld hofft, vom Track Team Brandenburg übernommen zu werden und sich im Nationalkader zu etablieren. „ Da könnten meine Chancen nach der WM-Medaille ganz gut stehen“, sagt er. Langfristig ist er sich aber noch nicht sicher.

„Ich kann mir aber gut vorstellen, später mit dem Sport weiterzumachen. Dafür bräuchte ich einen Förderungsplatz bei der Feuerwehr oder der Bundespolizei. Auf jeden Fall möchte ich irgendwann aber unbedingt eine Familie gründen und für sie da sein, das war schon immer mein größter Traum“. Für Radsport-Nachwuchs dürfte also in jedem Fall gesorgt sein.