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Das Fazit einer Box-Legende: „Ich bin eben Ulli“

Der legendäre Boxtrainer Ulli Wegner feiert 80. Geburtstag. Im Interview spricht er über sein Leben und seine große Karriere. Und sagt, wann er so richtig heulen musste.

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Die Corona-Pandemie hat ihm den Abschied von der täglichen Arbeit vereinfacht: Box-Trainer-Legende Ulli Wegner.
Die Corona-Pandemie hat ihm den Abschied von der täglichen Arbeit vereinfacht: Box-Trainer-Legende Ulli Wegner. © BREUELBILD

Herr Wegner, Sie sind nach dem zweiten Oberschenkelhalsbruch gerade erst aus der Reha gekommen. Wie geht es Ihnen?

ch kann noch nicht richtig laufen, aber trotzdem geht es mir körperlich sehr gut, weil ich unheimlich gute Werte habe. Aber das Bein macht noch nicht mit. Da bin ich noch ziemlich unbeholfen. Mir wäre lieber, dass es schon besser gehen würde. Aber jetzt kam Ostern und der 80. Geburtstag. Den wollen wir mal ziemlich klein feiern. Ich habe keine großen Einladungen gemacht – nur zwei, drei Freunde. Aufgrund der Corona-Situation.

Wie klingt „80 Jahre Ulli Wegner“ für Sie?

Das wird wohl jedem Menschen so gehen, dass ihm das ziemlich unheimlich vorkommt. Aber ich lebe täglich mein Leben. Und beschäftige mich damit nicht. Das Einzige wäre vielleicht: Durch Corona ist mir der Abschied von dem, womit ich Erfolg hatte, vielleicht leichter gefallen, als ich es mir vorgestellt habe.1942 wurden Sie in Stettin geboren. Mitten im Zweiten Weltkrieg.1945 sind wir geflüchtet. Bei uns haben zwei Offiziere gewohnt, die haben uns ein Auto gegeben und uns in ein kleines Dorf gefahren, in dem wir untergekommen sind. Mein Vater hat eine Wirtschaft übernommen, und ich bin nach Penkun, in einer Kleinstadt, zur Schule gegangen.

Ein Händchen für Kühe sollen Sie damals gehabt haben.

Ich habe mit sechs Jahren zehn Kühe gehütet. Vier von den Nachbarn. Dafür habe ich unheimlich viel Geld gekriegt – pro Woche zwei Mark. Da konnte ich wenigstens Eis essen. Jemand hat mal „Kuhjunge“ geschrieben, aber man kann auch spannender sagen: Cowboy. Weil ich ja wirklich ein Cowboy bin. Ich liebe die Westernfilme mit John Wayne.

Sie sind einer der bekanntesten Boxtrainer der deutschen Geschichte. Warum hat Sie der Trainerjob so gereizt?

Das war mein Lebenselixier, mein Traumberuf. Wenn ich nicht Boxtrainer geworden wäre, wäre ich sicherlich auch Fußballtrainer geworden.

Sie waren bereits in der DDR als Trainer erfolgreich. Wie erging es Ihnen, nachdem die Mauer gefallen war?

Nach der Wende waren wir ja alle arbeitslos. Aufgrund einiger Funktionäre von drüben hatten vier, fünf Mann schon eine Bundestrainerstelle gekriegt. Ich hatte drei Monate keine Arbeit, und zum Arbeitsamt bin ich nicht gegangen. Meine Frau war Lehrerin, wurde nach der Wende auch übernommen und hat uns ernährt. Wie wir über die Runden gekommen sind, weiß ich heute noch nicht. Nach drei Monaten habe ich dann ein Honorargeld gekriegt. Das war toll – 1.800 Westmark. Da war ich schon König. 1991 wurde ich dann Bundestrainer und Sven Ottke Europameister. Er hatte sich zu mir bekannt.

Wie wichtig war das für Sie?

Ich habe das zuerst gar nicht so genommen, weil ich meinen Weg gegangen bin, dass das für mich das größte Geschenk des Lebens war. Und das größte Glück. Was dieser Junge mir und ich ihm zu verdanken habe, das war großartig.

Er sollte 1998 unter Ihnen Weltmeister werden. Der Sieg gegen Charles Brewer aus den USA war für sie beide ein großer Triumph.

Da haben wir einen höllischen Kampf in Düsseldorf gehabt. Das Urteil war sehr knapp, aber er hat für mich gewonnen. Damit war bestätigt, dass ich recht hatte. Dadurch, dass ich mit dem Svenni recht hatte, hatte ich eine Chance, Arthur Abraham und Marco Huck zu nehmen.

Auch Abraham und Huck haben Sie beim Sauerland-Boxstall zu Weltmeistern gemacht. Sie waren ganz oben als Trainer.

Während dieser Zeit, in der ich ziemlich erfolgreich war, hat der Herr Kohl (Boxpromoter Klaus-Peter Kohl, d. Red.) mit mir gesprochen. Ich hätte mich finanziell erheblich verbessert. Jetzt sage ich nicht, dass ich es bereue. Ich habe gesagt: „Ich werde Herrn Sauerland nie im Stich lassen.“ Und auch meine Jungs nicht. Ich möchte, dass das alle wissen.

Was war Ihr Erfolgsgeheimnis als Trainer?

Ich bin kein guter Pädagoge, ein Psychologe. Pädagogisch zu führen, würden manche sagen, da hatte ich noch Reserven. Ich gehe aus der Mitte. Das kriegen viele überhaupt nicht mit. Ich bin eben Ulli. So wie ich damals vom Fußball, den ich geliebt habe, weggegangen bin zum Boxen. Weil ich da alleine glänzen konnte. Oder eben nicht glänzen konnte.

Man hat es oder eben nicht.

Man sagt dazu Nase, einen Blick. Wie bei Fußballern. Beckenbauer hat als Trainer einen Blick gehabt. Hitzfeld, der immer Erfolg hatte, hat einen Blick gehabt. Rehhagel, wieder ein ganz anderer Typ. In Bremen war er am besten, nicht beim Bourgeois-Klub in München. Ich war in vielen Sachen für mich und viele andere ein Besonderer, anders. Ich war eben so, wie ich war.