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Akrobatischer Balanceakt: Wie ein Dresdner mit dem Einrad Weltmeister wurde

Einradfahren kannte man lange nur aus dem Zirkus. Längst ist es ein ernst zu nehmender Sport, der auch vor Bergen nicht haltmacht. Und Dresden hat mit Matteo Bianchin sogar einen zweifachen Weltmeister.

Von Michaela Widder
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Mit seinem geländefähigen Einrad ist Matteo Bianchin in der Böhmischen Schweiz unterwegs – hier beim Sonnenuntergang vor dem Rosenberg.
Mit seinem geländefähigen Einrad ist Matteo Bianchin in der Böhmischen Schweiz unterwegs – hier beim Sonnenuntergang vor dem Rosenberg. © privat

Dresden. Gute Kontakte in die Dresdner Tennis-Szene wären nicht verkehrt. Dabei spielt Matteo Bianchin gar nicht selbst. Doch für seinen Sport braucht er regelmäßig ausrangierte Tennisbälle. Seine große Leidenschaft ist das Einradhockey. Beim SV Motor Mickten spielt der 15-Jährige diese ungewöhnliche Mannschaftssportart und gehört seit diesem Jahr sogar zum Auswahlteam, dem deutschen B-Kader. Einrad fahren allein ist schon ziemlich knifflig – aber dabei auch noch Hockey spielen?

Die Sportart ähnelt dem Eishockey. Gespielt wird zwar nicht mit einem Puck, sondern mit plattgespielten Tennisbällen, die deshalb nicht mehr so hochspringen, aber mit einem Schläger auf ein Tor wie im Eishockey. Auch speziell im Einradhockey: Es sind gemischte Teams, Männer und Frauen spielen bei den Dresdner Einradlöwen zusammen. „Das finde ich richtig gut, es macht Spaß, und es ist ja auch etwas Besonderes. Es gibt auch keine Altersklassen“ , erklärt Matteo Bianchin. Einradfahren ist eine Randsportart unter den Randsportarten.„Es ist wie Rad fahren“

Vor fünf Jahren fand er durch Freunde zu dem Sport und hatte schnell Spaß an der wackligen Angelegenheit. „Wenn man es einmal kann, ist es wie Rad fahren“, meint Bianchin. Bis man das Gleichgewicht halten könne, so der Teenager, dauert es etwa acht bis zehn Stunden. Wer die Balance heraus und sein Einrad im Griff hat, der beherrscht ein multifunktionales Sportgerät.

Seit 1984 gibt es Weltmeisterschaften

Einradfahren hat längst den Dunstkreis von Zirkuskuppel und Schulprojekttagen verlassen. Seit 1984 gibt es sogar Weltmeisterschaften in dem Sport, der in Deutschland kaum wahrgenommen und so gut wie nicht gefördert wird. Bei der Unicon, so heißt die alle zwei Jahre stattfindende WM, geht es um Titel in unterschiedlichsten Disziplinen. Matteo Bianchin ist ein Multitalent auf dem akrobatischen Gefährt.

Bei der WM im französischen Grenoble gewann er im Vorjahr in zwei Kategorien und in seiner Altersklasse. Eine Stärke ist das Geländefahren. Für solche Disziplinen nutzen die Fahrer das sogenannte Muni – die Offroad-Variante, vergleichbar mit dem Mountainbike. Das M steht für Mountain und Uni für Unicycle, also Einradfahren. Dafür kommen spezielle Räder zum Einsatz, die zum Teil mit Gangschaltung und Scheibenbremse ausgestattet sind.

In der Kategorie der unter 15-Jährigen siegte Bianchin im Muni Cross Country, also querfeldein, sowie im Cyclocross. In diesem Wettbewerb werden künstliche Hindernisse auf die Strecke gebaut, die man überwinden muss. „Das Besondere an dieser Disziplin ist, dass man den Parcours fahrend und rennend absolviert“, erklärt Bianchin. Im 10-Kilometer-Rennen wurde er zudem noch Zweiter. Hinzu kamen zwei vierte Plätze im Sprint und Slalom und Rang sieben mit den Dresdner Einradlöwen beim zweitklassigen B-Turnier.

Oma Monika ist zweifache Rennsteiglauf-Siegerin

Seine Erfolge blieben in Dresden nicht unbemerkt. Bei der diesjährigen Sportjugend-ehrung gewann er den Publikumspreis. „Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut“, meint Bianchin.Auch in diesem Sommer räumte er ab. Bei den Deutschen Meisterschaften in Warendorf holte er die Titel im Slalom-Parcours und im Sprint über 200, 400 sowie 800 Meter. Dass dem Einradspezialisten sowohl die Ausdauer- als auch die Schnelligkeitsrennen liegen, ist kein Zufall. Er trainiert zusätzlich noch zweimal in der Wochen bei den Leichtathleten vom Dresdner SC. „Das bringt mir schon einige Vorteile, besonders in der Ausdauer.“

Die ganze Familie Bianchin, deren Vorfahren vor vielen Jahren aus Italien nach Deutschland eingewandert sind, ist sportlich. Sein knapp zwei Jahre älterer Bruder Louis ist Läufer beim DSC. Oma Monika gewann 1985 und 1986 den Supermarathon über 72,6 Kilometer beim Rennsteiglauf. Und Opa Roland, der dem Enkel auch Trainingspläne schreibt, schaffte es als ambitionierter Hobby-Triathlet sogar mal zur legendären Ironman-WM nach Hawaii. Sommerurlaub bedeutet bei den Bianchins deshalb Aktiv-Urlaub, egal, ob klettern, wandern oder Rad fahren. „Es ist cool, zusammen mit meinem Bruder die Alpenpässe hochzujagen“, sagt Bianchin. Noch macht er solche Touren auf zwei Rädern. Wenn er aber die Berge in der Böhmischen Schweiz hinunterrast, dann auf seinem Muni.