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Traumhaftes Finale für Tuchels Chelsea

Der FC Chelsea krönt sich zum Champions-League-Sieger. Im Duell der Taktik-Tüftler erweist sich Thomas Tuchel erneut als Spielverderber für Pep Guardiola.

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Chelseas Mannschaftskapitän Cesar Azpilicueta stemmt die Trophäe am Ende des Champions-League-Finalspiels.
Chelseas Mannschaftskapitän Cesar Azpilicueta stemmt die Trophäe am Ende des Champions-League-Finalspiels. © Pierre Philippe Marcou/Pool AFP via AP/dpa

Porto. Mit der geöffneten Champagnerflasche in der Hand stürmte Thomas Tuchel die Kabinenparty, die ihm buchstäblich die Schuhe auszog. Auf seinem vorläufigen Karriere-Gipfel tanzte der deutsche Trainer des FC Chelsea ausgelassen im Kreis, verpasste allen Anwesenden eine Alkoholdusche und ließ seinen Profis zum Feiern die grauen Sneaker da. Wie "in einem Film" fühle sich der große Abend des Triumphs in der Champions League an, sagte Tuchel, der sichtlich bewegt jeden Moment genoss und sein ganzes Glück mit seiner Familie teilen wollte.

"Wenn ich darüber nachdenke, fange ich an zu weinen. Ich weiß, wie sehr die sich freuen, für die ist es jetzt", sagte der 47-Jährige am Samstagabend nach dem 1:0 durch den Siegtreffer von Kai Havertz im Finale von Porto gegen Manchester City. Seine Eltern, Frau Sissi und die beiden Töchter erlebten im Estádio do Dragão mit, wie Tuchel seinen ersten internationalen Titel als Trainer eroberte. "Das ist das Schönste, ehrlich gesagt", schwärmte der Chelsea-Coach, der mit seinen Töchtern an der Hand die ersten Momente nach der Siegerehrung erlebt hatte.

Es war ein Meisterstück, nicht weniger. Im Vorjahr war Tuchel noch mit Paris Saint-Germain bitter am FC Bayern gescheitert. Den Job in Paris hatte er kurz vor Heiligabend verloren, ein halbes Jahr später führte er Chelsea auf Europas Fußball-Thron. Nach Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool 2019 und Münchens Hansi Flick 2020 ist er der dritte deutsche Siegertrainer in der Champions League nacheinander. "Einen sehr großen Anteil" habe Tuchel am Aufschwung der "Blues", versicherte Abwehrspieler Antonio Rüdiger heiser vom Jubel.

Chelseas Trainer Thomas Tuchel küsst die Trophäe
Chelseas Trainer Thomas Tuchel küsst die Trophäe © Susana Vera/Pool Reuters via AP/dpa

Als Tabellenneunter der Premier League hatte Tuchel Chelsea Ende Januar übernommen und bis zum Saisonende noch auf Platz vier gehievt. Das FA-Cup-Finale gegen Leicester City verloren die Londoner zwar, doch im größten Spiel der Saison waren sie die Gewinner. "Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung", sagte Siegtorschütze Havertz am Sky-Mikrofon. Schließlich habe er schon als Mini-Kicker mit seinen Freunden die Tore früherer Champions-League-Finals nachgespielt.

Mit herausgestreckter Zunge hatte der 21-Jährige seinen entscheidenden Treffer in der 42. Minute gefeiert, es war sein erstes Tor in Europas wichtigstem Club-Wettbewerb. "Es ist ein unfassbares Gefühl", bekannte Havertz später, nachdem er den Henkelpott gestreichelt hatte. Für mehr als 130 Millionen Euro hatte Chelsea ihn und Nationalmannschaftskollege Timo Werner vor dieser Saison verpflichtet. "Deswegen sind wir hergekommen, deswegen wurden wir gekauft", sagte Werner nach dem Finalsieg.

Für Tuchels Chelsea war es im dritten Pflichtspiel gegen den Meister aus Manchester der dritte Erfolg. "Wir haben es gestern gefühlt, wir haben es vorgestern gefühlt. Wir sind der Stein im Schuh von Man City", sagte Tuchel. Sein erster Weg nach dem Titelgewinn führte ihn zu City-Coach Pep Guardiola, den er verehrt und mit dem er einst in einem Münchner Restaurant mit Salz- und Pfefferstreuern stundenlang über Taktik debattiert hatte.

Auch mit dem mächtigen Club-Boss Roman Abramowitsch unterhielt sich der 47-Jährige noch auf dem Rasen. Weitere Gespräche sollen folgen, auch über einen längerfristigen Vertrag. Der noch aktuelle läuft zunächst bis 2022. "Ich bin nicht zu 100 Prozent sicher, vielleicht habe ich bereits einen neuen Vertrag, mein Manager hat da was gesagt", sagte Tuchel bestens aufgelegt während der Pressekonferenz. "Ich denke, das war der besten Moment für ein erstes Treffen. Von jetzt kann es ja nur schlechter werden." Er könne versichern, dass "ich hungrig bleibe und den nächsten Titel will."

Und Guardiola? Der Spanier wartet weiter auf seinen dritten Titel in der Königsklasse, der bislang letzte mit dem FC Barcelona liegt zehn Jahre zurück. In Porto schien der Ausnahmetrainer zu verkopft. Wieder einmal. Vielleicht wegen seines Respekts vor Tüftler Tuchel hatte er im ersten Champions-League-Endspiel für Man City eine Formation gewählt, die sich als falsch erweisen sollte. "Ich weiß nicht, wem er wieder was beweisen wollte. Auch so ein Trainer sollte mal lernen: Schuster, bleib bei deinen Leisten", monierte Sky-Experte Lothar Matthäus.

Pep Guardiola wartet weiter auf seinen dritten Titel in der Königsklasse
Pep Guardiola wartet weiter auf seinen dritten Titel in der Königsklasse © Susana Vera/Pool Reuters/AP/dpa

Statt die zuletzt in der Liga so erfolgreiche Taktik einzusetzen, mit der die Defensive gestärkt und Ilkay Gündogan zur zentralen Figur wurde, verunsicherte Guardiola sein Team mit neuen Stilelementen. "Ich wollte mit dieser Aufstellung auf jeden Fall das Spiel gewinnen, die Spieler wussten genau, was sie zu tun hatten", beteuerte der Spanier. Doch sein Team wirkte von Guardiolas Ideen überfordert, hatte kaum eine echte Torchance. "Uns hat die Inspiration gefehlt", räumte Guardiola ein.

Während Chelsea-Mäzen Abramowitsch nach dem Triumph von München 2012 zum zweiten Mal die Champions League auf der Habenseite verbuchen kann, bleibt dem aus Abu Dhabi alimentierten Milliarden-Projekt Manchester City weiter die Krönung versagt. "Wir werden zurückkommen", versicherte Guardiola trotzig. In Großbritannien urteilte der Sender Sky Sports: "Der vermeintliche Überdenker hat jetzt einen Sommer, um darauf herumzukauen." (dpa)