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Dynamo feiert Befreiungsschlag in einem völlig verrückten Spiel

Neun Tore, zwei Elfmeter, zwei Unterbrechungen, ein Eigentor und ein Platzverweis - der 7:2-Sieg von Dynamo Dresden gegen den VfB Lübeck bleibt in Erinnerung. Die Analyse mit Stimmen und Reaktionen.

Von Daniel Klein
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Auch eine Szene, die das völlig verrückte Spiel beschreibt: Kevin Broll beißt nach einer vereitelten Großchance der Lübecker in den Ball.
Auch eine Szene, die das völlig verrückte Spiel beschreibt: Kevin Broll beißt nach einer vereitelten Großchance der Lübecker in den Ball. © dpa/Robert Michael

Dresden. Nach Dynamos drei Niederlagen in den vergangenen vier Spielen war mit solch einer Dramaturgie absolut nicht zu rechnen. Beim 7:2 gegen den VfB Lübeck feiern die Dresdner den höchsten Saisonsieg und den ersten Heimerfolg im eigenen Stadion in diesem Jahr. Die Aufreger in diesem Duell hätten für mehrere Partien gereicht - einige waren kurios, einige überflüssig.

Warum schoss Dynamo plötzlich so viele Tore?

Sieben Treffer und damit mehr als in den fünf Partien davor zusammen - es lief einfach alles für Dynamo. In den ersten 30 Minuten schossen die Dresdner dreimal aufs Tor, dreimal war der Ball drin. Das frühe 1:0 durch Niklas Hauptmann stand dabei symptomatisch für diesen denkwürdigen Nachmittag: Kyu-Hyun Park schoss bei einem Flankenversuch Niklas Hauptmann ins Gesicht, von dort trudelt der Ball ins Tor. "Da konnte ich nichts dafür, musste mich erstmal schütteln. Als es laut wurde, wusste ich, dass es ein Tor war", erklärte Hauptmann. Beim 5:1 traf er dann den Lübecker Verteidiger Tommy Grupe im Gesicht, der Ball veränderte seine Flugbahn und Torwart Philipp Klewin hatte keine Chance. Beim 6:2 rutschte Grupe dann in eine Eingabe und lenkte die ebenfalls ins eigene Tor.

"Wir haben alles mitgenommen, was man nicht mitnehmen sollte, wenn man hier einen Punkt mitnehmen will", fasste Florian Schnorrenberg, der Trainer der abstiegsbedrohten Lübecker, die Partie treffend zusammen. Die Eigentore waren nicht das einzige Unheil, was über den Tabellen-18. hereinbrach. Hinzu kam noch ein Platzverweis und ein verschossener Elfmeter.

Warum spielte Lübeck mehr als eine Halbzeit zu Zehnt?

Diese Frage kann wohl nur das Schiedsrichtergespann beantworten. Der Unparteiische Wolfgang Haslberger zeigte VfB-Verteidiger Jannik Löhden in der 40. Minute nach einem harmlosen Duell mit Stefan Kutschke zur Überraschung aller Rot. Warum, das konnten auch die Fernsehbilder nicht klären. Löhden stellte nach dem Luftzweikampf kurz das Bein raus, Dynamos Kapitän stolperte theatralisch drüber. Ein Treten war nicht zu erkennen und damit auch keine Tätlichkeit. "Es war keine Rote Karte", legte sich Schnorrenberg fest. "Vielleicht haben wir deshalb danach noch zwei Elfmeter bekommen." Dabei war der erste, als Park den durch den Strafraum dribbelnden Marius Hauptmann unsanft vom Ball trennte, ein klarer Strafstoß. Doch Pingdwinde Beleme traf lediglich den Pfosten. Der zweite Elfmeter-Pfiff war strittig. Diesmal klammerte Dynamos Verteidiger Claudio Kammerknecht seinen Gegenspieler Jan-Marc Schneider, nun traf Aaron Herzog zum 5:2. Weder der Platzverweis noch die beiden Elfmeter waren jedoch entscheidend für den Ausgang der Partie.

Was hat Dynamo diesmal anders und besser gemacht?

Die Startelf hatte Trainer Markus Anfang gegenüber der 1:2-Niederlage in Ingolstadt lediglich auf einer Position verändert: Kyu-Hyun Park rückte als Linksverteidiger zum ersten Mal seit Mitte November in die Startelf, ersetzte dort Jonathan Meier, der in den beiden vergangenen Partien mit Fehlern mehrere Gegentreffer verursacht hatte. Entscheidender war: Die Offensive agierte diesmal deutlich schnörkelloser und entschlossener als zuletzt, als selbst ein deutliches Chancenplus nicht für Punkte reichte. "Wir haben das Glück ein bisschen erzwungen, weil wir häufig in den Strafraum kamen, viele Abschlüsse hatten", fand Niklas Hauptmann, dessen jüngerer Bruder Marius mit einem platzierten Flachschuss das zwischenzeitliche 1:3 erzielt hatte. "Wahrscheinlich haben wir schon bessere Spiele gemacht, die dann verloren gingen. Lübeck hat uns aber auch den Raum gegeben, den wir sonst selten kriegen."

Anfang erklärte, dass seine Mannschaft es anders angegangen sei als in den vergangenen Wochen. "Wir haben den Gegner auch mal kommen lassen und bekamen dadurch viele Umschaltmomente." Dynamo konterte im eigenen Stadion, und so fiel auch das mustergültig herausgespielte 3:0. Die Dresdner profitierten davon, dass die Gäste nie aufgaben und selbst bei aussichtslosem Rückstand nach vorne spielten. Dadurch bekamen die Schwarz-Gelben Platz. "Unsere Abwehrleistung war desolat", monierte Lübecks Trainer Schnorrenberg, meinte damit aber nicht nur die letzte Reihe.

Auffällig zudem: Dynamo schoss mal wieder ein Standardtor, zuletzt eine große Schwäche. Allerdings war der direkt verwandelte Freistoß von Luca Herrmann aus 21 Metern ins Dreiangel zum 2:0 durchaus haltbar.

Warum wurde die Partie zweimal unterbrochen?

Bereits der Anstoß hatte sich um 15 Minuten verzögert. Die Polizei hatte Fanbusse der Lübecker bei der Anreise angehalten und kontrolliert - und das offenbar sehr gründlich. Ein Großteil der Anhänger kam trotzdem nicht pünktlich am Stadion an. In der 54. Minute stürmten etwa 300 Lübecker Fans in den Gästeblock und zündete eine Rakete, die über dem Spielfeld explodierte. Der Schiedsrichter unterbrach die Partie für etwa zwei Minuten. Gerade als er die Partie wieder anpfiff, knallte es erneut. Wieder gab es eine Pause. Danach beruhigte sich die Lage.

Welche Folgen hat Dynamos höchster Saisonsieg?

Er war vor allem wichtig für die Stimmung - in der Mannschaft und im Umfeld von Dynamo. Hätte die Mannschaft erneut nicht gepunktet, wäre sie mit drei Niederlagen in Folge zum Derby nach Aue gefahren. Und es war der erste Heimsieg in diesem Jahr. "Ich bin froh, dass wir die Zuschauer endlich mal wieder zufrieden nach Hause schicken konnten", meinte Anfang. "Wobei ich die Tore gerne auf die vergangenen Spiele aufgeteilt hätte." Auch Niklas Hauptmann fand, dass "das Erfolgserlebnis wichtig war".

In der Tabelle blieb der Abstand auf den Relegationsrang mit fünf Punkten konstant, weil der SSV Ulm mit 3:1 gegen Mannheim gewann. Allerdings schmolz der Rückstand auf Spitzenreiter Regensburg auf drei Zähler. Die Bayern verloren gegen Rot-Weiss Essen 1:3.

Der Liveticker zum Nachlesen
Die Dynamo-Spieler in der Einzelkritik