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Warum Dynamos Weltenbummler mal eben 30 Stunden im Flugzeug sitzt

Claudio Kammerknecht möchte sein Debüt in der Nationalelf von Sri Lanka feiern. Dafür nimmt der Verteidiger von Dynamo Dresden eine sehr strapaziöse Reise in Kauf - und verpasst ein Pokalspiel.

Von Daniel Klein
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Claudio Kammerknecht freut sich auf sein erstes Länderspiel für Sri Lanka.
Claudio Kammerknecht freut sich auf sein erstes Länderspiel für Sri Lanka. © dpa/PA/Robert Michael

Es ist eine ganz besondere Premiere, die Claudio Kammerknecht am Freitag – sehr wahrscheinlich – feiern wird: Das erste Mal läuft Dynamos Verteidiger für sein Heimatland Sri Lanka auf. Gegner im Sugathadasa-Stadion in der Hauptstadt Colombo ist Papua-Neuguinea. Die Paarung klingt nicht nach großer Fußballbühne, das weiß Kammerknecht natürlich. Trotzdem sei da "auch ein gewisser Stolz dabei", sagt der 24-Jährige, der im Breisgau aufgewachsen ist und dessen Mutter aus Sri Lanka stammt.

"Ich freue mich, mal wieder in meine zweite Heimat zu kommen und meine Familie zu sehen. Ich war das letzte Mal im Winter dort, davor fünf Jahre gar nicht", erzählt der 24-Jährige, der bei den Schwarz-Gelben in dieser Saison seinen Stammplatz auf der rechten Seite der Abwehrkette gefunden hat. Der achttägige Trip in den Inselstaat südlich von Indien ist mit einigem Aufwand verbunden.

Am Montag brach Kammerknecht zu einem 15-stündigen Flug mit Zwischenstopp in Katar auf, am kommenden Dienstag wird er in Dresden zurückerwartet. Am Tag davor ist im Rahmen eines Vier-Nationen-Turniers das Testspiel gegen Bhutan geplant, die Nummer 204 der Fifa-Weltrangliste trifft dann auf die Nummer 184. Die Nationalelf von Sri Lanka, die bis 1972 unter dem Namen Ceylon antrat, konnte sich noch nie für eine WM-Endrunde oder eine Asienmeisterschaft qualifizieren.

Da stellt sich die Frage, warum sich der Dynamo-Profi diesen Stress antut – und das kurz vor dem Saisonfinale, bei dem Dynamo den Aufstieg in die 2. Bundesliga feiern möchte.

"Ich habe mit dem Trainer gesprochen. Wenn ein Meisterschaftsspiel angestanden hätte, hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht", sagt Kammerknecht. "Ich weiß schon, dass ich hier nicht bei einem Freizeitverein bin." Die strapaziöse Reise ins 8.000 Kilometer entfernten Colombo tritt er nur an, weil die Dresdner in der Länderspielpause am Sonntag im Sachsenpokal-Viertelfinale beim Fünftligisten VFC Plauen auflaufen.

Die Partie hat für Dynamo, sollte in der Meisterschaft nicht noch Außergewöhnliches passieren, sportlich kaum eine Relevanz, da sich die am Saisonende besten fünf Drittligisten ohnehin für die erste Runde im DFB-Pokal qualifizieren.

Bei der Partie gegen den Oberligisten kann Trainer Markus Anfang also problemlos auf Kammerknecht verzichten, bei der Auswärtspartie eine Woche später gegen Verfolger Preußen Münster sieht das dagegen anders aus. Angesichts des langwierigen Fluges und des Fünf-Stunden-Zeitunterschiedes sieht der Trainer mit gemischten Gefühlen auf die ungewöhnliche Reise seines Rechtsverteidigers. "Er hat mich gefragt, ob er die Einladung annehmen darf. Aber da gibt es gar keine Diskussion, die Vereine haben eine Abstellungspflicht. Wir geben ihm die Möglichkeit, er soll die Erfahrung machen und das mitnehmen", so Anfang.

Für Kammerknecht ist es der zweite Ausflug zur Auswahl, im September 2022 nahm er an einem Lehrgang teil, da stand allerdings kein Länderspiel auf dem Programm. Seine Nebenleute kennt er also. Einige würden bei Klubs in der ersten australischen Liga kicken, andere in der dritten und vierten Liga in England. "Das Niveau ist besser, als ich dachte", findet er. Singhalesisch könne er "ein bisschen", die Verständigung läuft aber auf Englisch, da der Trainer Andy Morrison ein Schotte ist.

"In Sri Lanka ist der Spalt zwischen Arm und Reich sehr groß", sagt Kammerknecht, dessen Schwester Linda Rose 2018 zur Miss Sri Lanka gewählt wurde, und er betont: "Es ist ein wunderschönes Land. Es gibt sehr viel schöne Orte und auch sehr schöne Strände. Man kann dort sehr viel machen."

Fußballerisch ist der Inselstaat im Indischen Ozean, wo Cricket die Sportart Nummer eins ist, weiter ein Entwicklungsland, auch wenn die Bemühungen zu einer Professionalisierung intensiviert wurden.

Der einzige Vergleich gegen eine deutsche Auswahl liegt lange zurück: 1964 gewann die DDR in Colombo mit 12:1. Kammerknecht freut sich auf sein Debüt. "Es tut gut, dass man mal etwas anderes sieht, die Abläufe andere sind. Aber ich weiß schon: Es ist etwas Verrücktes."