Dynamo-Geschäftsführer nach Herzinfarkt wieder im Dienst

Dresden. Auf der Intensivstation kommt er ins Grübeln. Ist der Job bei Dynamo Dresden für ihn noch der richtige? Eigentlich gibt es keinen Zweifel. Wegen des Vereins ist Jürgen Wehlend im Januar 2021 in seine Heimatstadt Dresden zurückgekehrt, mit viel Tatkraft, großer Leidenschaft und Arbeitszeiten, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen. Für einen Geschäftsführer ist das gar nicht unüblich, als Führungskraft im Profifußball eher die Regel und bei Dynamo, wo der emotionale Ausnahmezustand zum Alltag gehört, schon normal. So sieht Wehlend das.
Ein Herzinfarkt aber verändert die Perspektive. „Wenn du auf der Intensivstation liegst und kein Auge zumachen kannst, da geht dir das eine oder andere durch den Kopf“, sagt Wehlend. Natürlich hat er auch darüber nachgedacht, als kaufmännischer Geschäftsführer bei Dynamo aufzuhören. „Doch das hat sich ganz schnell erledigt“, betont der 56-Jährige. Mit einem anderen Bewusstsein sei er im Krankenhaus aufgewacht. „Und komischerweise fühlt man sich nachher besser als vorher, wacher, frischer. Es ist wie so ein kleiner Re-Start“, meint Wehlend.
Notärztin rettete Wehlend das Leben
Gut sieht er aus bei seinem ersten öffentlichen Termin nach dem Infarkt, erholt und entschlossen. „Ich habe mich bewusst für den Job hier entschieden“, sagt Wehlend, und dann erzählt er von einem Vereinsmitarbeiter, der außer den Genesungswünschen noch etwas loswerden wollte. Man wisse ja, dass Dynamo für den Chef eine Herzensangelegenheit sei, aber er solle das doch bitte nicht so wörtlich nehmen.
Wehlend kann die Anekdote mit einem Schmunzeln erzählen, denn, das bekräftigt er mehrfach, es gehe ihm wieder sehr gut. Was am 1. März passiert ist, also der Herzinfarkt während einer Videokonferenz, sei ein großer Schreck gewesen. Dank der Hilfe einer Rettungssanitäterin sowie der Notärztin, die den Ernst der Lage sofort erkannten, konnte Schlimmeres verhindert werden. Im Herzzentrum der Uniklinik Dresden ist dann schließlich ein Blutgerinnsel entfernt worden, „das sich bei mir in einer der drei Benzinleitungen festgesetzt hat. Das konnte man reparieren“.
Der Vergleich mit dem Auto zieht sich durch Wehlends medizinische Erklärungen. „Bei der Gelegenheit wurden mit der Drahtbürste auch gleich die Benzinleitungen gesäubert, sodass ich jetzt schon wieder bei 95 Prozent der optimalen Herzleistung bin“, sagt er.
Normalerweise dauert es bei Infarkt-Patienten ungefähr drei Monate, bis sie wieder arbeitsfähig sind. Wehlend ist nach nicht mal zwei Monaten zurück. Es sei wichtig, meint er, gerade jetzt in dieser entscheidenden Phase wieder an Bord zu kommen.
Wehlend macht jetzt Yoga
Und hätte er das Katz-und-Maus-Spiel mit Corona, so sagt Wehlend das, in der Rehaklinik in Bad Gottleuba nicht verloren, er wäre schon am 1. April beim Heimspiel gegen Schalke 04 wieder im Stadion gewesen. Nach der Quarantäne musste er aber die Therapie für zwei Wochen aussetzen, so sind die Regeln, was seinen ehrgeizigen Zeitplan komplett durcheinanderbrachte. Mit den Ärzten hat er deshalb ausgehandelt, statt der stationären Reha ein ambulantes Programm zu absolvieren.
Was das bedeutet? Herz-Kreislauf-Training, Yoga, viel Bewegung – und auch die Gefahr, zu schnell wieder in den alten Trott zu geraten mit Arbeitstagen, die morgens halb acht im Büro beginnen und bei Geschäftsessen um zehn Uhr abends zu Ende gehen.
„Ja, die Gefahr besteht“, sagt Wehlend. Dagegen setzt er selbstverordnete Achtsamkeit und „ein tolles Team um mich herum“. Dazu zählt unter anderem Thomas Pröckl, früherer Finanzvorstand bei Eintracht Frankfurt, als Interimsunterstützung in der Geschäftsstelle. Die Reha wolle er jedenfalls sehr ernst nehmen, betont Wehlend. „Es geht darum, leistungsfähig zu bleiben. Das hat auch etwas mit Verantwortung gegenüber sich selbst, seiner Familie und Dynamo Dresden zu tun.“
Im Mai hat Wehlend ein Stress-MRT fürs Herz
Acht Wochen noch muss er das Programm abspulen, um wieder auf hundert Prozent Herzleistung zu kommen. „Alle anderen Werte sind völlig okay, insofern ist überhaupt nicht damit zu rechnen, dass noch irgendetwas am Motor passieren könnte“, sagt Wehlend. Im Mai stehe dann ein TÜV-Termin an, ein sogenanntes Stress-MRT fürs Herz. Das sei der Abschluss und damit dann hoffentlich endgültig Gewissheit, dass wieder alles in Ordnung ist.
Nach seiner Rückkehr gehe es nun erst einmal darum, „Gegenwartsklarheit zu bekommen, was in den letzten acht Wochen passiert ist“. Und tatsächlich ist einiges aufgelaufen: Pyro-Zwist mit der aktiven Fanszene, Vorwürfe vonseiten der Polizei und nicht zuletzt der sportliche Abwärtstrend, der bei einem Abstieg in die 3. Liga auch finanzielle Konsequenzen hat.
„Das ist jetzt eine intensive Zeit. Doch was immer passiert, es wird uns nicht umwerfen“, sagt Wehlend. Er meint das bezogen auf den Abstiegskampf und stellt dabei fest, dass es Dynamo nicht gelungen sei, Leistung über die gesamte Saison zu organisieren. „Diese Dinge müssen aufgearbeitet werden, ganz egal, wie die Saison ausgeht“, sagt er.
Wehlend widerspricht Vorwürfen der Polizei
Die Presserunde im Trainingszentrum nutzt Wehlend bewusst auch für unmissverständliche Ansagen über das Sportliche hinaus. Mit der Stadt stehen wegweisende Gespräche an über die Stadionverträge, mit der Polizei zur weiteren Aufarbeitung der Randale rund ums Aufstiegsspiel am 16. Mai 2021 sowie den Pyro-Vorfällen bei den Heimspielen zuletzt. „Das steht ganz oben auf meiner Agenda“, sagt Wehlend, und er betont: „Wichtig ist, miteinander zu reden, statt übereinander.“
Die Polizei hatte Dynamo kürzlich erhebliche Sicherheitsdefizite vorgeworfen und erklärt, dass es in Abwesenheit des Geschäftsführers zum einen im Verein keinen Ansprechpartner gebe, zum anderen im Stadion wieder vermehrt Pyrotechnik gezündet werde. Dem widersprach Wehlend. Reden über jene Vorfälle will er zeitnah aber auch mit Dynamos aktiver Fanszene, allen voran den Ultras.
Zurücknehmen oder gar kürzertreten, das wird klar und steht für ihn ohnehin fest, werde er sich nicht. Diese gut gemeinten Ratschläge, die doch auch Schläge seien von Freunden und Bekannten, sind nicht nötig. „Wenn du dich im Profifußball engagierst und bei Dynamo Dresden insbesondere, musst du das mit hundert Prozent machen. Weniger geht nicht, und mehr“, das weiß er jetzt genau, „geht auch nicht, normalerweise.“ Er lebe jetzt bewusster und achte auf gesunde Ernährung. Dynamo aber, das ist auch zu sehen, bleibt für Wehlend eine Sache des Herzens.