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Dresdens stärkstes Mädchen und ihr schweres Problem

Magdalena Neundorf holt für die Gewichtheber-Sparte des DSC den größten Erfolg seit der Wende. Doch der 14-Jährigen steht das Fördersystem im Weg.

Von Alexander Hiller
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Magdalena Neundorf führt die etwa 20-köpfige Nachwuchsgruppe der DSC-Gewichtheber an. Die Hälfte davon sind Mädchen.
Magdalena Neundorf führt die etwa 20-köpfige Nachwuchsgruppe der DSC-Gewichtheber an. Die Hälfte davon sind Mädchen. © Foto: SZ/Veit Hengst

Dresden. Ihr Meisterstück hakt Magdalena Neundorf mit einem Schulterzucken und einem verschämten Lächeln ab. Sie hat ja nur ihr Bestes gegeben. Die 14-Jährige holte für die Abteilung Gewichtheben des Mehrspartenvereins Dresdner SC den ersten deutschen Nachwuchstitel überhaupt nach der deutschen Wiedervereinigung.

In der Altersklasse 14 bewältigte sie52 Kilogramm im Reißen und beachtliche 70 Kilo im Stoßen und war damit besser als jede andere Starterin. Dass ihr damit für den Verein ein bislang einzigartiges Kunststück gelungen ist, nimmt die Achtklässlerin allenfalls als Randnotiz wahr. „Ich gehe einfach hin und setze meine Trainingsleistung um. Die Meisterschaft war für mich eher wie jeder andere Wettkampf“, sagt sie und reibt verlegen über die kleinen Schwielen an ihren Händen.

Das Talent wird in der Grundschule gesichtet

Ihr Trainer Frank Mavius hat Magdalena Neundorf als Drittklässlerin in der 16. Grundschule gesichtet, mit der die DSC-Abteilung eine Kooperation unterhält. Neundorf nahm als eine der wenigen aus der 3. und 4. Klasse die Einladung zum Probetraining an. „Ich hatte Zeit und bin hingegangen. Zu dem Probetraining sind nicht viele erschienen, aber mir hat das sofort Spaß gemacht“, erklärt sie.

Fünf Jahre später ist Neundorf das Aushängeschild eines Projektes, das 2017 drei angehende Rentner beim Dresdner SC ins Rollen brachten. Neben Frank Mavius gehören Michael Henning (68), Olympiavierter 1980 in Moskau, und die ehemalige Weltklasse-Sprinterin Gabriele Löwe, die in wenige Tagen 65 wird, dazu. „Wir haben beschlossen: Wir gehen im Ruhestand nicht nur in den Biergarten, sondern versuchen, mit Kindern noch mal durchzustarten“, sagt Mavius.

Daraus ist eine leistungsfähige knapp 20-köpfige Trainingsgruppe aus Jungen und Mädchen geworden – mit Neundorf an der Spitze. „Sie ist wissbegierig, schaut immer, was andere so machen. Und sie ist sehr temperamentvoll – mit allen Facetten“, erklärt der Übungsleiter vielsagend und schmunzelnd.

Trainer Frank Mavius ist stolz auf seinen Schützling Magdalena Neundorf. Die 14-Jährige holt aus eingeschränkten Möglichkeiten das Optimum heraus.
Trainer Frank Mavius ist stolz auf seinen Schützling Magdalena Neundorf. Die 14-Jährige holt aus eingeschränkten Möglichkeiten das Optimum heraus. © Foto: SZ/Veit Hengst

Bei ihrem ersten Medientermin lässt sich dieses Temperament beim vermeintlich stärksten Mädchen Dresdens nur erahnen. Ob sie im Gewichtheben Träume von Starts bei großen internationalen Meisterschaften verfolgt, dessen ist sich das 1,60 Meter große Talent noch nicht bewusst. „Ich mag keine Veränderungen. Deshalb denke ich nicht so oft darüber nach, was passieren könnte“, sagt sie.

Denn auf ihrem weiteren sportlichen Weg stehen auch Hindernisse. In der Theorie müsste Magdalena Neundorf so schnell wie möglich an den sächsischen Bundesstützpunkt nach Chemnitz wechseln, weil sie dort optimal gefördert werden könnte. In Dresden stößt sie mit drei Trainingseinheiten bei ehrenamtlichen Übungsleitern pro Woche an ihre Grenzen. „Leider ist unsere Sportart nicht am Dresdner Sportschulzentrum vertreten und auch eine Sonderregelung war bislang nicht möglich. Das ist nicht nachvollziehbar für uns“, erklärt ihr Trainer.

"Wird möglicherweise ein Talent für Sachsen aufgegeben"

Das Problem: Am Sportgymnasium Chemnitz wird nur Französisch als zweite Fremdsprache angeboten, Neundorf aber lernt an ihrem normalen Dresdner Gymnasium Spanisch und will auch dabei bleiben. „Da gibt es derzeit keine Lösungsmöglichkeiten, da wird möglicherweise ein Talent für Sachsen aufgegeben. Was Magdalena neben dem normalen Schulbetrieb jetzt leistet, ist große Klasse, darauf kann sie stolz sein, wir sind es auch“, sagt Mavius.

Aber bleibt der Status quo erhalten, wird die Goldmedaille von der deutschen Meisterschaft, die Neundorf wie alle anderen an die Heizung in ihrem Zimmer hängt, die wertvollste Plakette in ihrer Sammlung bleiben. „Sie ist so gut und entwicklungsfähig, dass sie das Niveau in ihrer Alters- und Gewichtsklasse mitbestimmen kann“, sagt Mavius und mahnt: „Aber sie müsste logischerweise viel mehr und bessere Trainingsmöglichkeiten haben.“