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Wieso es eine Oberlausitzerin nach Afrika zieht

Erna Thiemann aus Löbau hat ihr letztes Spiel für lange Zeit für den Görlitzer HC gespielt. Jetzt traut sie sich nach Ghana.

Von Frank Thümmler
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Erna Thiemann bei einem Spiel für die Görls am vergangenen Sonnabend: immer den Überblick behaltend.
Erna Thiemann bei einem Spiel für die Görls am vergangenen Sonnabend: immer den Überblick behaltend. © Hans-Ernst Friedrich

Görlitz. Kaum hat sich Erna Thiemann den einen sportlichen Traum erfüllt, wagt sie sich an einen anderen. Die 18-jährige Löbauerin steigt am Samstag in den Flieger nach Ghana. Dort wird die frische Abiturientin ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, an einer Schule sportliche Arbeitsgemeinschaften anbieten, um so zu helfen, Kinder besser an die Schule und damit ans Lernen zu binden. Die Geschichte, die dahinter steckt, hat es in sich.

Erna Thiemann, aus einer Großfamilie mit fünf Geschwistern, hat sich in der Schule immer durchgesetzt, am Ende das Abitur mit einem Notenschnitt von 1,6 abgelegt. Wer denkt, dass das nur mit totaler Konzentration auf die Schule geht, liegt in ihrem Fall falsch. Sie spielte lange Fußball, als das wegen fehlender Mitspielerinnen in Ebersbach nicht mehr ging, wechselte sie zum Handball nach Neugersdorf, eigentlich etwas spät als Quereinsteigerin. Aber sie lernte schnell.

Es dauerte nicht lange, da gehörte sie zu den besten Spielerinnen ihrer Neugersdorfer Mannschaft. Dann lockte das „große“ Görlitz, das ihre Mannschaft im Nachwuchsbereich so klar beherrschte. „Dort spielte auch die Schwester meines besten Freundes. Das Niveau ist noch mal ein ganz anderes, die Ausbildung wirklich top. Als ich ankam, war ich auf einmal die Schlechteste im ganzen Team“, sagt Erna Thiemann. Sich einschüchtern lassen oder gar aufgeben ist bei Thiemanns aber keine Option. Erna biss sich rein und fasste immer mehr Fuß, lernte auch in Görlitz, sich durchzusetzen.

Im Zug fürs Abitur gelernt

Wie geht das aber als jugendliche Schülerin am Löbauer Gymnasium? Ihre Mutter, selbst Grundschullehrerin, steht voll hinter der Handballkarriere ihrer Tochter. Auch die etwas jüngere Schwester Frieda (vielleicht das noch größere Handballtalent) spielt in Görlitz. Zugpläne wurden gewälzt, Fahrten organisiert. Und gelernt wurde eben eisern im Zug mit einem eigens ausgetüftelten Karteikartensystem.

Jetzt hat Erna das Abitur in der Tasche, beim Handball bereits in der vergangenen Saison (noch bei Koweg) am Oberligateam geschnuppert und stünde jetzt auch im Kader der Görls unter Trainer Jörg Adam, der über sie sagt: „Das ist eine ganz intelligente Spielerin. Sie setzt immer genau das um, was man ihr mit auf den Weg gibt. Als so zierliche Spielerin könnte man meinen, dass sie Probleme hat, sich durchzusetzen. Dem ist aber nicht so“.

Als sie am vergangenen Sonnabend früh ins Spiel musste, weil eine andere Spielerin Rot-gefährdet war, erfüllte sie sofort ihre Aufgabe im linken Rückraum und erzielte auch ein Tor. Aber gerade jetzt ist Erna Thiemann auch schon wieder weg.

Wie kommt eine junge Frau darauf, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ghana zu absolvieren? „Meine Familie hat mich schon im vergangenen Jahr genervt, was ich nun nach dem Abitur mache. Irgendwann habe ich bei Instagram die Seite von kultur-live.de gefunden. Die Idee hat mich sofort gepackt“, erzählt Erna.

Ihre Schule (stepping stones academy) bietet neben dem Unterricht vom Kindergartenalter an auch viele außerschulische Aktivitäten an. Die freiwilligen Helfer wie Erna helfen der Schule bei Baumaßnahmen, beim Unterrichten und bei der Hausarbeit, lesen mit Kindern und trainieren zum Beispiel Sportteams. „Die Schule hat ein Mädchen-Fußballteam. Wenn es das nicht wird, könnte es auch Handball werden“, sagt Erna Thiemann, die auch um Unterstützung für diese Schule und ihre Freiwilligen-Tätigkeit wirbt.

Nach Ghana folgt ein Studium

Ihre Familie hat die Ghana-Idee übrigens viel entspannter aufgenommen, als man es erwarten würde. „Meine Mutter und mein Bruder waren selbst für ein Jahr zum Schüleraustausch in den USA. Und heutzutage kann man ja gut in Verbindung bleiben. In Ghana ist das Internet wohl besser als hier, ich wohne bei einer Gastfamilie. Und auch wenn der Lebensstandart niedriger ist als hier, ich freue mich auf die Zeit“.

Im kommenden August wird die Löbauerin zurückkehren. Dass sie aber wieder Handball in Görlitz spielt, ist eher unwahrscheinlich. Mit dem Herbstsemester will Erna Thiemann ein Studium beginnen. Der aktuelle Favorit heißt Maschinenbau. Aber das könne sich noch ändern. Auf jeden Fall will sie in eine Großstadt, sagt sie. Und wenn sie sich das in den Kopf gesetzt hat ...

Wer Erna Thiemann und ihre Schule unterstützen will: KulturLife gGmbH, IBAN: DE84 2105 0170 0092 0137 21,Spendenzweck: Spenderkreis 2021/29754.