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Wie künstliche Intelligenz den Sport verändert

Chance oder Risiko? Auch der Sport geht mit KI in die Zukunft, noch viel größere Datenmengen können nun bearbeitet werden. Den Faktor Mensch kann das aber bislang nicht ersetzen.

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Wollen mit künstlicher Intelligenz das Spielerscouting revolutionieren: Tim Schröder (l.) und Jan Wendt von der Online-Plattform Plaier.
Wollen mit künstlicher Intelligenz das Spielerscouting revolutionieren: Tim Schröder (l.) und Jan Wendt von der Online-Plattform Plaier. © dpa/Steve Kfoury

Trainer, Manager und Scouts haben ausgedient. Die Namen für die perfekte Startelf, vielversprechendsten Einwechslungen und besten Transfers spuckt ein Superrechner aus. Die Künstliche Intelligenz (KI) macht’s möglich. Sieht so der Profifußball in nicht allzu ferner Zukunft aus?

„Ich bin mir sicher, dass es nicht so weit kommt – und als Fußballfan hoffe ich das auch“, sagt Tim Schröder. Als hauptverantwortlicher Produktentwickler der Online-Plattform Plaier, die mittels KI das Spielerscouting revolutionieren will, betont Schröder aber auch: „Die Zukunft lässt sich nicht aufhalten.“ Und die Zukunft wird auch im Sport verstärkt durch KI bestimmt werden. „Das wird auch in Europa, in Deutschland kommen – und die frühen Nutzer werden einen Vorteil haben“, sagt Schröder.

Sorgen, dass die Hochtechnologie den Kern des Sportwettkampfs negativ beeinflussen und Menschen in verantwortlichen Positionen überflüssig machen könnte, müsse keiner haben. „Menschen brauchen andere Menschen als Bezugspartner“, meint Schröder, „die Technik ist nur ein Hilfsmittel“. Und als solches eingesetzt könnte KI den Sport „qualitativ besser machen“.

Ähnlich sieht es das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig, wo KI inzwischen vor allem in der Biomechanik eingesetzt wird. „KI ist in unserem Bereich kein Risiko, sondern die Chance, in kürzerer Zeit mehr Daten zu generieren“, erklärt Björn Mäurer, wissenschaftlicher IAT-Mitarbeiter Sportinformatik. Im IAT wird der Bewegungsablauf des Athleten an der Skisprungschanze oder im Diskusring gefilmt, die Aufnahmen anschließend mit einer Software ausgewertet und der Sportler mit KI-gestützten Erfassungssystemen begleitet. Im internationalen Vergleich stehe man „gut da“, meint Mäurer, „aber China dürfte weiter sein“.

Fitnesstracker sind im Profiradsport Standard

Doch das ist nur eine Vermutung, in der Szene teilt niemand gern seinen Wissensstand. Deswegen ist die Frage, was KI schon jetzt im Sport kann, nicht leicht zu beantworten. „Künstliche Intelligenz kann helfen, Daten zu strukturieren, Auffälligkeiten zu zeigen und die Datenmenge so zu reduzieren, dass Menschen besser damit umgehen können“, antwortet Sportwissenschaftler Carlo Dindorf von der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.

In kleinerer Form ist so etwas längst Sportalltag, „Fitnesstracker“ mit Informationen zu Belastungs- und Ermüdungsreaktionen sind Standard. Beim deutschen Radrennteam Bora-Hansgrohe arbeiten bereits sechs Menschen an der täglichen Verarbeitung der Unmengen an Daten zu Wattzahl, Puls und vielem mehr. In der Formel-1 beeinflusst die Datenauswertung schon viele Jahre die Rennstrategie, der Einsatz von KI über Softwarefirmen wird auch hier intensiviert. Im Profifußball will die Firma Plaier das Spielerscouting mittels eigens entwickelter KI auf eine neue Stufe heben. Dabei kommt eine Echtzeitanalyse des Spielsystems und Kaders zum Einsatz. Die Ergebnisse werden mit Daten zu über 100.000 Spielern verknüpft, die im System erfasst sind und gemäß ihren Fähigkeiten in Relation zum suchenden Verein gewichtet werden. Bei diesem systematischen Vorgehen lernt die KI aus historischen Daten und Prognosen. Mitgründer Jan Wendt stellt den Kunden eine 90-prozentige Treffer-Wahrscheinlichkeit bei Transfers in Aussicht: „Wir sagen nicht: Das könnte sein. Sondern wir sagen: Das ist so und wird in den nächsten sechs Jahren so aussehen.“

Der Deutsche Skiverband (DSV) steht noch am Anfang des Einsatzes von KI, aber erste Tests zum Beispiel bei der Auswahl von Wachsen seien „sehr vielversprechend“ gewesen, sagt Karlheinz Waibel, DSV-Bundestrainer Wissenschaft und Technologie, der Rheinischen Post. Bei Olympia 2022 in Peking habe man so schneller als mit herkömmlichen Skitests herausgefunden, welche Beschaffenheit der Ski am besten zur Langlaufloipe gepasst habe.

Mit KI soll kein Trainer eingespart werden

Waibels Fazit lautet: „Der Mehrwert ist groß.“ Doch den muss man sich auch leisten wollen. „Wenn wir intensiver mit KI arbeiten wollen, brauchen wir auch staatliche Mittel, die bisher nicht bewilligt werden“, sagt der DSV-Mann. Stattdessen das Geld für Trainer einzusparen, sei keine Lösung: „Der Trainer ist weiterhin sehr wichtig. Schließlich erklären Daten nicht alles. Wissen, Erfahrung und nicht zuletzt Softskills sind genauso wichtig wie KI, um den Sportler voranzubringen.“ Auch Mäurer vom IAT warnt vor einem „erhöhten Risiko“, wenn man der KI aktuell Entscheidungen überträgt. Würde man etwa dem Computer komplett die Technikbewertung in Sportarten wie dem Geräteturnen überlassen, „könnte über die Software durchaus manipuliert werden – und zwar nicht sportlich, sondern technologisch“.

Im Sport sind die Datensätze noch verhältnismäßig klein, doch das wird sich mit zunehmender Nutzung von KI ändern. Sie ist datenhungrig – und je mehr sie gefüttert wird, desto größer der Output. Österreichs Fußball-Nationaltrainer Ralf Rangnick, der schon immer über den Tellerrand hinausgesehen hat, glaubt daher an „ungeahnte Möglichkeiten“ beim Einsatz im Sport: „Je mehr sich KI entwickeln wird, je mehr Datenvolumen, je mehr Informationen es gibt, desto mehr kannst du da rausholen.“ (dpa)