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Eishockey-WM: Deutschland schafft Sensation trotz Niederlage im Finale

Bis zum Schluss ist das Finale offen, Rekord-Weltmeister Kanada aber am Ende zu stark. Mit Silber erzielt die deutsche Nationalmannschaft dennoch einen Eishockey-Meilenstein.

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Silbergewinner: Die deutschen Eishockeyspieler nach dem verlorenen Finale bei der WM 2023. Noch wirkt das Lachen bei manchem gequält, der zweite Platz aber ist ein großer Erfolg.
Silbergewinner: Die deutschen Eishockeyspieler nach dem verlorenen Finale bei der WM 2023. Noch wirkt das Lachen bei manchem gequält, der zweite Platz aber ist ein großer Erfolg. © AP

Tampere. John-Jason Peterka weinte nach dem verpassten WM-Goldbittere Tränen der Enttäuschung, der abgezockte Rekord-Weltmeisterjubelte befreit. Kanadas NHL-Stars wirkten schlagbar, doch Deutschlands Eishockey-Cracks verloren am Sonntag in Tampere das erste WM-Finale seit 1930 gegen Kanada erst am Ende deutlich mit 2:5 (1:1, 1:1, 0:3). Als Vize-Weltmeister schaffte die Auswahl von Bundestrainer Harold Kreis aber einen weiteren Eishockey-Meilenstein und spielte sich nach Olympia-Silber 2018 und dem WM-Halbfinale 2021 einmal mehr in die Herzen der Fans.

"Im ersten Moment überwiegt natürlich die Enttäuschung. Wir hatten eine große Gelegenheit hier" sagte Kapitän Moritz Müller bei Sport1, nachdem der frühere DEB-Präsident Franz Reindl den deutschen Spielern bei der Siegerehrung die Silbermedaille umgehängt hatte. Angesichts des immensen Erfolgs stellte der Kölner Verteidiger aber klar: "Ich denke, wir haben Unglaubliches erreicht."

Wille, Leidenschaft und Tore von NHL-Stürmer Peterka (8. Minute) und Daniel Fischbuch (34.) reichten am Ende nicht zum ersten WM-Titel. Das Team von Kreis war im Finale lange spielerisch besser, reist am frühen Pfingstmontag aber immerhin mit Silber als erster WM-Medaille seit 70 Jahren heim, weil Kanada am Ende kompromissloser war. "Natürlich bin ich sehr, sehr stolz auf die Mannschaft. Wir haben was gewonnen und nicht was verloren", sagte ein berührter Kreis. Via Instagram schickte auch sein Vorgänger Toni Söderholm sofort seine Glückwünsche zum Vize-WM-Titel.

Am Ende fehlt nicht viel. Hier erzielt Kanadas Lawson Crouse gegen Torwart Mathias Niederberger das 2:2.
Am Ende fehlt nicht viel. Hier erzielt Kanadas Lawson Crouse gegen Torwart Mathias Niederberger das 2:2. © AP

"Die Kanadier haben unsere kleinen Fehler eiskalt ausgenutzt. Aber das sollte nicht unsere Leistung schmälern. Wir haben ein Wahnsinnsturnier gespielt", meinte Torhüter Mathias Niederberger, räumte aber auch ein: "Der Schmerz sitzt tief. Es war einfach mehr drin." 1953 hatte es zuletzt ebenfalls Silber gegeben, damals hatten indes nur vier Nationen eine Gruppenphase ausgespielt. Kanadas NHL-Stars sicherten sich mit dem Erfolg gegen die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes bereits zum 28. Mal den WM-Titel und sind damit nun wieder alleiniger Rekordchampion vor den aktuell ausgeschlossen Russen.

Für das deutsche Eishockey ist Platz zwei bei der WM der größte Erfolg nach Olympia-Silber 2018. Bundestrainer Kreis als Nachfolger von Söderholm krönte damit seine Premiere als Chefcoach. Der 64 Jahre alte gebürtige Kanadier war schon 2010 beim damaligen Halbfinaleinzug Deutschlands als Co-Trainer von Uwe Krupp dabei gewesen. Obwohl ihm 15 Leistungsträger verletzt und unter anderem auch die Top-NHL-Spieler Leon Draisaitl, TimStützle und Philipp Grubauer abgesagt hatten, formte der Trainer-Routinier eine verschworene Einheit, die kämpferisch, aber auch spielerisch überzeugte.

Bundestrainer Harold Kreis hat eine Mannschaft geformt, die in der Weltspitze auch mitspielen kann.
Bundestrainer Harold Kreis hat eine Mannschaft geformt, die in der Weltspitze auch mitspielen kann. © AP

"Jeder spielt sehr, sehr gerne für den Harry. Er ist einfach ein toller Mensch mit einer tollen Ausstrahlung und einem tollem Charakter", lobte Frederik Tiffels vom deutschen Meister EHC Red Bull München, der Deutschland am Samstag beim famosen 4:3 nach Verlängerung gegen die USA mit seinem Tor in der Overtime ins Finale geschossen hatten. Schon damit waren die Zielvorgaben des DEB - Viertelfinaleinzug und direkte Olympia-Qualifikation für Mailand 2026 - übererfüllt. Mit dem Siegeszug zuvor in Finnland und Lettland begeisterte die DEB-Auswahl auch die Öffentlichkeit in der Heimat. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten dem deutschen Team vor dem Finale ihre Glückwünsche übermittelt.

Zum ganz großen Wurf reichte es indes nicht. Im Kreis der Top-Nationen scheint sich Deutschland dennoch festgespielt zu haben. "Wir haben tolles Eishockey gespielt über das ganze Turnier. Wir haben gezeigt, dass wir gegen die Großen nicht nur mitkämpfen, sondern auch mitspielen können", sagte Kapitän Moritz Müller bei MagentaSport. Das ehrgeizige Ziel von Ex-DEB-Präsident Franz Reindl, bis 2026 regelmäßig um Medaillen bei großen Turnieren mitspielen zu können, erfüllte sich früher als gedacht und erhofft." Seit 2018 ist jeder dieses ganz große Niveau von den Deutschengewohnt", sagte Weltverbandspräsident Luc Tardif am Finalwochenende in Tampere.

Wie immer nach einem unerwartetem Erfolg wie jetzt stellt sich nun die Frage, wie nachhaltig das deutsche Eishockey den Schwung nutzen kann. Der Zuschlag für die Heim-WM 2027 am vergangenen Freitag könnte dabei helfen, wenn der DEB schnell Konzepte für die Jugend und ein Bewusstsein in der Gesellschaft schafft. "Ich glaube, dass wir immer etwas entfachen können", sagte Kapitän Müller, der bereits 2018 Olympia-Silber gewonnen hatte, zu den Erfolgen des Nationalteams. (dpa)