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Tanzen auf Rezept

Die Tanzschule Linhart bietet einen Tanzkurs als Rehasport an. Besonders geeignet ist er auch bei MS und nach Schlaganfällen.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul. Ganz harmlos steigt Tanzlehrer Stefan Linhart zu Flippers-Musi ein. „Treten auf der Stelle“, lautet seine Ansage in die große Spiegelwand. Dort hält er Blickkontakt zu den zehn Ladys zwischen 30 und 80 Jahren, die ihm im Rücken stehen und es ihm gleich tun. Schon kommt Bewegung in die Fußlandschaft. „Ferse nach vorn“, demonstriert Stefan Linhart spielend auf dem Parkett. Natürlich im Takt. „Und zur Seite und nach hinten.“ Plus die Arme. Abwechselnd nach oben und nach vorn.

Regina Ringel folgt in den Erwärmungsübungen so gut sie kann. Seit einem leichten Schlaganfall verwechselt die 70-Jährige aus Zitzschewig öfter rechts und links. Und ihre Koordinationsfähigkeit ist nicht mehr die alte. „Mein Arzt meinte: Sie müssen etwas tun“, erzählt sie. „Aber zum Sport wollte ich nicht.“ Dann berichtete ihre Nachbarin von dem Kurs. „Der macht mir Spaß.“ Zumal sie hier auch nicht in irgendeinen Fitnessdress schlüpfen muss. Jeans und Löwen-T-Shirt tun es genauso. Beim etwas anderen Rehasport in der Tanzschule Linhart.

„Tänzerische Gymnastik 55plus“ heißt der Kurs offiziell. An dieser Zielgruppe orientiert sich Stefan Linhart, auch bei der Musik. Willkommen sind ebenso Jüngere. Auf dem Programm stehen Solotänze wie Walzer, Foxtrott, Tango und Cha-Cha-Cha.

„Es geht um Bewegung und Spaß“, sagt der Tanzlehrer, der zugleich Inhaber der Tanzschule Linhart ist. Konkret werde neben der Beweglichkeit auch die Koordinationsfähigkeit und Feinmotorik sowie das Gleichgewicht trainiert. „Dadurch eignet sich der Kurs auch bei allen Krankheitsbildern mit neurologischen Zusammenhängen.“ Als Beispiele nennt er etwa Demenz oder Multiple Sklerose. Beim Tanzen baut er keinerlei Druck auf. „Es soll nur so ähnlich aussehen wie bei mir.“ Wenn jemand gar nicht hinterher komme, helfe er.

Der Mambo ruft. „Letztes Mal hatten wir angefangen, die Box zu tanzen“, erinnert Stefan Linhart die Gruppe. „Über Kreuz mit den Beinen und nach außen schwingen. Locker aus dem Knie heraus.“ Er macht vor, die anderen machen nach. „Es fühlt sich ein bisschen an wie zum Weinfest“, witzelt der Tanzlehrer. Eine Teilnehmerin verknotet sich halb die Beine. Fragend legt sie ihr Gesicht in Falten. Dann bezieht sie ihre Arme ein. Und plötzlich hat sie den Dreh raus. Der Profi in der ersten Reihe lässt die Damen kurz verschnaufen, und weiter geht er in der Schrittfolge. „Je mehr wir uns bewegen, desto mehr kühlen Fahrtwind haben wir.“

Aktuell bietet Stefan Linhart drei Rehasportkurse an. Montags und dienstags in Radebeul und donnerstags in Coswig, jeweils vormittags um 10 Uhr. „Die meisten kommen auf Rezept“, erzählt er. Denn die Kosten übernimmt die gesetzliche Krankenkasse. Voraussetzung ist ein Rehasport-Rezept, das der Hausarzt ausstellen kann.

„Jetzt wird’s ein bisschen gemütlich“, moderiert der Kursleiter an. „Wir tanzen Tango.“ In hellblauem Poloshirt und weißen Caprileggins schwebt Edda Miels durch den Raum. Sie wirkt fit wie ein Turnschuh. Die Schritte sitzen. Als die Rentnerin vor zwei Jahren zu dem Kurs hinzustieß, ging es ihr nicht ansatzweise so gut wie heute. Ein traumatisches Erlebnis setzte ihr zu. „Durch den Schock hatte ich einen Hörsturz“, erzählt die Radebeulerin. Gleichgewichtsstörungen machten ihr zu schaffen. „Nach einem halben Jahr Tanzen begann es besser zu werden“, sagt sie.

„Was halten wir von Samba“, fragt Stefan Linhart in die schwitzende Runde. Atemloses Nicken. Als Musik schickt er „Dancing Queen“ durch die Lautsprecher.

Im Kurs verausgabt sich auch Rosemarie Weiß. Sie kam auf den Tipp ihrer Ärztin, nachdem sie einen leichten Schlaganfall hatte. Dabei fiel es der 76-Jährigen anfangs schwer, sich die einzelnen Schritte zu merken. „Wenn wir einen Lehrer gehabt hätten, der streng aufpasst und mich ständig korrigiert, hätte ich den Mut verloren“, sagt sie. „Aber er ist äußerst sympathisch.“ Und weil er alles vor- und mitmache, gucke sie einfach immer nach vorn.

So hält es auch Regina Ringel aus Zitzschewig. Die 70-Jährige tanzt erst seit zwei Monaten mit und merkt bereits deutliche Verbesserungen. „Hier ist man gezwungen, sich zu konzentrieren“, sagt sie. „Zu Hause könnte man natürlich vieles genauso gut üben. Aber da lässt man es schleifen.“

Anmeldung unter Telefon 0351 65633373