SZ + Update Politik
Merken

Fiala neuer Ministerpräsident Tschechiens

Der positiv auf das Coronavirus getestete tschechische Präsident hat Petr Fiala zum neuen Premier ernannt. Die Zeremonie war außergewöhnlich.

Von Hans-Jörg Schmidt
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Petr Fiala (l) wurde auf Schloss Lany von Miloš Zeman (re) als neuer Ministerpräsident des Landes vereidigt. Bei der Zeremonie trennte beide eine durchsichtige Wand, da Zeman positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
Petr Fiala (l) wurde auf Schloss Lany von Miloš Zeman (re) als neuer Ministerpräsident des Landes vereidigt. Bei der Zeremonie trennte beide eine durchsichtige Wand, da Zeman positiv auf das Coronavirus getestet wurde. © Roman Vondrous/CTK/AP/dpa

Schloss Lány bei Prag, zweiter Amtssitz des tschechischen Staatschefs, Sonntag, 11 Uhr: Ein Pfleger in voller Covid-Montur schiebt den im Rollstuhl sitzenden Präsidenten Miloš Zeman durch die Tür in einen extra angefertigten, nahezu hermetisch abgeriegelten „Käfig“ aus Plexiglas, zwei mal drei Meter groß. Dem gegenüber wartet schon der Sieger der Oktober-Parlamentswahlen, der Konservative Petr Fiala, hinter einem Mikrofon. Zwei hohe Beamte der Präsidialkanzlei mit Abstand neben ihm. Alle tragen Mund- und Nasenmasken. Zeman ernennt mit wenigen guten Worten Fiala zum Premierminister des Landes. Fiala bedankt sich dafür, dass der feierliche Akt trotz der widrigen Umstände stattfinden kann. Er unterzeichnet die Ernennungsurkunde. Nach fünf Minuten ist die Zeremonie beendet. Ohne Händeschütteln und ohne das bei solchen Gelegenheiten übliche Glas Sekt.

Petr Fiala ist neuer Ministerpräsident Tschechiens.
Petr Fiala ist neuer Ministerpräsident Tschechiens. © Archiv/Petr David Josek/AP/dpa

Besondere Umstände erfordern besondere Lösungen. Und die Umstände sind sehr besonders: Nach sieben Wochen im Krankenhaus wegen Problemen mit seinen chronisch angeschlagenen Gesundheit, darunter einer Leberzirrhose, war Präsident Zeman am Donnerstag auf eigenen Wunsch entlassen worden, um am Tag darauf Fiala zum Premier zu ernennen. Wenige Stunden später nur, nach einem überraschend positiven Covid-Test, musste der dreimal geimpfte Zeman zurück ins Krankenhaus, dorthin, wo er sich trotz aller Vorkehrungen vermutlich angesteckt hatte. Dort zeigte er jedoch keine Begleiterscheinungen von Corona und durfte am Samstag zurück nach Lány. Jetzt also die Ernennung des Premiers unter den geschilderten ungewöhnlichen Begleiterscheinungen.

Es war höchst umstritten, ob das Ganze überhaupt über die Bühne gehen dürfe. Die oberste Hygiene-Wächterin des Landes, Pavla Svrčinová, verneinte das zunächst strikt: „Auch der Präsident muss - wenn er positiv auf Covid getestet wurde - in Quarantäne, ohne jeden überflüssigen Kontakt. Eine Ausnahme könnte dazu führen, dass sich normal sterbliche Tschechen auch nicht mehr an solche Vorschriften halten.“ Mit dem Präsidenten im „Glas-Käfig“ konnte sich die Hygiene-Chefin dann aber doch zähneknirschend anfreunden. Immerhin trug die Ernennung Fialas dazu bei, dass der Wechsel der Regierung nicht noch unnötig weiter hinausgezögert werden musste.

Der Präsident im "Glas-Käfig".
Der Präsident im "Glas-Käfig". © Roman Vondrous/CTK/AP/dpa

Der Regierungswechsel ist vor allem deshalb besonders dringend, weil Tschechien trotz eines ersten leichten Rückgangs der Inzidenz mit immer noch mehr als 1.000 positiv Getesteten pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen die schlimmste Zeit seit Beginn der Corona-Pandemie durchleidet. Vor allem im mährischen Landesteil sind die Krankenhäuser randvoll, erste Patienten mussten nach Prag ausgeflogen werden. Bislang hat noch die scheidende Regierung unter Premier Andrej Babiš das Sagen auch auf diesem Feld. Sie hat den Notstand bis Weihnachten ausgerufen und Maßnahmen veranlasst, mit denen die künftige Regierung nicht einverstanden ist.

Notstand bis Weihnachten ausgerufen

Das Heft des Handelns hat die Regierung Babiš dennoch so lange in den Händen, bis vermutlich Mitte Dezember die komplette Regierung Fiala vereidigt ist. In der Zwischenzeit hat Tschechien gleich zwei Regierungschefs. Im Gegensatz zu Babiš hat dessen Nachfolger Fiala aber noch keinerlei Befugnisse.

Der Notstand hat dazu geführt, dass das öffentliche Leben in Tschechien am ersten Adventswochenende trotz des pünktlich einsetzenden, anheimelnden Schneefalls mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist. Alle Weihnachtsmärkte wurden radikal geschlossen. Einzig Weihnachtsbäume und Weihnachtskarpfen dürfen dort noch verlauft werden. Gesundheitsminister Adam Vojtěch erinnerte daran, dass „auch der schönste und größte Weihnachtsmarkt in unsere Nähe, der Dresdner Striezelmarkt“, nicht stattfinden werde.

Die Restaurants in Tschechien, in denen die 2G-Regel gilt, müssen unter Notstandsbedingungen um 22 Uhr schließen. Außerhalb darf nichts verzehrt werden, auch alkoholische Getränke wie Grog oder Punsch sind nicht erlaubt. Größere Veranstaltungen sind auf maximal 1.000 Teilnehmer begrenzt, kleinere Weihnachtsfeiern beispielsweise auf 100. Alle verfügbaren Ärzte sind verpflichtet, dort ihre Arbeit zu verrichten, wo Not am Mann ist.

Gesundheitsminister mit Corona infiziert

Die amtierende Regierung hat versprochen, den Betreibern der Weihnachtsmärkte oder Restaurants finanziell unter die Arme zu greifen. Doch damit wird auch das Loch im Budget immer größer, das der scheidende Premier Babiš dem künftigen Premier Fiala hinterlässt. Fiala hatte betont, die künftigen Regierungsparteien hätten schon in der Vergangenheit immer wieder dafür plädiert, in Schwerpunktgebieten einzugreifen, statt flächendeckend das ganze Land mit immer neuen Restriktionen zu überziehen. In einer kurzen Stellungnahme nach seiner Vereidigung forderte Fiala die Bürger nachdrücklich auf, sich impfen zu lassen. Die neue Koalition spricht sich aber gegen eine Impfpflicht aus und appelliert an die Bürger, ihre Kontakte freiwillig zu verringern. Tschechien gehört zu den Ländern mit einer schwachen Durchimpfung.

Fiala war von Mai 2012 bis Juni 2013 Bildungsminister. Der Politologie-Professor und Vater dreier Kinder hatte sich zuvor als Rektor der Masaryk-Universität in Brünn (Brno) einen Namen gemacht. Er steht seit knapp acht Jahren an der Spitze der Bürgerdemokraten.

Ins tragische Bild Tschechiens derzeit fügt sich, dass sich ausgerechnet der amtierende Gesundheitsminister Vojtěch am Sonntag nach einem positiven Covid-Test in Quarantäne begeben musste. Er wird die letzten Tage seiner Amtszeit das Ressort per Zoom oder Skype leiten müssen. (mit dpa)