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Waldbrand in Tschechien: Zwei Flugzeuge gegen die Flammen

Italienische Löschflugzeuge unterstützen die Tschechen gegen das Feuer in der Böhmischen Schweiz. In Prag debattiert man grundsätzlich über Nationalparks: Sollten Menschen stärker eingreifen?

Von Hans-Jörg Schmidt
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Zwei Löschflugzeuge aus Italien sind seit Donnerstag in der Böhmischen Schweiz im Einsatz.
Zwei Löschflugzeuge aus Italien sind seit Donnerstag in der Böhmischen Schweiz im Einsatz. © Feuerwehr Hrensko

„Máme je tady!“ (Auf Deutsch: „Sie sind da!“). Die Twitter-Nachricht der tschechischen Feuerwehr, verbunden mit einem Foto von der Landung zweier italienischer Löschflugzeuge am Mittwochnachmittag auf einem Flugplatz unweit von Prag, las sich wie der Inbegriff der Erlösung.

„Jetzt wird scharf gewässert“, lautete eine von tausenden hoffnungsfrohen Antworten auf diese Nachricht. Wieder einmal ein Beleg dafür, dass der Tscheche an sich dazu neigt, die Verantwortung für die wichtigsten Dinge auf allerhöchste Schultern zu legen. Die Löschung der größten Brände in der tschechischen Geschichte bisher gehört in diese Kategorie und die Italiener zu der Kategorie der „Erlöser“.

Am liebsten wäre den Tschechen gewesen, wenn die Italiener nach einem kurzen Gang auf die Toilette gleich losgezogen wären, um über der brennenden Böhmischen Schweiz ihre Arbeit zu verrichten.

Doch so einfach ging das natürlich nicht. Die Brände ganz anderen Ausmaßes im Mittelmeerraum gewöhnten Piloten und ihre Mannschaften mussten sich zunächst in mehreren Überflügen mit dem betroffenen brennenden Gelände vertraut machen. Und mit dem Gewässer, aus dem sie das Wasser tanken würden müssen.

In der Elbe, das war schnell klar, wird das nicht gehen. Dort hätten sie sich mit den zahlreichen Hubschraubern in die Haare gekriegt, die dort seit Tagen im Minutentakt ohne Unterlass Wasser in große Tragetaschen laden und über den Brandherden in den Wäldern des tschechischen Teils des Nationalparks ausschütten.

Die italienischen Löschflugzeuge entnehmen ihre nasse Last aus dem Milada-See in der Nähe von Ústí nad Labem (Aussig). Als auch der besichtigt worden war und zudem konkrete Absprachen mit allen anderen aus der Luft agierenden Löschmannschaften getroffen waren, konnten die willkommenen Gäste aus dem Süden Europas an den Löscharbeiten teilnehmen. 6. 000 Liter Wasser kann jede der beiden Maschinen tanken, doppelt so viel wie in die größten Tragetaschen der Hubschrauber passt. Als sich der morgendliche Nebel über der Böhmischen Schweiz verzogen hatte, konnten sie ihre Arbeit aufnehmen.

Auf Flightradar24 kann man den Einsatz live verfolgen - vom See zum Brand.
Auf Flightradar24 kann man den Einsatz live verfolgen - vom See zum Brand. © Screenshot SZ

Die richtet sich vor allem darauf, ein neues Übergreifen der Brände von tschechischem auf deutsches Gebiet zu verhindern. In der Nacht zu Donnerstag gab es genau ein solches Problem, weil sich der Wind einmal mehr gedreht hatte.

Vor diesem Hintergrund war es überaus nützlich, dass sich verantwortliche Politiker von beiden Seiten der Grenze im Katastrophengebiet trafen und eine engere Zusammenarbeit besprachen. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte danach vor der Presse im tschechischen Grenzort Hřensko (Herrnskretschen), man habe binnen einer halben Stunde die Wünsche Sachsens und Tschechiens zu Papier gebracht. „Und die waren sich sehr ähnlich.“

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) waren am Donnerstag im Brandgebiet.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) waren am Donnerstag im Brandgebiet. © Jürgen Lösel

Schuster kündigte an, dass sich beide Nachbarn „unterhaken“ wollten, um künftig gemeinsam besser auf ähnliche Ereignisse vorbereitet zu sein. „Die Flammen interessieren sich nicht für Staatsgrenzen. Aber uns ebenso wenig.“ Der stellvertretende tschechische Innenminister Jiří Nováček erklärte, beide Seiten wollten Verbindungsbeamte austauschen, um sehr viel schneller abgestimmt reagieren zu können. Ganz einfach verlief die Pressekonferenz nicht, weil sie unmittelbar am Elbufer stattfand, wo die Hubschrauber beim Befüllen ihrer Wassertaschen einen Heidenlärm veranstalteten. Wichtiger als die Verständigung da war aber die grundsätzliche Verständigung beider Politiker.

Wassermangel in der Elbe: Nachschub soll aus der Moldau kommen

Was die Elbe angeht: Der geht langsam das Wasser aus. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Doch es braucht einen Mindestwasserstand, damit Tschechen und Deutsche aus ihr ausreichend Löschwasser aufnehmen können. Deshalb wird jetzt mehr Wasser aus den Stau-Kaskaden der Moldau abgelassen, die hinter Prag in die Elbe mündet.

Die Brände in der Böhmischen Schweiz haben derweil in Tschechien auch eine Grundsatzdebatte über die dortigen Nationalparks entzündet. Die Kernfrage dabei lautet, ob man die Wälder dort weiterhin mehr oder weniger ihrem Schicksal überlassen oder ob der Mensch dort wie in früheren Zeiten neuerlich eingreifen soll.

Der Bürgermeister von Krásná Lípa (Schönerlinde), Jan Kolář, machte die sächsische Seite dafür verantwortlich, dass der dortige Teil des Nationalparks seit mehreren Jahren mehr oder weniger unangetastet bleibe. In der Zeitung Lidové noviny sagte er: „Das hat rasch zur Ausbreitung des Borkenkäfers geführt, der im Verein mit der ungünstigen Zusammensetzung der Baumarten zu einer regelrechten Kalamität geführt hat. Seit 2019 wurden auch keine gefallenen Bäume mehr entfernt. Wäre dies nicht geschehen, könnten wir heute sehr viel besser mit Waldbränden umgehen.“

Eine ähnliche Ansicht vertrat beim TV-Sender ČT24 der Experte für Wälder und Waldtiere, Jiří Novák: „In Kanada oder anderen Ländern mit ungleich größeren Parks kann man diese sich selbst überlassen. Im besiedelten Mitteleuropa ist das nicht so einfach.“

Zusammenhang mit Klimawandel

Der frühere Prager Umweltminister Bedřich Moldan, widersprach dem in Lidové noviny: „Wenn der Borkenkäfer große Flächen befallen hat, ist es sinnvoll, die betroffenen Bäume zu entfernen. Das gilt aber nicht generell. Aus biologischer Sicht ist es wichtig, einen Teil des Totholzes in den Wäldern zu lassen. Für die Ausbreitung von Bränden spielt das keine Rolle.“ Wichtiger sei die vielfältige Zusammensetzung der Bewaldung. Leider stünden oftmals nur Fichten zur Verfügung, die nicht besonders geeignet seien und leicht ein Raub der Flammen würden.

In den Prager Medien häufen sich zudem Kommentare, die auf den Zusammenhang der gehäuften Trockenheit und damit erleichterter Waldbrände mit dem Klimawandel verweisen. Die Zeitung Deník N etwa schrieb: „Führende tschechische Politiker sollten zugeben, dass mit der globalen Erwärmung die Bedingungen für Brände wahrscheinlich zunehmen werden, und dass wir anfangen sollten, etwas dagegen zu tun, wenn wir unsere Nationalparks in Zukunft nicht in Flammen sehen wollen.“ Allein Aufrufe an die Menschen, im Wald vorsichtiger zu sein, reichten heutzutage nicht mehr aus.