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„Natürlich darf Steimle bei uns auftreten“

Hagen Pelz und seine Frau Gritt betreiben das Kulturhaus. Kultur auf dem Land ist möglich, aber anders, sagen sie.

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Bringen Kultur aufs Dorf: Hagen Pelz und Gritt Würdig-Pelz, Geschäftsführer des Kulturhaus Niederau. Doch nicht nur hier, sondern auch auf dem Gellertberg bieten sie Veranstaltungen an.
Bringen Kultur aufs Dorf: Hagen Pelz und Gritt Würdig-Pelz, Geschäftsführer des Kulturhaus Niederau. Doch nicht nur hier, sondern auch auf dem Gellertberg bieten sie Veranstaltungen an. © Claudia Hübschmann

Herr Pelz, wie kommt man auf die Idee, auf dem flachen Land ein Kulturhaus zu betreiben?

Schon lange vorher habe ich Veranstaltungen gemacht, 2005 kauften meine Frau und ich die alte Feuerwehr in Niederau. Genau gegenüber liegt das Kulturhaus, das ich seit Kindheitstagen kenne. Hier habe ich auch meine Jugendweihe erhalten. Es war schon deprimierend, jeden Tag zu sehen, wie wenig die Gaststätte des ehemals florierenden Hauses besucht wurde.

Deswegen kauft man aber doch nicht gleich ein Haus?

Nein, die Eigentümer hatten es aber angeboten, nachdem sich der Betreiber verabschiedet hatte. Das Haus stand leer, die Schwerter-Brauerei hatte damals wenigstens den Fasching abgedeckt, ich habe dabei geholfen, die Bar gemacht. Nein, wir wollten nicht kaufen, haben das Angebot mehrfach abgelehnt. Doch dann haben wir uns auf einen annehmbaren Preis geeinigt, wollten es nicht nur als Kulturhaus nutzen.

Sondern?

Meine Frau hatte damals einen Friseursalon in Radebeul, war dort eingemietet. Den hat sie aufgegeben und in der ehemaligen Gaststätte des Hauses einen eigenen eingerichtet.

Kann man von einem Kulturhaus auf dem Land leben?

Nein, im Moment jedenfalls nicht. Meine Frau hat wie gesagt den Friseursalon. Zwei ehemalige Pensionszimmer haben wir umgebaut, sie an ein Kosmetikstudio und eine Fußpflege vermietet. Ich selbst habe noch einen „richtigen“ Job, gehe 30 Stunden die Woche arbeiten. Die Veranstaltungen mache ich also im Nebenerwerb, vor allem an den Wochenenden.

Ist Kultur auf dem Land anders als in der Stadt?

Ja. Schon allein wegen unserer Kapazität von knapp 200 Plätzen im Saal können wir uns sehr teure Künstler nicht leisten. Der Eintrittspreis würde ins Unermessliche steigen. Bestimmte Sachen kann man nicht machen, Buchlesungen zum Beispiel, da gibt es zu wenig Publikum. Ich habe eine Ausbildung als Barkeeper, so richtig mit IHK-Abschluss. In Niederau eine Nachtbar aufzumachen, das funktioniert aber nicht. Man muss Veranstaltungen finden, bei denen das Haus voll ist.

Uwe Steimle zum Beispiel. Darf der denn noch bei Ihnen auftreten, nachdem ihn der Mitteldeutsche Rundfunk gefeuert hat?

Natürlich darf er bei uns auftreten! Es sehe keinen Grund, warum das nicht der Fall sein sollte. Steimle spricht aus, was viele denken, aber sich kaum jemand zu sagen wagt. Klar, dass er für bestimmte Leute unbequem ist. Auf dem Gellertberg wird er am 4. Juli mit seinem neuen Programm auftreten.

Hilft es wirtschaften, dass der Karnevalsklub bei Ihnen Fasching feiert?

Na klar hilft das. In diesem Jahr gibt es zum Beispiel sechs Veranstaltungen, darunter zwei Abendveranstaltungen und zweimal Kehraus. Beim Kinderfasching platzt der Saal fast aus allen Nähten..

Inwiefern unterstützt Sie die Gemeinde?

Auch sie macht hier Veranstaltungen wie die Seniorenweihnachtsfeier.

Von Fasching und Seniorenfeiern kann ein Kulturhaus aber nicht überleben.

Nein, wir müssen uns immer wieder Neues einfallen lassen. Ein Riesenerfolg ist die Ü30-Party. Die gibt es zwar anderswo auch, aber eben nicht hier. Sehr gut angenommen wird auch die Mühlenparty, die früher in Coswig und später in Weinböhla stattfand. Die findet immer am Ostersonnabend statt. Da kommen viele Gäste, die die Region verlassen haben und treffen sich wieder. Diese 80er-Jahre-Party ist ein Selbstläufer.

Wagen Sie auch Neues?

Natürlich. So gibt es einmal im Jahr einen Motto-Abend. Diesmal war es ein russischer Abend, der am 21. Dezember stattfand. Trotz eines Eintrittspreises von 19,50 Euro war die Veranstaltung schon lange vorher ausverkauft.

Vom Kulturhaus können Sie also doch gut leben?

Nein, aber es ist ja nur ein Teil. Die meisten Veranstaltungen organisieren wir auf dem Gellertberg. Das Gelände haben wir gepachtet. Angefangen hatten wir mit Freilichtkino, das gab es dort schon zu DDR-Zeiten und lief bombastisch. Nach und nach wurden durch die Gemeinde Niederau eine massive Toiletten gebaut, ordentliche Anschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom verlegt.

Bei solchen Freiluftveranstaltungen sind Sie aber sehr auf das Wetter angewiesen?

Ja, vor allem beim Kino, da darf schon wegen der Leinwand kein großer Wind sein. In diesem Jahr hatten wir aber dank des Klimawandels Glück. Es war abends immer angenehm warm und hat während unserer Veranstaltungen nicht ein einziges Mal geregnet.

Der Gellertberg ist also ein Selbstläufer?

Das denkt so mancher, aber so ist es eben nicht. Die Veranstaltungen müssen ständig beworben werden. Etwas 25 Prozent der Besucher kommen aus dem Gemeindegebiet, der Großteil dagegen aus Radebeul, Weinböhla, Lommatzsch, sogar Elsterwerda. Auf dem Gellertberg finden 600 Besucher Platz. Das ist eine ganz anderer Dimension.

Die Veranstaltungen, die sie aufgezählt haben, sind eher was für die ältere Generation. Bieten Sie auch etwas für die Jugend an?

Ja, wir haben gerade mit Jugendlichen gesprochen. Die sollen hier im Kulturhaus eigene Veranstaltungen auf die Beine stellen. Wir wollen ihnen auch einen Treffpunkt bieten. Seit der Jugendklub in Niederau zu ist, treffen sich am Dorfteich.

Die jungen Leute können doch in Vereine eintreten, die Dorfgemeinschafthäuser nutzen?

Das funktioniert nicht. Die jungen Leute wollen doch unter sich sein, chillen, nicht gegängelt werden. Und längst nicht jeder kann sich für Fasching, Handball oder Feuerwehr begeistern.

Nach allem, was Sie aufgezählt haben, kann man sich kaum vorstellen, dass das nebenberuflich zu schaffen ist. Wollen oder müssen Sie dies nicht irgendwann mal als Hauptberuf machen?

Ja, das ist mein Ziel. Wann das sein wird, kann ich aber derzeit nicht sagen. Die Veranstaltungen können aber nur durch ein gut funktionierendes Team realisiert werden. Das haben wir im Altersbereich von 18 bis 70 Jahren, worauf wir sehr stolz sind.

Das Gespräch führte Jürgen Müller.

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