Merken

Wäre die Schlammflut vermeidbar gewesen?

Kritiker geben der Landwirtschaft eine Mitschuld. Bürgermeister widersprechen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Gerhard Schlechte

Von Peter Anderson

Meißen. Erst wenige Tage ist es her, dass sich Leo Lippold vom Kulturkreis Scharfenberg mit einem Brandbrief an den Bürgermeister und die Gemeinderäte von Klipphausen gewandt hat. Im Kern kritisiert er darin, dass in den letzten Jahrzehnten immer mehr Alleen, Feldwege und Raine, auflockernder Baumbestand sowie Wildhecken verschwunden seien. Die Landschaft werde ständig gesichtsloser.

Weitere Bilder vom Unwetter

Verantwortlich für diesen Wandel macht Lippold in erster Linie die großen Agrarbetriebe in der Region, welche ihre Flächen ausweiteten und ausweideten, um möglichst hohe Fördermittel zu kassieren. Der Staat habe sich dagegen aus der Landschaftspflege weitgehend zurückgezogen. Angesichts des Starkregens von vergangenem Freitagnachmittag sowie der nachfolgenden Schlammfluten in Lommatzsch und Nossen sieht er eine besondere Aktualität für dieses Thema.

Bereits in der Vergangenheit hatte Lippold wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die hochintensive Arbeitsweise der Agrarbetriebe nach seiner Ansicht, die Erosion massiv befördere. Es sei nicht einzusehen, dass die Kosten dafür – wie beim Bau von Rückhaltebecken – nicht von den Verursachern getragen würden. Stattdessen müsse die Allgemeinheit dafür aufkommen.

In Lommatzsch hat Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP) eine erste Analyse zu den Gründen vorgenommen, weshalb Teile der Großgemeinde am Freitagnachmittag in Schlamm und Dreck versanken. Sie sieht die Sache differenziert. Für die Probleme entlang der Straße Am Rodeland sei ein abgespülter Hang verantwortlich gewesen, im Ortsteil Scheerau dagegen ein Feld. In Paltzschen habe der Damm gehalten und somit Schlimmeres verhindert.

In diesem Zusammenhang verweist die FDP-Politikerin auf die seit 2011 laufende Kooperation mit den Landwirten. Je nach Größe ihrer Flächen zahlen die Unternehmen dabei in einen gemeinsamen Fond mit der Stadt ein. Mithilfe der Mittel wurden dieses Jahr bereits die Gräben und Bachläufe bereinigt. Das habe ihre Aufnahmefähigkeit deutlich verbessert und die Wassermassen am Freitag schneller abfließen lassen. „Diese Zusammenarbeit mit den Agrarbetrieben funktioniert sehr gut und hat bereits viel bewegt“, sagt Anita Maaß.

Tatsächlich hängt ihrer Erfahrung nach bei solchen Wetterunbilden sehr viel von den konkreten Umständen ab. Entscheidende Punkte seien, welche Kulturen im betroffenen Gebiet wüchsen und wie hoch diese bereits stünden. Nicht alles lasse sich vorher berechnen und absichern. Im Fall Scheerau kündigte Anita Maaß allerdings an, das Abwasser- und Entwässerungssystem auf Schwächen zu prüfen.

Ähnlich wie seine Lommatzscher Amtskollegin äußert sich Nossens Rathauschef Uwe Anke (parteilos). „Eine andere Anbaumethode in der Landwirtschaft hätte den Großteil der Schäden vom Freitag in Nossen nicht verhindert“, teilt er auf Nachfrage der SZ mit. Bei Niederschlägen mit über 100 Liter pro Quadratmeter in so kurzer Zeit im Bereich Choren sei eine Welle programmiert und durch die Landwirtschaft allein nicht zu verhindern. Dennoch möchte Anke wegen verschiedener Themen mit den Landwirten ins Gespräch kommen, da sei Hochwasserschutz immer auch dabei. „Eine landschaftsschonendere Landwirtschaft wäre wünschenswert, jedoch unterliegen auch die Landwirte marktwirtschaftlichen Gesetzen und der EU-Förderpolitik“, so der Nossener Rathauschef. Gerade bei letzterer sollte geprüft werden, ob noch mehr Anreize geschaffen werden können, um Hochwasser- und Bodenschutz weiter zu verbessern. Zudem befürworte die Stadt die Bildung von Wasser- und Bodenverbänden als Pflichtverbände und nicht nur – wie derzeit – auf freiwilliger Basis.

Für das Agrarunternehmen Lommatzscher Pflege verweist dessen Chef Wolfgang Grübler darauf, dass die Rückhaltedämme alle gehalten hätten. Vor allem aus den nur leicht befestigten Banketten der Straßen hätte es große Mengen Sand und Schotter abgeschwemmt. Schlimmere Schäden als das Wasser, habe in der Landwirtschaft der Hagel verursacht.