SZ + Weißwasser
Merken

Bleiben solche Bilder nur Erinnerungen?

Seit Herbst 2023 gibt es am Krankenhaus Weißwasser keine Geburten mehr – trotz Kreißsaal und Entbindungsstation. Dies ärgert werdende Mütter ebenso wie Hebammen.

Von Sabine Larbig
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Juliane Pittke aus Hochkirch entschied sich bei der Entbindung ihres zweiten Kindes, Sohn Theo, im Februar 2022 gezielt für das Krankenhaus Weißwasser, da es hier individuelle Betreuung und Pflege sowie Familienzimmer und die Möglichkeit der Teilnahme des
Juliane Pittke aus Hochkirch entschied sich bei der Entbindung ihres zweiten Kindes, Sohn Theo, im Februar 2022 gezielt für das Krankenhaus Weißwasser, da es hier individuelle Betreuung und Pflege sowie Familienzimmer und die Möglichkeit der Teilnahme des © Archiv: Sabine Larbig

Viele Jahre informierte die Krankenhausleitung Weißwasser stolz und medienwirksam über Mehrlingsgeburten, Neujahrsbabys, werdende Mütter, die zur Geburt eigens nach Weißwasser kamen. So, wie noch im Februar 2022 Juliane Pittke aus Hochkirch. Doch schon 2023 war alles anders, gab es seit Oktober in Weißwasser nur noch Notfall-Entbindungen.

Trotzdem gibt es immer wieder Anfragen auf der Station für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, in Arzt- und Hebammenpraxen, ob und wann Kreißsaal und Geburtsstation wieder für spontane und geplante Geburten (Kaiserschnitt) geöffnet werden. Werdende Mütter müssen für Entbindungen nun nämlich nach Bautzen, Cottbus, Görlitz oder Hoyerswerda fahren. Das alles ärgert auch drei am Krankenhaus Weißwasser angestellte Hebammen. Sie sind ohne Pflichtstunden, aber in Rufbereitschaft, im Kreißsaal tätig. Seit Oktober aber bringen sie dort keine Kinder mehr mit auf die Welt.

„Es ist uns unverständlich, dass wir, trotz Arbeitsvertrag, schon so lange in der Warteschleife stehen, nicht arbeiten dürfen“, ärgert sich Margit Jeske. Sie und ihre Kolleginnen wandten sich mit ihrem Ärger nun schriftlich und persönlich an TAGEBLATT. Auch für Ärzte- und Schwesternteam der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, sagt Jeseke, sei die aktuelle Situation wenig nachvollziehbar. „Wir haben in Weißwasser einen Kreißsaal und eine Entbindungsstation. Ärzte und Schwestern sind sowieso da, das Hebammen-Rufsystem ist bewährt. Geburten wären also jederzeit möglich.“ Allerdings fehle seit 2023, durch Auslaufen der Betriebserlaubnis, ein zweites Reanimationsgerät für Neugeborene.

Hebammen: Kritik an Geburten-Aus

Je ein Gerät müsse in Kreiß- und OP-Saal vorhanden sein. Die Hebammen sehen im fehlenden Gerät daher den Hauptgrund für das Geburten- und Kreißsaal-Aus. „Unserem Hebammenteam wurde durch die Leitung des Hauses mitgeteilt, dass bis Ende Dezember 2023, später hieß es I. und III. Quartal 2024, keine Entscheidung gefällt werde. Wir wurden also immer wieder vertröstet. Inzwischen entschied der Aufsichtsrat, dass das Krankenhaus selbst über die Neuanschaffung des rund 30.000 Euro teuren Gerätes entscheiden soll“, heißt es dazu im öffentlichen Schreiben der Hebammen. Und auch, dass es an der Zeit sei, dass sich die Klinikleitung endlich dazu äußere. „Das interessiert werdende Mütter, Bevölkerung und Personal“, meint Margit Jeske und setzt hinzu, dass nach letztem Kenntnisstand mit einer Entscheidung bis zur Landtagswahl im September gewartet werden soll. „Will man die Kreißsaal-Schließung herausfordern?“, fragen die Hebammen öffentlich und ebenso, warum für das Babylog kein Geld da sei, wo am Krankenhaus ständig Umbauten erfolgen, neue Geräte wie eine rund 50.000 Euro teure Klimaanlage angeschafft würden.

Aus Sicht der Klinikleitung stellt sich die Lage am Krankenhaus wesentlich komplizierter dar. Nicht nur, weil die demografische Entwicklung weiter negativ ist, Patientenzahlen sinken während Inflation und Kosten explodieren, sich aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen zusätzlich auswirken. Bereits beschlossen ist deshalb, die Klinik Weißwasser – sie ist Teil des Verbunds kreislicher Krankenhäuser (Managementgesellschaft Gesundheitszenrum des Landkreises Görlitz gGmbH) und der sächsischen (Gesundheits)Modellregion – zu einem Sektoren übergreifenden integriertem Gesundheitszentrum mit stationärer und ambulanter Versorgung zu entwickeln. So sollen die Klinik langfristig erhalten, der Unterversorgung des nördlichen Kreisgebietes entgegengewirkt, Grund- und Regelversorgung der Bevölkerung abgesichert werden.

Noch geht man in Weißwasser vom Fortbestand der Bereiche Gynäkologie, (Unfall)Chirurgie, Innere, Notfallambulanz mit Bereitschaftssprechstunde der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und Palliativstation aus. Reduziert werden müssen aber die Betten von 180 auf 125, um wirtschaftlich zu bleiben. Zudem ist die Investition eines zweistelligen Millionenbetrags in den Klinikumbau erforderlich, wobei vorrangig auf Landesgelder gesetzt wird.

Klinik: Kaum Personal und Geburten

Sorgenkind der Planungen ist und bleibt jedoch die Geburtshilfe. Zwar erklärte Klinik-Geschäftsführer Steffen Thiele noch Ende 2023 in einer Pressekonferenz, dass beim Kreißsaal das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Diese Aussage relativierte er in einem Pressegespräch im Februar dieses Jahres. Da verwies er darauf, dass es von Januar bis Oktober 2023 nur 65 Geburten in Weißwasser gab, was weder aus qualitativer noch wirtschaftlicher Sicht hinreichend für eine sichere Geburtshilfe sei. Zudem gab Thiele zu bedenken, dass die drei Hebammen am Krankenhaus keinen durchgehenden Dienstplan aufrecht erhalten könnten. Da die Verfügbarkeit von pflegerischem und ärztlichem Personal, vor allem von Hebammen – ohne die eine Geburtshilfe in Deutschland nicht möglich ist – aber maßgeblich für die Aufrechterhaltung einer Geburtenstation samt Kreißsaal sei, würde es unredlich sein die Hoffnung zu geben, das es mit der Geburtshilfe in Weißwasser noch mal werde.

„Aktuell stehen dem Krankenhaus Weißwasser nicht ausreichend Hebammen zur Verfügung, um eine durchgehende Besetzung zu gewährleisten. Trotz umfangreicher Bemühungen ist es in den letzten Jahren leider nicht gelungen, diese Situation zu ändern“, teilte ebenfalls die Pressesprecherin der Geschäftsleitung der Managementgesellschaft Gesundheitszenrum des Landkreises Görlitz, Simone Hausmann, auf TAGEBLATT-Anfrage im Zusammenhang mit der Hebammen-Kritik mit. Wie auch in anderen Kliniken sei die Verfügbarkeit dieser Fachkräfte als sehr kritisch zu bezeichnen, woran das Rufbereitschaftssystem nichts ändere. Insofern verwundere die Aussage der Hebammen, dass am Krankenhaus Weißwasser hinreichend Personal zur Verfügung stehe.

Bezüglich des fehlenden Beatmungsgeräts für Neugeborene erklärt sie: „Die Verfügbarkeit des Gerätes allein ist nicht ausschlaggebend für Geburtshilfe. Wer so argumentiert, macht es sich zu einfach und verkennt die Situation. Sei es aus persönlichen Interessen oder lokalpatriotischer Hoffnung. Beides ist nachvollziehbar, aber nicht geeignet, die Situation in der Realität zu verändern.“ All dies sei mit Hebammen, Ärzten, Betriebsrat wiederholt besprochen worden. „Die Gegebenheiten sind, wie sie sind, und Grundlage für Entscheidungen.“ Die stünden, so die Kliniksprecherin weiter, aber in keinem Fall im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Wahl.

Es scheint also, als würden Fotos und Presseberichte über Neugeborene in Weißwasser weiter nur Erinnerungen bleiben.