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In Weißwasser wird jetzt „Aufgetischt“

Ein Bündnis engagierter Bürger möchte mit Mitmenschen ins Gespräch kommen über das, was in der Stadt bewegt – und das in ganz lockerer Runde beim Picknick für Demokratie.

Von Constanze Knappe
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„Aufgetischt“, so heißt eine neue Veranstaltungsreihe in Weißwasser. An sieben Terminen geht es um sieben Themen, die die Stadt bewegen. Organisiert wird das Ganze von einem losen Bündnis engagierter Bürger. Zur finalen Abstimmung traf man sich jetzt in d
„Aufgetischt“, so heißt eine neue Veranstaltungsreihe in Weißwasser. An sieben Terminen geht es um sieben Themen, die die Stadt bewegen. Organisiert wird das Ganze von einem losen Bündnis engagierter Bürger. Zur finalen Abstimmung traf man sich jetzt in d © Constanze Knappe

Für jemanden, der engagiert ist, bietet Weißwasser viele Möglichkeiten. Das hat Katja Diedrich im eigenen Erleben festgestellt. Die neu gewählte Vorsitzende des SPD-Ortsvereins kam vor anderthalb Jahren hierher. „In der kleinen Stadt trifft man immer jemanden. Da kann man nicht schnell mal in seiner Blase unter Seinesgleichen verschwinden“, begründet sie. In Großstädten hingegen seien solche Kontakte nicht so einfach möglich, weiß sie aus eigener Erfahrung, etwa aus Leipzig.

Mit solchen Kontakten meint sie ein lockeres Bündnis aus Bürgern der Stadtgesellschaft. Dazu gehören außer ihr René Blümel, Nico Herden, Richard Hoffmann, Frank Konietzky, Antonia Mertsching, Saskia Manke, Claudia Müller, Karina Ott und Melanie Uhlig. Begonnen habe das Ganze mit jenem Correctiv-Bericht, der in ganz Deutschland für einigen Wirbel sorgte. Da habe man überlegt, was man in Weißwasser tun könne. Nach den zwei Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt in der Stadt wollte man dem noch etwas draufsetzen und noch stärker in die Öffentlichkeit. So entstand schließlich die Idee von „Aufgetischt“ – eine offene Gesprächsreihe von Bürgern für Bürger der Stadt.

Jedermann sei zu den lockeren Runden willkommen. Spezielle Einladungen fürs Picknick gibt es nicht. Man wolle mit den Menschen Meinungen austauschen. „Und wir wollen aufklären“, sagt Robert Seidel, der mit dem Mandat der Wählervereinigung Klartext im Stadtrat sitzt. Die Transparenz in der Stadt sei optimierungsfähig, meint er auch in Bezug auf die Social-Media-Kanäle. Was dort beispielsweise für Unsinn über die Stadtfest-Macher geschrieben wurde, habe ihn wütend gemacht. „Diese und andere Kommentare kann man nicht ohne Weiteres stehenlassen“, pflichtet ihm sodann Katja Diedrich bei. Da müsse man gegenhalten. „Wir wollen Mut machen. Denen, die sich engagieren, und denen, die die Zuversicht verlorenhaben“, sagt sie noch. Und Melanie Uhlig betont: „Wir wollen zeigen, dass man auch friedlich miteinander reden kann.“

Letztes Picknick kurz vor Wahlen

Man habe Themen ausgesucht, die die Menschen in der Stadt bewegen. Jedoch brauche es dafür natürlich auch Akteure vor Ort. Das Thema Verkehr beispielsweise wurde nicht etwa außen vor gelassen, weil es zu Wenige interessiert. „Bei der Bahnanbindung kann man nur mit dem Finger auf andere zeigen. Die Stadtgesellschaft selbst kann die Entwicklungen ja gar nicht beeinflussen“, begründet Katja Diedrich.

Die Picknick-Reihe beinhaltet sieben Veranstaltungen. Los geht es übermorgen. Der letzte Bürgertisch wird am 6. Juni gedeckt und damit nur wenige Tage vor den Wahlen am 9. Juni, wenn die Weißwasseraner auch über die Zusammensetzung des neuen Stadtrates zu befinden haben.

Die terminliche Nähe sei zwar zufällig, aber wiederum auch nicht so ganz. „Es passt mit den Wahlen“, bekennt Antonia Mertsching (Linke), fügt aber sogleich hinzu, dass man die Reihe auch ohne den Wahltermin vor Augen organisiert hätte. „Aber gerade wegen der Wahlen möchten wir mit den Menschen ins Gespräch kommen. Wir wollen zeigen, dass es für die drängenden Fragen in Weißwasser keine einfachen Antworten gibt, aber unterschiedliche Lösungsansätze. Und deshalb ist es wichtig, wählen zu gehen“, erklärt die Landtagsabgeordnete, die künftig selbst im Stadtrat von Weißwasser mitentscheiden möchte. „Aufgetischt“ auf später zu verschieben, mache nicht viel Sinn, weil zwei Wochen nach den Wahlen mit den großen Ferien die Sommerpause beginnt.

Träger des Projektes ist die Station in Weißwasser. Seit zwei Monaten stehe man in einer WhatsApp-Gruppe in engem Austausch, auch habe es Videokonferenzen gegeben, berichtet Stadträtin Karina Ott (WV Für unser Weißwasser). Jetzt traf man sich zur finalen Abstimmung in der Station. Finanziert werden die Picknicke aus dem Förderprogramm „Partnerschaft für Demokratie“. Gedacht sind sie in erster Linie für die Bürger der Stadt. Aber wenn sich bei der einen oder anderen Thematik jemand aus dem Umland einbringen möchte, sei er oder sie ebenso willkommen.

Zu den verschiedenen Themen werden die Tische in der Stadt an unterschiedlichen Orten aufgestellt, die für (fast) jeden fußläufig erreichbar sind. „Wir hoffen, dass viele Bürger den Frühling mit uns feiern“, sagt Katja Diedrich. Sie freut sich mit ihren Mitstreitern darauf. Es beginnt jeweils um 17 Uhr. Für Tische, Bänke und ein Mikrofon sorgen die Organisatoren – ebenso für die Grundausstattung des Picknicke mit Brot, Brötchen, Aufstrichen und Getränken. Die Besucher sollen am besten gute Laune und ein paar Freunde mitbringen – und wer mag auch etwas zu Essen oder zu Trinken. Wenn es regnet, stürmt oder die Temperaturen unter 10 Grad Celsius fallen, dann findet „Aufgetischt“ im Stadtpavillon in Weißwasser (Sorauer Platz 2) statt.

Das sind die geplanten Picknick-Themen:

Stadtkultur: Am 25. April soll auf dem Sorauer Platz diskutiert werden, wie es trotz immer knapper werdender öffentlicher Kassen und sinkender Einwohnerzahlen gelingen kann, die vielfältige Kultur in Weißwasser zu erhalten. Vieles gehe nur noch mit einem ordentlichen Zuschuss der Stadt, was angesichts von deren Finanzlage keineswegs selbstverständlich sei. Dass sich eine kleine Stadt wie Weißwasser neben dem Eisstadion auch Schwimmhalle, Glasmuseum, Tierpark, Bibliothek und mehrere Sportstätten leistet, sei nicht hoch genug einzuschätzen. Das müsse manchem mal wieder bewusstgemacht werden. Zwar würden sich viele Leute ins gesellschaftliche Leben ehrenamtlich einbringen, aber es könnten noch viel mehr sein, um liebgewordene Angebote zu sichern. Oft verteile sich das nur auf die Schultern einiger weniger.

Gesundheit: Am 2. Mai steht vor dem Ärztehaus am Eisstadion die Frage, was denn schon gegen den Ärztemangel in Weißwasser getan wird. Als Gesprächspartner hat der Allgemeinmediziner Dr. Lutz Buschmann zugesagt, der sich selber seit Jahren stark dafür engagiert, ärztlichen Nachwuchs für Weißwasser zu gewinnen. Eingeladen sind außerdem Vertreter des Krankenhauses.

Bildung: Am 8. Mai auf dem Marktplatz wird das historische Datum in den Mittelpunkt gerückt. Am Tag der Befreiung soll darüber gesprochen werden, was Erinnerungskultur heute ausmacht und was heutige Generationen aus der Geschichte gelernt haben.

Sportstadt: Am 14. Mai geht es im Turnerheim um die Frage, welche Zukunft welche Sportart in Weißwasser hat. Auch wenn Eishockey gewissermaßen der Leuchtturm in Hockeytown ist, gibt es daneben noch anderen Sport und den Stadtsportverband, der sich gerade neu sortieren kann oder muss. Und es gibt viele Vereine, wo man sich fragt, inwieweit sich die Stadt eigentlich Gedanken gemacht hat, wie es mit der Vereinsförderung weitergeht, wenn die Leag-Gelder dafür nicht mehr fließen. Bislang fördert der Energiekonzern das gesellschaftliche Leben in Weißwasser pro Jahr mit 60.000 Euro – als Ausgleich für bergbaubedingte Beeinträchtigungen durch den Tagebau.

Integration: Am 23. Mai wird auf dem Bahnhofsvorplatz die Frage gestellt, ob denn die Teilnehmer schon mal einen Migranten persönlich kennengelernt haben. Dazu wird dann die Möglichkeit bestehen. Denn dabei sein werden auch Russlanddeutsche, Venezolaner, Ukrainer, andere Flüchtlinge und Asylbewerber. Am Tag des Grundgesetzes gebe es einen großen Themenkomplex rund um Migration/Integration. Nicht zuletzt, weil derzeit in der großen Politik Vorschläge die Runde machen wie jene, dass man Asylbewerber zur freiwilligen Arbeit zwangsverpflichten will. Anliegen des Bürgertisches sei es, zum Thema aufzuklären, bekräftigt Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching.

Umwelt: Am 23. Mai wird vor dem Tierpark über die Frage diskutiert, ob Weißwasser „schon ganz grün und noch ganz sauber“ ist. Und das durchaus ein bisschen provokant. Claudia Müller von der Station verweist auf die große Spannbreite der Thematik: Während die einen den großen Bedarf sehen, in Umweltfragen dringend etwas zu tun, haben andere Bedenken oder Zweifel, ob es uns schlechter geht, wenn wir den Lebensstil ändern. Anregungen gibt es viele, das habe der 1. Kommunale Entwicklungsbeirat zu Energie/Ökologie eindrucksvoll gezeigt.

Wirtschaft: Am 6. Juni sind dann am letzten Bürgertisch dieser Reihe am Glasbrunnen am Boulevard gute Ideen gefragt, wie es in Sachen Wirtschaft in Weißwasser besser laufen könnte. Stichpunkte dafür sind Fachkräftemangel und Geschäftsübergabe. Natürlich steht im Mittelpunkt, was es wirtschaftlich bedeutet, weg von der Kohle zu müssen. Als Gesprächspartner sollen dafür Tourismusakteure gewonnen werden.

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Wunschbox für die Bürger

Und dann ist auch schon fast der Wahlsonntag ran. Rückblickend soll dann bewertet werden, was die Picknick-Reihe gebracht hat, wie viele Leute dabei waren, welche neuen Impulse es für die Stadtpolitik gibt. Die Ergebnisse wollen die Organisatoren aber nicht allein im stillen Kämmerlein zusammentragen. Es werde bei den Veranstaltungen eine Box geben, wo Bürger in ein paar Zeilen ihre Meinung hinterlassen und auf einer Wunschkarte vermerken können, was sie sich vom neu gewählten Stadtrat wünschen, heißt es.