Für jemanden, der engagiert ist, bietet Weißwasser viele Möglichkeiten. Das hat Katja Diedrich im eigenen Erleben festgestellt. Die neu gewählte Vorsitzende des SPD-Ortsvereins kam vor anderthalb Jahren hierher. „In der kleinen Stadt trifft man immer jemanden. Da kann man nicht schnell mal in seiner Blase unter Seinesgleichen verschwinden“, begründet sie. In Großstädten hingegen seien solche Kontakte nicht so einfach möglich, weiß sie aus eigener Erfahrung, etwa aus Leipzig.
Mit solchen Kontakten meint sie ein lockeres Bündnis aus Bürgern der Stadtgesellschaft. Dazu gehören außer ihr René Blümel, Nico Herden, Richard Hoffmann, Frank Konietzky, Antonia Mertsching, Saskia Manke, Claudia Müller, Karina Ott und Melanie Uhlig. Begonnen habe das Ganze mit jenem Correctiv-Bericht, der in ganz Deutschland für einigen Wirbel sorgte. Da habe man überlegt, was man in Weißwasser tun könne. Nach den zwei Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt in der Stadt wollte man dem noch etwas draufsetzen und noch stärker in die Öffentlichkeit. So entstand schließlich die Idee von „Aufgetischt“ – eine offene Gesprächsreihe von Bürgern für Bürger der Stadt.
Jedermann sei zu den lockeren Runden willkommen. Spezielle Einladungen fürs Picknick gibt es nicht. Man wolle mit den Menschen Meinungen austauschen. „Und wir wollen aufklären“, sagt Robert Seidel, der mit dem Mandat der Wählervereinigung Klartext im Stadtrat sitzt. Die Transparenz in der Stadt sei optimierungsfähig, meint er auch in Bezug auf die Social-Media-Kanäle. Was dort beispielsweise für Unsinn über die Stadtfest-Macher geschrieben wurde, habe ihn wütend gemacht. „Diese und andere Kommentare kann man nicht ohne Weiteres stehenlassen“, pflichtet ihm sodann Katja Diedrich bei. Da müsse man gegenhalten. „Wir wollen Mut machen. Denen, die sich engagieren, und denen, die die Zuversicht verlorenhaben“, sagt sie noch. Und Melanie Uhlig betont: „Wir wollen zeigen, dass man auch friedlich miteinander reden kann.“
Letztes Picknick kurz vor Wahlen
Man habe Themen ausgesucht, die die Menschen in der Stadt bewegen. Jedoch brauche es dafür natürlich auch Akteure vor Ort. Das Thema Verkehr beispielsweise wurde nicht etwa außen vor gelassen, weil es zu Wenige interessiert. „Bei der Bahnanbindung kann man nur mit dem Finger auf andere zeigen. Die Stadtgesellschaft selbst kann die Entwicklungen ja gar nicht beeinflussen“, begründet Katja Diedrich.
Die Picknick-Reihe beinhaltet sieben Veranstaltungen. Los geht es übermorgen. Der letzte Bürgertisch wird am 6. Juni gedeckt und damit nur wenige Tage vor den Wahlen am 9. Juni, wenn die Weißwasseraner auch über die Zusammensetzung des neuen Stadtrates zu befinden haben.
Die terminliche Nähe sei zwar zufällig, aber wiederum auch nicht so ganz. „Es passt mit den Wahlen“, bekennt Antonia Mertsching (Linke), fügt aber sogleich hinzu, dass man die Reihe auch ohne den Wahltermin vor Augen organisiert hätte. „Aber gerade wegen der Wahlen möchten wir mit den Menschen ins Gespräch kommen. Wir wollen zeigen, dass es für die drängenden Fragen in Weißwasser keine einfachen Antworten gibt, aber unterschiedliche Lösungsansätze. Und deshalb ist es wichtig, wählen zu gehen“, erklärt die Landtagsabgeordnete, die künftig selbst im Stadtrat von Weißwasser mitentscheiden möchte. „Aufgetischt“ auf später zu verschieben, mache nicht viel Sinn, weil zwei Wochen nach den Wahlen mit den großen Ferien die Sommerpause beginnt.
Träger des Projektes ist die Station in Weißwasser. Seit zwei Monaten stehe man in einer WhatsApp-Gruppe in engem Austausch, auch habe es Videokonferenzen gegeben, berichtet Stadträtin Karina Ott (WV Für unser Weißwasser). Jetzt traf man sich zur finalen Abstimmung in der Station. Finanziert werden die Picknicke aus dem Förderprogramm „Partnerschaft für Demokratie“. Gedacht sind sie in erster Linie für die Bürger der Stadt. Aber wenn sich bei der einen oder anderen Thematik jemand aus dem Umland einbringen möchte, sei er oder sie ebenso willkommen.
Zu den verschiedenen Themen werden die Tische in der Stadt an unterschiedlichen Orten aufgestellt, die für (fast) jeden fußläufig erreichbar sind. „Wir hoffen, dass viele Bürger den Frühling mit uns feiern“, sagt Katja Diedrich. Sie freut sich mit ihren Mitstreitern darauf. Es beginnt jeweils um 17 Uhr. Für Tische, Bänke und ein Mikrofon sorgen die Organisatoren – ebenso für die Grundausstattung des Picknicke mit Brot, Brötchen, Aufstrichen und Getränken. Die Besucher sollen am besten gute Laune und ein paar Freunde mitbringen – und wer mag auch etwas zu Essen oder zu Trinken. Wenn es regnet, stürmt oder die Temperaturen unter 10 Grad Celsius fallen, dann findet „Aufgetischt“ im Stadtpavillon in Weißwasser (Sorauer Platz 2) statt.
Das sind die geplanten Picknick-Themen:
Wunschbox für die Bürger
Und dann ist auch schon fast der Wahlsonntag ran. Rückblickend soll dann bewertet werden, was die Picknick-Reihe gebracht hat, wie viele Leute dabei waren, welche neuen Impulse es für die Stadtpolitik gibt. Die Ergebnisse wollen die Organisatoren aber nicht allein im stillen Kämmerlein zusammentragen. Es werde bei den Veranstaltungen eine Box geben, wo Bürger in ein paar Zeilen ihre Meinung hinterlassen und auf einer Wunschkarte vermerken können, was sie sich vom neu gewählten Stadtrat wünschen, heißt es.