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Lausitzer Füchse werben um Landärzte

Der Eishockeyclub (EHC) aus Weißwasser und Sachsens Kassenärztliche Vereinigung gehen diesen Weg gemeinsam, stellten jetzt das Projekt vor.

Von Sabine Larbig
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Sebastian Klenner wird als Ex-Profispieler und Kapitän der Lausistzer Füchse und Facharzt für Allgemeinmedizin in Ausbildung das Gesicht der spektakulären und professionellen Werbekampagne.
Sebastian Klenner wird als Ex-Profispieler und Kapitän der Lausistzer Füchse und Facharzt für Allgemeinmedizin in Ausbildung das Gesicht der spektakulären und professionellen Werbekampagne. © Joachim Rehle

In und um Weißwasser stehen mancherorts Werbeaufsteller mit dem Slogan „Großartiges gehört auf große Plakate“, um so potenzielle Kunden für ins Auge fallendes Marketing zu animieren. Werben werden auch die Lausitzer Füchse: mit Plakaten, in sozialen Medien, auf digitalen Plattformen und selbst auf Bussen. Das Gesicht der großangelegten Kampagne wird Sebastian Klenner, der durch die DEL 2 deutschlandweit bekannte Nationalspieler, Ex-Profi und Kapitän der Weißwasseraner.

Noch kann der sich auf Familie, Hobbys und seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in der Helios-Klinik Weißeritztal konzentrieren. Doch schon in wenigen Wochen muss er einiges an Freizeit in Aufnahmen von Fotos, Videos, Clips investieren, dabei posen, lächeln, sympathisch, überzeugend und gleichermaßen authentisch rüberkommen. „Mal sehen, wie es wird. Aber da muss ich nun durch, denn ich konnte nicht Nein sagen, sondern bin stolz, etwas gegen Ärztemangel – noch dazu in meiner Heimatregion – tun zu können“, sagt Sebastian Klenner optimistisch lächelnd, obgleich er weiß, dass bei der Kampagne viel von ihm abhängt. Immerhin wird er nicht nur eine Werbeikone für den EHC, Ländergrenzen überschreitende Plattformen und eine bestimmte Zielgruppe, sondern auch für die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Sachsen. Gemeinsam werben EHC und KV ab sofort nämlich in einer multimedialen Kampagne für die Ansiedlung von Haus- und Fachärzten in Weißwasser, dem Landkreis Görlitz und der ganzen Lausitz.

Idee wurde aus der Not geboren

„Selbst wir als Verein mit 180 Kindern und Jugendlichen sowie als Proficlub mit 25 Spielern benötigen dringend eine bessere medizinische Infrastruktur. Mit unserem Netzwerk, unserer Reichweite über die Region hinaus wollen wir der KV eine Möglichkeit bieten, für die Ansiedlung von Ärzten in der Lausitz zu werben. Ich denke, dass wir alle mit dem, was wir hier tun, deutlich machen, dass es sich lohnt, in der Lausitz zu bleiben, zu leben, zu arbeiten. Beispiele, wie die baldige Rückkehr von Sebastian Klenner, der ab 1. Juli seine Ausbildung in Weißwasser bei Dr. Karl-Heinz Dreier fortsetzt, sind deshalb ein wunderbares Signal“, so EHC-Geschäftsführer Dirk Rohrbach bei der gestrigen Vorstellung der Kampagne in Weißwasser.

Dass Eishockey und der Lausitzer Profiklub nicht nur die Menschen und die Region verbinden, sondern auch durch den Spielbetrieb in der DEL 2 Kooperationen und Kontakte zu Klubs in ganz Deutschland, Polen, Tschechien und Europa bestehen, steht außer Zweifel. Ein Grund, weshalb die KV im Bemühen um umsetzbare Möglichkeiten und Ideen für eine bessere ärztliche Versorgung der Landbevölkerung – allein im Kreis Görlitz fehlen 40 niedergelassene Hausärzte, stehen durch Renteneintritte weitere Schließungen von Praxen bevor – die Idee der Füchse und die unkonventionelle Partnerschaft einging.

Laut Dr. Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen, zeige das Kooperationsprojekt, wie Sport und medizinische Versorgung Hand in Hand gehen können. „Ärgerlich ist nur, dass nicht wir auf die Idee kamen, mit der Begeisterung für den Eishockeysport die Aufmerksamkeit von Medizinstudenten oder Ärzten in Weiterbildung auf die Region Weißwasser zu lenken. Und natürlich spielt dabei das Gesicht der Kampagne eine große Rolle. Doch ich bin überzeugt, dass unsere Zusammenarbeit zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Weißwasser und Umgebung beitragen wird.“ Auch, weil die KV Sachsen gemeinsam mit den Krankenkassen bereits seit 2016 umfangreiche Fördermittel, darunter Förderpauschalen von bis zu 100.000 Euro und die Garantie eines Mindestumsatzes, für die Gewinnung und Niederlassung von Haus- und Fachärzten für die Region Weißwasser bereitstelle. Diese Bemühungen hätten inzwischen auch Früchte getragen.

Sächsische Bemühungen und Erfolge

So seien in den letzten Monaten fünf junge Ärzte gewonnen worden, die ihre Weiterbildung bei Hausärzten in Weißwasser absolvieren werden. Außerdem gäbe es aktuell sieben Studierende aus Weißwasser und dem Umland, die mit Unterstützung der KV Sachsen im ungarischen Pécs studieren. „Hier bestehen gute Chancen, dass einige von ihnen in ihre Heimat zurückkehren.“ Zudem hob Heckemann das Engagement der ortsansässigen Ärzte Dr. Lutz Buschmann und Dr. Karl-Heinz Dreier hervor, die sich seit Jahrzehnten für mehr Interesse von Gymnasiasten am Medizinstudium und für die Rückkehr ausgebildeter Medizinern in ihre Heimat; für die Anstellung junger Mediziner in Kliniken oder Medizinischen Versorgungszentren; ihre Niederlassung in der Lausitz einsetzen und außerdem selbst Praktikanten und Ärzte in Weiterbildung in ihren Praxen betreuen.

„Wir gehen als Ärzte in Weißwasser gern mit dem Klub und der KV eine Symbiose ein, um auf die Region bundes- und europaweit über das Vehikel Eishockey aufmerksam zu machen. Natürlich in der Hoffnung, dass wir den Nerv von Sport und Natur liebenden jungen Medizinern treffen“, begründete Dr. Buschmann sein Engagement bei der Kooperation. „Hausarzt ist für mich der schönste Beruf, den es gibt“, erklärte er und fügte hinzu: „Trotzdem kann ich nicht jeden Patienten aufnehmen, weshalb ich die Werbeidee toll finde und unterstütze“, erläuterte Dr. Dreier, seit 33 Jahren Niedergelassener Arzt in Weißwasser, seine Gründe der Unterstützung. „Und weil ich Sebastian Klenner schon als Kind behandelte, begleite ich ihn nun gerne auch als Gesicht der Kampagne und ab Juli in seiner weiteren Ausbildung.“

Da in Sachsen seit Jahren im ländlichen Raum Fach- und Hausärzte fehlen, es aber keine gesetzliche Möglichkeit hinsichtlich einer Zwangsentscheidung für eine Fachrichtung oder eine Einsatzregion bei Medizinstudenten und ausgebildeten Medizinern gibt, werden Regionen und KV immer findiger, was Anreize und Marketing betrifft. Denn Geld allein – selbst das in Sachsen zweijährig garantierte Honorar für Niedergelassene und Hausärzte auf Probe –, sagt Heckemann, gebe längst nicht mehr den Ausschlag für eine Entscheidung. Vielmehr werde für Nachwuchsmediziner eine Balance zwischen Arbeit, Freizeit und Familie immer wichtiger.

„In Weißwasser haben wir mit Umlandgemeinden, da wir sächsische Modellregion für künftige ärztliche Versorgung bis 2030 sind, eine weitere Idee geboren, die wir umsetzen wollen. Noch ist sie in der Prüfung bei der KV. Aber wir wollen, um junge Ärzte zu entlasten und ihnen Bürokratie und Abrechnungen abzunehmen, eine Art Provision zahlen, damit sie solche Aufgaben an andere Fachkräfte übergeben können“, verriet Weißwassers OB Torsten Pötzsch zum Hintergrund. Und auch, dass er von der Medienkampagne überzeugt sei.

Marketingaktion startet im Sommer

„Es ist ein neuer Weg, um Werbung für unsere Region zu machen. Und was liegt da näher, als es mit dem Aushängeschild für Stadt und Umland, den Lausitzer Füchsen, zu tun“, so Pötzsch. Auf der anderen Seite sei es wichtig, dass gestandene Ärzte vor Ort, neue Ärzte wie Sebastian Klenner, dahinter stehen und begeistern. Auch jene, die für die Absicherung der ärztlichen Versorgung verantwortlich sind und gemeinsam mit der Region daran arbeiten, Konzepte und Ideen entwickeln, sie unterstützen und mit ihnen kooperieren. „Nur so haben wir eine Chance, dem Ärztemangel intensiv und erfolgreich zu begegnen.“

Wie die Lausitzer Füchse dafür werben, wird ab Sommer auf Vereins- und Regionalbussen zu sehen sein, ab der neuen Spielsaison auf Bildschirmen in Eishockeyclubs der Republik, in Clips bei Tiktok, Instagram, Fb & Co., auf Plakaten sowie Anzeigen in Prinmedien und Broschüren. Denn Großartiges, wie die Werbeidee und das Ziel dahinter, gehören sichtbar dorthin.