Bad Muskau: Diese Unternehmerin trotzt dem Schließungstrend

Die letzten Tage hatte Beata Oberhoffner noch weniger Schlaf als normal. Von früh bis spät stand sie, wie immer, hinter der Theke ihres Lebensmittelladens in der Görlitzer Straße in Bad Muskau. Danach säuberte sie mit ihrem Mann Frank die an ihr Geschäft angrenzenden Räume vom einstigen Uhren- und Schmuckladen, bauten gemeinsam Regale und Kleinmöbel auf. Zwischendurch fuhr die Unternehmerin nach Lodz und Poznan zum Einkaufen, und an den Wochenenden arbeitete sie noch auf dem Basar in Leknica. Gestern, bis in die Nacht hinein, hieß es dann noch Schaufenster putzen, Böden wischen, Ware ein- und auspacken sowie auspreisen. Denn heute hat Beata Oberhoffner einjähriges Geschäftsjubiliäum in Bad Muskau und eine Neueröffnung.
Ein Datum mit Doppelbedeutung
Dass es seit 9. August ihren „Tante-Emma“-Laden in der Görlitzer Straße, direkt am Grenzübergang, gibt, hat sich längst rumgesprochen. Denn seit im Wohngebiet der Discount-Markt schloss, für den sich seit Jahren kein Nachmieter findet, waren die Einkaufswege innerhalb der Stadt für die meist betagten Anwohner weit und beschwerlich. Zumindest so lange, bis Beata Oberhoffner – mitten in der Corona-Pandemie – ihre Idee von einem polnischen Lebensmittelladen in Bad Muskau umsetzte.
Inzwischen hat die gebürtige Polin, die mit ihrem deutschen Mann in Bad Muskau lebt, ihr Geschäft seit einem Jahr. „Ich bin so glücklich, dass mein kleiner Laden angenommen wird und viele Stammkunden kommen. Nicht nur Menschen, die in der Nachbarschaft wohnen, kaufen hier ein, sondern auch Touristen sowie Leute aus Weißwasser und Krauschwitz, die polnische Produkte wollen, aber nicht zum Einkauf auf den Basar oder in Geschäfte in Leknica gehen wollen“, erzählt die 52-Jährige, bei der es frisches Obst und Gemüse, Molkerei- und Wurstwaren, Brot und Brötchen von polnischen Bauern und Erzeugern gibt.
Neueröffnung contra Leerstand
Auf die Geschäftsidee kam Beata, weil sie seit 26 Jahren auf dem Basar Leknica einen Lebensmittelstand hat und genau weiß, was deutsche Kunden möchten. Da diese während Corona aber nicht die polnische Grenze überschreiten durften und ihr Stand somit geschlossen blieb, mietete sie kurzerhand ein Ladengeschäft in der Görlitzer Straße an, um hier ihre Waren anbieten zu können. Dauerhaft, nicht nur während der Pandemie. Wer heute in ihrem „H 18“ – so lautet auch die Nummer ihres Lebensmittelstandes in Leknica – einkauft, wird anlässlich ihres deutschen Geschäftsjubiläums allerdings überrascht. Und das in doppelter Weise. Denn nicht nur für Einkäufer im Tante-Emma-Laden gibt es kleine Dankeschön-Geschenke. Auch für jene, die in den Räumen nebenan einkaufen. Dort bietet Beata ab sofort nämlich Mode für Frauen, Taschen und diverse Accessoires an. Ebenfalls „alles ‚Made in Poland‘ “, wie sie versichert.
Dass auch dieses Geschäftsmodell aufgeht, davon ist die Geschäftsfrau überzeugt. Zum einen, weil der Einzelhandel in Bad Muskau, nach zahlreichen Geschäftsaufgaben in den letzten Jahren, kaum noch existent ist. Zu anderen, weil deutsche Frauen gerne polnische Mode tragen. Aber die würden sie lieber „in richtigen Geschäften mit Umkleidekabinen und Spiegeln, noch dazu möglichst auf deutscher Seite und zu Basarpreisen“ kaufen statt auf dem Basar, meint Beata Oberhoffner. Und weil ihr Lebensmittelladen nach ähnlichem Konzept funktioniere, ihr der Vermieter „ein wirklich gutes Angebot“ gemacht habe, sei ihr die Idee zur Geschäftserweiterung gekommen.
Mehr Freizeit ist der einzige Wunsch
„Mein Mann hat mir Mut gemacht, mich unterstützt, wieder kräftig mit angepackt. Und weil beide Läden per Durchgang verbunden sind, aber auch separate Türen haben, hat er mir sogar das hier gebaut“, erzählt Beata und demonstriert eine sehr laute Glocke „Marke Eigenbau“ über der Tür vom Modegeschäft. „Selbst wenn ich im Lager bin, kann ich die nicht überhören.“
Das sei wichtig, bekennt Beata, die nun für beide Läden in Bad Muskau und den Stand in Leknica zuständig ist. Ihre Hoffnung, einen Verkäufer einstellen und mal kürzertreten zu können, konnte sie sich leider noch nicht erfüllen. Und so steht sie weiterhin Montag bis Freitag an den deutschen Ladentischen, während Bruder und Sohn sich um den Basar-Stand kümmern. An den Wochenenden haben sie frei, weshalb Beata dann in Leknica verkauft und weiter eine 7-Tage-Woche hat. „Zum Glück muss ich nur in der Phase der Neueröffnung selber zum Wareneinkauf fahren. Später kann ich telefonisch oder online bestellen.“
Trotz der Mehrfachbelastung und noch größerer Verantwortung steht für die deutsch-polnische Unternehmerin fest, dass sie alle ihre wirtschaftlichen Standbeine fortführen wird. Selbst die Hoffnung, mal eine Hilfskraft beschäftigen zu können, und sei es nur stundenweise, hat sie noch nicht aufgegeben. „Nur so haben mein Mann und ich wirklich mal Zeit für-einander oder können ein paar Tage gemeinsam Urlaub machen.“