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Weißwasser nimmt Abschied

Im Stadtrat forderte OB Torsten Pötzsch zu einer Schweigeminute auf. In den Kirchen konnte man gestern gedenken.

Von Sabine Larbig
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Auch in der Evangelischen Kirche Weißwasser wurde Sonntagnachmittag der an/mit Corona Verstorbenen gedacht. Am Morgen fand der Gottesdienst für den verstorbenen Pfarrer Zinkernagel statt, an dem nur 80 Bürger wegen der Corona-Auflagen teilnehmen konnte
Auch in der Evangelischen Kirche Weißwasser wurde Sonntagnachmittag der an/mit Corona Verstorbenen gedacht. Am Morgen fand der Gottesdienst für den verstorbenen Pfarrer Zinkernagel statt, an dem nur 80 Bürger wegen der Corona-Auflagen teilnehmen konnte © Sabine Larbig

Am bundesweiten Corona-Gedenktag wurde am gestrigen 18. April an all die Menschen erinnert, die an oder mit einer Covid-19-Erkrankung verstorben sind. Gewidmet war der Tag aber auch all jenen, die während der Corona-Pandemie Nachteile und Verluste erlitten haben. In Weißwasser und dem Umland öffneten die christlichen Kirchen ihre Türen, um Zeit für Klage und Raum für Hoffnung zu schaffen.

Mit einer Schweigeminute hatten bereits am Mittwoch die Stadträte zweier Mitmenschen aus Weißwasser gedacht, die an einer Corona-Infektion gestorben sind: des Stadtrates und ersten stellvertretenden Bürgermeisters Hartmut Schirrock (Klartext) sowie des Pfarrers der evangelischen Kirchengemeinde, Martin Zinkernagel. „Mit diesen beiden haben wir ganz besondere Menschen verloren“, so Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext).

Geachtet als Vermittler

Hartmut Schirrock war 1979 mit seiner Frau nach Weißwasser gekommen, eröffnete eine Uhrenwerkstatt, die er zum Fachgeschäft für Uhren und Schmuck ausbaute. 2014 übergab er das Geschäft in die Hände seines Sohnes Robert Schirrock. Martin Zinkernagel kam 2013 mit seiner Familie nach Weißwasser. Dass er das Pfarramt übernahm, war ein Segen für die evangelische Kirchengemeinde, war doch die Pfarrstelle zuvor zwei Jahre vakant gewesen. Beider Meinung zählte im öffentlichen Leben der Stadt. Sie wurden geachtet und geschätzt – auch, weil sie sich in strittigen Fragen oft der Vermittlerrolle zwischen unterschiedlichen Interessen annahmen.

In persönlichen Worten beschrieb Torsten Pötzsch, wie ihn der Verlust auch selbst getroffen hat. „Ich habe den tragischen Verlauf der Erkrankung meines Freundes und Ratskollegen, Hartmut Schirrock, seit Anfang März verfolgt. Anfangs mit ihm, als er Symptome eines schweren grippalen Infekts hatte, dann die Nachricht der intensivmedizinischen Betreuung und schließlich sogar das künstliche Koma und seine Beatmung in der Dresdner Universitätsklinik“, sagte der OB. Am 31. März verlor Hartmut Schirrock den Kampf gegen das Virus. Nur zehn Tage später erlag am 10. April auch Martin Zinkernagel den Folgen seiner schweren Corona-Infektion. Er habe ebenfalls lange mit der Virus-Erkrankung gerungen. „Mit ihm ist nicht nur ein Mensch von uns gegangen, der anderen Trost spendete und Kraft gab, Pfarrer Zinkernagel war ein Mann des Glaubens, der die Arbeit mit den Menschen, an der Basis und vor allem in unserer Stadt liebte. Und er warb immer dafür, sich und andere in dieser Virus-Pandemie zu schützen“, erklärte Pötzsch.

Und er sagte: „Vielleicht könnten Hartmut Schirrock und Martin Zinkernagel noch unter uns weilen, wenn sie eher die Option gehabt hätten, geimpft zu werden.“ Diese beiden Menschen stünden für ihn symbolisch für die derzeitige katastrophale Lage in der Welt, in Deutschland, Sachsen und eben auch in Weißwasser auf Grund der Corona-Pandemie. Er teile ihre Einschätzung, wonach man wenig über das Virus und seine Macht wisse. Es gebe viele Menschen, die deshalb Sorgen und Ängste haben. Und es gebe Menschen, die der Verharmlosung glauben.

Für Respekt und Toleranz

Diese Ungewissheit schaffe eine Situation, in der Meinungsmacher lenken und politisch instrumentalisieren. „Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut unserer Gesellschaft. Jedoch ist es ein Unterschied, eine Meinung zu haben und diese auch zu vertreten – oder aber durch Äußerungen und Handlungen Andersdenkende, ängstliche oder vorsichtige Mitmenschen zu verunglimpfen“, erklärte Torsten Pötzsch.

Es sei einfach, zu kritisieren – ohne Lösungen anzubieten. Dass die planvolle Bekämpfung der Pandemie fehlt, Mitsprache und Lebensnähe zu kurz kommen und einzelne Politiker enttäuschen, bedeute jedoch nicht, dass es andere besser könnten. „So lange es keinen besseren Weg gibt, können wir nur mit den Erkenntnissen unser Leben gestalten, die wir haben.“ Aus persönlichen Gesprächen mit Hartmut Schirrock und Pfarrer Martin Zinkernagel wisse er, wie sie für Vor- und Umsicht geworben haben. Ihre Grundeinstellung zum Leben und zur Gemeinschaft sei in Ehren zu halten. Angesichts all dessen forderte Torsten Pötzsch zu gegenseitigem Respekt, zu Rücksicht und Toleranz auf.

Nicht alle Stadträte erhoben sich

Die Sitzung fand als Videokonferenz statt. Sie wurde in den Lesesaal der Bibliothek und ins E-Werk übertragen. Nach seinen persönlichen Worten bat der Oberbürgermeister Anwesende und Zugeschaltete, sich im Gedenken an die beiden Verstorbenen zu einer Schweigeminute zu erheben.

Er sei traurig, dass nicht alle Räte dieser Bitte gefolgt seien, stellte Pötzsch später fest. „Aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen.“ Andreas Friebel (Klartext) fand es „befremdlich, dass nicht alle Räte dem stellvertretenden Bürgermeister Respekt gezollt haben und bei einer Schweigeminute für ehrbare und verdiente Persönlichkeiten sitzengeblieben sind. Egal, wie man zu Corona steht“. Zumindest in einem Falle gab es eine Erklärung für die scheinbar fehlende Ehrerbietung: technische Schwierigkeiten beim Zuschalten zu der Videokonferenz. Daher habe der Stadtrat von der Schweigeminute nichts mitbekommen. Er wolle das ausdrücklich klargestellt haben, hieß es hinterher. Selbstverständlich gedenke auch er Hartmut Schirrocks.

Andreas Kaulfuß (CDU) schlug vor, dass die Stadträte einen Kranz niederlegen. Die CDU/SPD-Fraktion habe das vor. Andere Räte aber ebenso, wie zu vernehmen war.

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